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HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 190

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 193/10, Beschluss v. 02.06.2010, HRRS 2011 Nr. 190


BGH 5 StR 193/10 - Beschluss vom 2. Juni 2010 (LG Bremen)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Konkurrenzen; Teilmengen); Strafzumessung (Regelbeispiel; Darlegungsanforderungen); erheblich verminderte Schuldfähigkeit.

§ 29 BtMG; § 267 Abs. 3 StPO; § 21 StGB; § 52 StGB; § 53 StGB; § 46 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 16. Dezember 2009

1. hinsichtlich des Angeklagten H. F.

a) im Tenor - soweit er verurteilt ist - dahingehend klarstellend gefasst, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in acht Fällen verurteilt ist, und darüber hinaus dahingehend ergänzt, dass das Verfahren hinsichtlich zweier Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln eingestellt ist; dieserhalb hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen,

b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben;

2. hinsichtlich der Angeklagten He. F. gemäß § 349 Abs. 4 StPO

a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen verurteilt ist,

b) im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbliebenen Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten H. F. wegen "gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in acht Fällen, davon in zwei Fällen gemeinschaftlich mit der Mitangeklagten F. handelnd" unter Einbeziehung weiterer Einzelstrafen aus anderen Straferkenntnissen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren (Einzelstrafen von jeweils acht Monaten) verurteilt.

Die Angeklagte He. F. hat das Landgericht wegen "gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen, davon in zwei Fällen gemeinschaftlich handelnd mit dem Mitangeklagten F. ", zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren (jeweils ein Jahr Einzelstrafe) verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Zugunsten beider Angeklagter hat das Landgericht eine rechtsstaatswidrige Verfahrenverzögerung angenommen und deshalb festgestellt, dass jeweils sechs Monate Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten.

Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen greifen sie - auch hinsichtlich der erhobenen Verfahrensrügen - aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts mitgeteilten Gründen nicht durch.

1. Die Revision des Angeklagten H. F.

a) Das Landgericht hat den Umfang des Strafklageverbrauchs rechtsfehlerfrei festgestellt. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte war die Strafkammer nicht gehalten, zugunsten des Angeklagten - der den Erwerb in zehn Fällen von je zehn Gramm Heroin im Tatzeitraum eingestanden hatte - von einer Verteilung der sichergestellten Heroinmenge in Höhe von 13,1 Gramm auf mehr als zwei Erwerbshandlungen auszugehen (vgl. Franke/Wienroeder BtMG 3. Aufl. § 29, Rdn. 69). Bei dem hier lediglich vorliegenden Fassungsversehen ergänzt der Senat den Tenor selbst.

b) Der Strafausspruch hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.

aa) Das Landgericht hat im Hinblick auf die gewerbsmäßige Tatausführung den Strafrahmen des § 29 Abs. 3 BtMG zugrunde gelegt. Dabei hat es die Prüfung unterlassen, ob nicht wenigstens der vertypte Milderungsgrund des § 21 StGB die Regelwirkung hätte entfallen lassen können (Körner BtMG 6. Aufl. § 29 Rdn. 1353). Der bloße Hinweis auf das Vorliegen eines Regelbeispiels vermag unter den hier gegebenen Umständen die Annahme eines besonders schweren Falles jedenfalls allein nicht zu rechtfertigen.

bb) Schon dieser Mangel führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Hinzu kommt, dass auch die Ausführungen der Strafkammer zur strafschärfenden Berücksichtigung der Gewinnspanne von 278 % rechnerisch fehlerhaft sind, weil der Einkaufspreis vom Verkaufspreis nicht abgezogen wurde. Die zu Lasten des Angeklagten angestellte Strafzumessungserwägung, er habe "im Rahmen einer geplanten Tatserie ... agiert" (UA S. 18), erscheint im Hinblick auf das von der Strafkammer angenommene Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit unter dem Aspekt des § 46 Abs. 3 StGB problematisch.

2. Die Revision der Angeklagten He. F.

a) Das Urteil ist insofern rechtsfehlerhaft, weil sich aus den Feststellungen der Strafkammer lediglich zwei Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln entnehmen lassen.

Hinsichtlich der zwei Verkaufsfälle (Taten II 1.) rechtfertigen die Feststellungen eine tatmehrheitliche Verurteilung der Angeklagten nicht. Entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die von ihr jeweils veräußerten Teilmengen lediglich einer vom Angeklagten H. F. erstandenen Erwerbsmenge entnommen worden sind. Die Verkaufstätigkeit ist damit als eine Tat des unerlaubten Handeltreibens zu bewerten (vgl. Körner aaO Rdn. 846). Entsprechendes gilt für die Taten II 2. und 3. Die Einlassung der Angeklagten hierzu erscheint mangels anderer Anhaltspunkte nicht widerlegbar.

b) Der gesamte Strafausspruch war aufzuheben. Das neue Tatgericht wird zwei Einzelstrafen und eine Gesamtstrafe unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12) festzusetzen haben.

3. Aufrecht erhalten bleibt die den Angeklagten für bislang erfolgte rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zugebilligte Kompensation, die keine Rechtsfehler zu ihrem Nachteil erkennen lässt.

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 190

Bearbeiter: Ulf Buermeyer