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HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 971

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 391/12, Beschluss v. 28.08.2012, HRRS 2012 Nr. 971


BGH 5 StR 391/12 - Beschluss vom 28. August 2012 (LG Saarbrücken)

Schwerer Raub; rechtsfehlerhafte Verneinung eines minder schweren Falles (unzureichende Berücksichtigung subjektiver Momente).

§ 250 Abs. 3 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 29. März 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben. Damit entfällt der Ausspruch über den Vorwegvollzug eines Teils der Strafe vor der Maßregel.

Im Übrigen wird die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen" (besonders) schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Strafe angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Auch eingedenk des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 1991 - 3 StR 145/91, BGHR StGB vor § 1 minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung 7) unterliegt es durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht die Voraussetzungen eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB verneint hat. Die insoweit vom Landgericht angestellten Erwägungen sind lückenhaft, da naheliegende, sich aufdrängende Gesichtspunkte nicht erkennbar bedacht worden sind.

a) Das Landgericht kommt zum Ergebnis, dass die "gesamte Tatausführung einschließlich aller subjektiven Momente" vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle nicht in einem so erheblichen Maße abweiche, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB geboten wäre. Zur Begründung stellt es darauf ab, dass der Angeklagte und der gesondert Verfolgte "aufgrund eines entsprechend gefassten Tatplans in den frühen Morgenstunden im Dunkeln unter Verwendung einer - funktionsunfähigen - Gaspistole und eines scharfen Messers gezielt ein Opfer in einer menschenleeren Straße ausgesucht und die Beute sodann unter Einsatz des Messers noch gesichert" hätten, wobei der Geschädigte durch den Einsatz des Messers leicht verletzt wurde (UA S. 9). Auch wenn die Beute vergleichsweise gering und die Tat für das Opfer ohne bleibende Folgen sei, erscheine bei diesem "Tatzuschnitt" die Anwendung des Regelstrafrahmens auf den vorgeahndeten Angeklagten geboten.

b) Die Jugendkammer hat damit im Wesentlichen auf das Gewicht des äußeren Tatgeschehens abgestellt. Sie hat dabei nicht erkennbar berücksichtigt, dass der Angeklagte, der die Tat zur Finanzierung seiner Drogensucht beging, bei ihrer Begehung gerade erst 21 Jahre alt geworden war. Nach jugendstrafrechtlichen Ahndungen, bei denen lediglich Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel verhängt wurden, ist er nunmehr erstmals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zu seinen Gunsten hatte die Jugendkammer, die insoweit keine näheren Feststellungen treffen konnte, davon auszugehen, dass der Angeklagte die eingesetzten Waffen bei der Tat nicht selbst führte; entsprechend der Feststellungen wurden sie ausschließlich von dem - wegen der Tat vom Amtsgericht zu einer im Urteil nicht mitgeteilten Sanktion verurteilten - Mittäter eingesetzt. Nicht gewürdigt wird auch die vom psychiatrischen Sachverständigen festgestellte "intellektuelle Grenzbegabung" des Angeklagten (UA S. 10), die allein im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten seiner Unterbringung in der Entziehungsanstalt erwähnt wird.

2. Im Hinblick auf die rechtsfehlerhafte Strafrahmenwahl ist die Strafe neu zu bemessen. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Die bestehen bleibenden Feststellungen können durch solche, die ihnen nicht widersprechen, ergänzt werden.

Der Maßregelausspruch ist rechtsfehlerfrei und kann daher bestehen bleiben. Allerdings zieht die Aufhebung des Strafausspruchs den Wegfall des angeordneten Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe nach sich. Im Hinblick auf die fortdauernde Untersuchungshaft wird er sich aufgrund der zwischenzeitlich weiter vollzogenen Untersuchungshaft wohl erübrigen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - 5 StR 299/10).

Da der Angeklagte im Zeitpunkt der Tat bereits erwachsen war, verweist der Senat, der an die fehlerhafte Verweisung des Jugendschöffengerichts nicht mehr gebunden ist, die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück.

HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 971

Bearbeiter: Christian Becker