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HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 140

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 497/07, Beschluss v. 19.12.2007, HRRS 2008 Nr. 140


BGH 5 StR 497/07 - Beschluss vom 19. Dezember 2007 (LG Leipzig)

Schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes (minder schwerer Fall; Strafzumessung; Fehlen eines von Angst, Gewalt und Missbrauch geprägten Ausnutzungsverhältnisses).

§ 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB; § 46 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 20. Juni 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über die in den Fällen II. 12 bis 15 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und im Gesamtstrafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in den Fällen II. 12 bis 15 der Urteilsgründe (Einzelfreiheitsstrafen: jeweils zwei Jahre) und wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwölf Fällen (Einzelfreiheitsstrafen: vier bis sieben Monate) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt.

Soweit es den Schuldspruch betrifft, ist die Revision des Angeklagten unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Im Hinblick auf den Strafausspruch hat das Rechtsmittel in den Fällen II. 12 bis 15 der Urteilsgründe mit der Sachrüge Erfolg.

1. Nach den Feststellungen kam es zwischen August 2005 und Anfang Januar 2006 auf Betreiben des sexuell unerfahrenen 26-jährigen Angeklagten zwischen ihm und dem 13-jährigen D. H. zu verschiedenen sexuellen Handlungen, wobei es in der Mehrzahl der Fälle bei gegenseitiger Masturbation blieb. In vier Fällen (II. 12 bis 15 der Urteilsgründe) gelang es dem Angeklagten, D. zur Durchführung des Oralverkehrs an dessen Glied zu bewegen.

Diese vier Fälle hat das Landgericht rechtsfehlerfrei als schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB bewertet. Im Rahmen der Strafzumessungserwägungen hat die Strafkammer zunächst geprüft, ob jeweils ein minder schwerer Fall im Sinne von § 176a Abs. 4 StGB angenommen werden kann und hat hierzu als schuldmindernden Umstand lediglich angeführt, dass der Angeklagte im Wesentlichen geständig gewesen sei. Schulderhöhend falle demgegenüber ins Gewicht, dass der Angeklagte wiederholt, insgesamt vier, derartige sexuelle Handlungen mit demselben Opfer begangen habe und dass eine jeweils intensive Art und Weise der Tatbegehung gegeben sei, wobei der Angeklagte in zwei Fällen den Samen des Jungen geschluckt habe.

2. Die Strafkammer hat bei Begründung der Strafrahmenwahl wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen, die sie dem Angeklagten bei der Strafzumessung im engeren Sinne zugute gehalten hat, nämlich dass er, insbesondere zu den schwereren Straftaten, Reue und Einsicht gezeigt hat und sich daher bereits seit Anfang 2006 wegen des von ihm erkannten Problems seiner pädophilen Neigung einer psychotherapeutischen Behandlung unterzieht, dass er ferner nicht bestraft ist. Bei Zumessung der Strafe für die weniger schwerwiegenden Fälle bloßer Masturbationshandlungen hat die Strafkammer zudem ausgeführt, dass zwischen dem Angeklagten und D. kein von Angst, Gewalt und Missbrauch geprägtes Ausnutzungsverhältnis bestanden habe. Dieser Gesichtspunkt gilt aber auch für die vier qualifizierten Fälle. Danach ist zu besorgen, dass der Tatrichter diese wesentlichen Umstände bei der für die Strafrahmenwahl erforderlichen Gesamtwürdigung nicht ausreichend berücksichtigt hat (vgl. BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung 5 bis 8).

Insbesondere begegnet es Bedenken, dass die Strafkammer die Verneinung minder schwerer Fälle maßgeblich auch auf die intensive Art und Weise der jeweiligen Tatbegehung stützt, da gerade die mit dem Eindringen in den Körper verbundene Intensität der sexuellen Handlungen hier den Qualifikationstatbestand des besonders schweren Falles gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB erst begründet. Allein die Tatsache, dass Oralverkehr ausgeübt worden ist, kann daher die Annahme eines minder schweren Falles nicht von vornherein ausschließen. Dass der in diesem Zusammenhang vom Landgericht offensichtlich als besonders schulderhöhend berücksichtigte Samenerguss in den Mund des Angeklagten in dieser Weise bewertet werden kann, ist zudem - anders als bei der Fallgestaltung des Samenergusses in den Mund des Opfers - nicht ohne weiteres nachvollziehbar.

3. Die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II. 12 bis 15 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich.

HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 140

Bearbeiter: Karsten Gaede