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HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 68

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 411/13, Beschluss v. 23.10.2013, HRRS 2014 Nr. 68


BGH 5 StR 411/13 - Beschluss vom 23. Oktober 2013 (LG Hamburg)

Mitteilungspflicht bei erfolglosen Verständigungsversuchen (Anforderungen an den wesentlichen Inhalt erfolgter Erörterungen als Gegenstand der Mitteilung).

§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO; § 273 Abs. 1a S. 1 StPO

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10. April 2013 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit es ihn betrifft.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 54 Fällen sowie wegen Untreue schuldig gesprochen, (zäsurbedingt) zwei Gesamtfreiheitsstrafen verhängt, ein Berufsverbot (§ 70 StGB) angeordnet und ihn zu Zahlungen an fünf Adhäsionskläger verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

1. Die Revision macht zu Recht geltend, § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO sei verletzt worden.

a) Sie trägt in zulässiger Weise (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) folgendes Prozessgeschehen vor:

Noch im Zwischenverfahren kam es zu einem "Vorgespräch über die Möglichkeiten einer Verfahrensverständigung", an dem die drei Berufsrichter, die Staatsanwaltschaft sowie die Verteidigung teilnahmen. Dabei stellte die Kammer "für den Fall vollgeständiger Angaben" bestimmte Strafunter- und Strafobergrenzen in Aussicht. Da dem unterbreiteten Vorschlag nur die Staatsanwaltschaft zustimmte, kam eine Verständigung nicht zustande. In der Hauptverhandlung teilte die Vorsitzende lediglich mit, "dass Vorgespräche ... stattgefunden und ... bis dato zu keiner Verständigung geführt hätten", jedoch keinerlei Einzelheiten dieser Gespräche.

b) Damit ist der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht in hinreichendem Umfang entsprochen worden. Denn die Bestimmung verlangt, dass in der Hauptverhandlung über den wesentlichen Inhalt erfolgter Erörterungen zu informieren ist. Hierzu hätten aber vorliegend jedenfalls der Verständigungsvorschlag der Kammer und die zu diesem abgegebenen Erklärungen der übrigen Verfahrensbeteiligten gehört.

Angesichts dessen kann der Senat offen lassen, ob er den - nach Ansicht des Revisionsführers "freilich revisionsverfahrensrechtlich fremdelnden" - Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts folgen könnte, nach denen auch mitzuteilen sei, "welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden" und "von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde" (BVerfG, NJW 2013, 1058, 1065; siehe auch BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, NJW 2013, 3046; BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, BGHR StPO § 257c Abs. 1 Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung). Insofern hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 29. August 2013 überzeugend dargelegt, der von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO abweichende Wortlaut des § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO spreche dafür, dass über den Ablauf diesbezüglicher Gespräche nur bei zustande gekommener Verständigung zu informieren ist.

c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht (vgl. BVerfG, aaO, 1067).

2. Er bemerkt im Übrigen, dass die materiellrechtliche Prüfung des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Auf der Basis der bisherigen Feststellungen teilt der Senat insbesondere nicht die von der Revision gegen die Bewertung der Konkurrenzen und die Bildung der Gesamtstrafen vorgebrachten Bedenken.

HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 68

Externe Fundstellen: NStZ 2013, 722; StV 2014, 66

Bearbeiter: Christian Becker