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HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 242

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 520/07, Beschluss v. 09.01.2008, HRRS 2008 Nr. 242


BGH 5 StR 520/07 - Beschluss vom 9. Januar 2008 (LG Potsdam)

Erörterungsmangel hinsichtlich einer verminderten Schuldfähigkeit (Alkoholkonsum); Vergewaltigung.

§ 21 StGB; § 177 Abs. 2 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten J. wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 9. Juli 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO in dem ihn betreffenden Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Die Jugendkammer hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.

1. Nach den Feststellungen hielt sich der 19 Jahre alte Angeklagte an einem Märzabend des Jahres 2004 bei seinem um vier Jahre älteren Freund, dem in dieser Sache rechtskräftig Verurteilten B., auf. Gemeinsam mit einem weiteren Bekannten und der Freundin des B. sahen sie sich einen Film an und "tranken zusammen Alkohol". Auf einer im Zimmer liegenden Matratze kam es zwischen B. und seiner Freundin zu einverständlichen intimen Zärtlichkeiten. Als der Angeklagte hinzukam, war sie hiermit nicht einverstanden und teilte dies ihrem Freund und auch dem Angeklagten mit. Dennoch hielt B. sie an den Armen fest und erzwang so, dass sie ihn trotz ihrer Gegenwehr oral befriedigte, während der Angeklagte, B. s Gewaltanwendung ausnutzend, anal in sie eindrang.

Die Jugendkammer ist ohne weitere Erörterungen davon ausgegangen, dass B. durch den Konsum von Alkohol und Kokain bei der Tat in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war. Feststellungen zur Alkoholisierung des Angeklagten enthält das Urteil nicht.

2. Der Strafausspruch kann keinen Bestand haben.

Rechtsfehlerhaft lässt die Jugendkammer gänzlich unerörtert, ob auch bei dem Angeklagten die Voraussetzungen des § 21 StGB vorgelegen haben könnten. Hierzu bestand aber angesichts der Feststellungen, dass B. und der Angeklagte gemeinsam Alkohol getrunken haben, Veranlassung. Es ist zwar durchaus denkbar, dass nur bei einem der beiden Täter der Genuss von Rauschmitteln zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit geführt hat, dies hätte aber die Mitteilung der insoweit relevanten Anknüpfungstatsachen erforderlich gemacht.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Jugendstrafe für den Fall der Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB - § 20 StGB liegt ersichtlich nicht vor - milder ausgefallen wäre. Hierfür spricht schon, dass die Einzelfreiheitsstrafe für den - erwachsenen, im Gegensatz zu dem zum Tatzeitpunkt noch unbestraften Angeklagten bereits mehrmals vorverurteilten - Mittäter B. nur um sechs Monate höher bemessen worden ist.

Der neue Tatrichter wird den Zeitablauf seit der Tat stärker als bisher in den Blick zu nehmen haben. Denn die Tat lag bereits zum Urteilszeitpunkt nicht nur "über zwei Jahre", wie die Jugendkammer zugrundelegt, sondern über drei Jahre zurück. Soweit der "hohe Erziehungsbedarf" maßgeblich mit Kontakten zur Geschädigten begründet worden ist, ist dies für sich genommen nicht tragfähig, da diese Kontakte bereits 2004 endeten. Vielmehr wird zu beachten sein, dass der Angeklagte seit Juni 2004 keine Straftaten mehr begangen hat.

HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 242

Bearbeiter: Karsten Gaede