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HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 658

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 484/05, Urteil v. 29.06.2006, HRRS 2006 Nr. 658


BGH 5 StR 484/05 - Urteil vom 29. Juni 2006 (LG Wuppertal)

Untreue; Adhäsionsverfahren (Ungeeignetheit).

§ 266 StGB; § 406 Abs. 1 Satz 4 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 15. Juni 2004 aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte im Fall II. 6 der Urteilsgründe wegen Untreue verurteilt worden ist,

b) im Einzelstrafausspruch im Fall II. 5 der Urteilsgründe,

c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,

d) im Ausspruch über die Adhäsionsentscheidung.

2. Der Angeklagte wird im Fall II. 6 der Urteilsgründe freigesprochen. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.

3. Von der Entscheidung über den Adhäsionsantrag wird abgesehen. Insoweit trägt die Staatskasse die gerichtlichen Auslagen.

4. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

5. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung über die Bildung einer Einzelstrafe (Fall II. 5 der Urteilsgründe) und einer Gesamtstrafe und über die verbleibenden Kosten der Revision an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in vier Fällen und wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Zudem hat es den Angeklagten verurteilt, an die Adhäsionsklägerin 1.511.378,73 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 25. Februar 2003 zu zahlen. Die auf die vier Schuldsprüche wegen Untreue und die Adhäsionsentscheidung beschränkte Revision des Angeklagten erzielt den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte war "technischer" Geschäftsführer der Adhäsionsklägerin G. W. mbH Wuppertal (nachfolgend: GWG). In dieser Funktion war der Angeklagte maßgeblich an der Vergabe von zwei großen Bauaufträgen und an dem Ankauf von zwei Grundstücken beteiligt; insoweit hat das Landgericht vier Taten der Untreue zum Nachteil der GWG angenommen. Dabei handelte es sich um die Vergabe von Generalunternehmeraufträgen an das Bauunternehmen H. G. GmbH und Co. KG (nachfolgend: G. KG) zur Errichtung des vierten Bauabschnitts eines von der H. -Stiftung geplanten Altenwohnheims mit einem Auftragsvolumen von ca. 30 Mio. DM (nachfolgend: Projekt H. - Stiftung) und zur Errichtung eines von der D. -Stiftung geplanten Wohnquartiers für betreutes Altenwohnen mit einem Auftragsvolumen von ca. 28 Mio. DM (nachfolgend: Projekt D. -Stiftung). Die Grundstücksankäufe betrafen zum einen ein Grundstück in der Wuppertaler Tannenbergstraße (nachfolgend: Grundstück Tannenbergstraße) zur Errichtung von etwa 200 Studentenwohnungen für etwa 7,1 Mio. DM und zum anderen ein Grundstück der ehemaligen B.-Brauerei im Wuppertaler Stadtteil Recklinghausen zur städtebaulichen Entwicklung des brachliegenden Geländes zum Preis von 7,7 Mio. DM (nachfolgend: Grundstück B.).

Der Angeklagte ließ sich bei der Auftragsvergabe und den Grundstückseinkäufen wesentlich von erheblichen Zuwendungen des gesondert Verfolgten K. leiten. K. - ein frühpensionierter ehemaliger Oberamtsanwalt, in Wuppertal als "Mister 10 %" bekannt - war bereits seit geraumer Zeit erfolgreich im Immobilien- und Baugeschäft tätig und hatte seit Beginn der 80er Jahre durch die Investition in größere Bauprojekte mit dem Wuppertaler Bauunternehmen G. KG Kontakt bekommen, von dem er für die Beauftragung jeweils verdeckte Provisionen erhielt. K. wurde im Vorstand der H. -Stiftung und der D. -Stiftung auch tätig, um in dieser Funktion bei zukünftigen Bauvorhaben für eine Auftragsvergabe an die G. KG zu sorgen und damit weitere Provisionen zu verdienen. Aus demselben Beweggrund unterhielt K. auch jahrelang enge Beziehungen zu dem Angeklagten, dem ursprünglich mitangeklagten gesondert abgeurteilten "kaufmännischen" Geschäftsführer der GWG Hi. und dem ebenfalls ursprünglich mitangeklagten gesondert abgeurteilten Prokuristen der GWG St . K. kam es dabei darauf an, diese durch großzügige Zuwendungen zu einer ihm nützlichen Geschäftspolitik der GWG zu bewegen. Der Angeklagte erhielt von K. in den Jahren 1995 und 1997 Bargeldzuwendungen von insgesamt 160.000 DM und Sachzuwendungen in Form von Reisen, Uhren etc. im Wert von insgesamt ca. 30.000 DM. Der Angeklagte gab diese Zuwendungen in den Steuererklärungen für die jeweiligen Jahre nicht an und verkürzte hierdurch Einkommensteuern in Höhe von insgesamt etwa 96.000 DM.

Die zwischen G. und K. vereinbarten Provisionen für die Bauvorhaben H. -Stiftung und D. -Stiftung in Höhe von 5 % der Auftragssumme hat das Landgericht als Mindestschaden der GWG im Rahmen der ohne jeden Wettbewerb erfolgten Auftragsvergabe gewertet. Nach Auffassung des Landgerichts handelt es sich dabei um einen sachfremden Rechnungsposten, der bei wettbewerbskonformer Vergabe nicht in die Kalkulation der G. KG eingeflossen wäre und deshalb letztlich von der GWG nicht habe getragen werden müssen. Das Landgericht hat bei dem Angeklagten, der keine positive Kenntnis von der Provisionsabsprache zwischen G. und K. hatte, bedingten Vorsatz hinsichtlich der Höhe des Vermögensnachteils angenommen.

Betreffend das Grundstück Tannenbergstraße hatte K. ein Gutachten über den Verkehrswert in Auftrag gegeben, das unter Ansetzung nicht angefallener Baunebenkosten in Höhe von 2,2 Mio. DM einen Wert von 7,1 Mio. DM auswies. Etwa ein Jahr vor dem schließlich zu diesem Preis erfolgten Ankauf des Grundstücks durch die GWG hatte ein anderes Unternehmen das Grundstück zum Preis von 6,1 Mio. DM erwerben wollen; der Verkäufer war auch zu einem Verkauf zu diesem Preis bereit. Die Differenz zwischen beiden Kaufpreisen hat das Landgericht als vom Eventualvorsatz des Angeklagten erfassten Mindestschaden gewertet.

Kurz vor dem Ankauf des Grundstücks B. im Jahr 1995 war der Verkäufer - der gesondert Verfolgte Z., ein Geschäftsfreund K. s- in finanziellen Schwierigkeiten und stand vor der Insolvenz, nachdem ihm die finanzierende Deutsche Bank gedroht hatte, die Kredite für dieses Projekt zu kündigen. Z. hatte das Grundstück bereits 1993 der GWG zum Kauf angeboten, woraufhin die GWG die Prüfung einer städtebaulichen Entwicklung des Geländes beschloss. Auf Druck K. s, der dem Angeklagten die finanziellen Schwierigkeiten seines Freundes Z. s beschrieb und wegen dessen drohender Insolvenz zur Eile drängte, wurde im März 1995 der notarielle Kaufvertrag über das Grundstück B. zu dem von der Deutschen Bank vorgegebenen Kaufpreis von 7,7 Mio. DM geschlossen; die Deutsche Bank war Inhaberin einer auf dem Grundstück lastenden Grundschuld über 6 Mio. DM. Das Landgericht hat eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch den Angeklagten darin gesehen, dass dieser beim Grundstücksankauf nicht bis zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Z. s zugewartet und sich dadurch einer günstigeren Ankaufsmöglichkeit begeben hat. Der GWG sei hierdurch ein Mindestvermögensnachteil von 2 Mio. DM entstanden, weil um mindestens diesen Betrag der Kaufpreis bei längerem Zuwarten günstiger ausgefallen wäre.

II.

Die Revision hat mit der Sachrüge nur teilweise Erfolg.

1. Zu den Verfahrensrügen

a) Der von der Revision geltend gemachte absolute Revisionsgrund nach § 338 Nr. 3 StPO wegen etwa unrechtmäßiger Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO liegt nicht vor. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf sein Urteil vom heutigen Tage gegen den früheren Mitangeklagten Hi. (5 StR 485/05).

b) Die weiteren Verfahrensrügen entsprechen überwiegend schon nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; sie bleiben auch in der Sache ohne Erfolg:

Bei den Anträgen der Verteidigung vom 21. April 2004 auf Einholung diverser Sachverständigengutachten handelt es sich jeweils mangels konkreter Beweisbehauptungen nicht um nach § 244 Abs. 4 StPO zu behandelnde Beweisanträge, sondern lediglich um Beweisermittlungsanträge; die Anträge benennen lediglich das gewollte Beweisziel, aber keine bestimmten Tatsachen. Den entsprechenden Aufklärungsrügen mangelt es an der bestimmten Behauptung des zu erwartenden Beweisergebnisses und der Darlegung, weshalb sich dem Gericht diese Aufklärung hätte aufdrängen müssen.

2. Zur Sachrüge:

Aus den Gründen, die der Senat im Urteil vom heutigen Tage gegen den früheren Mitangeklagten Hi. (5 StR 485/05) im Einzelnen ausgeführt hat, ist der gegen beide Angeklagte gleichermaßen ergangene Schuldspruch wegen Untreue in den drei Fällen H. -Stiftung, D. - Stiftung und Grundstück Tannenbergstraße nicht zu beanstanden. Dem Angeklagten oblag auch als technischem Geschäftsführer die Pflicht, die Vermögensinteressen der von ihm vertretenen GWG zu betreuen. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang auf eine schwerere Erkrankung des Angeklagten abstellt, ist ihr Vortrag urteilsfremd. Allerdings kann auch beim Angeklagten die Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten im Fall des Grundstücks Tannenbergstraße (Fall II. 5 der Urteilsgründe) aus den gleichen Gründen wie bei Hi. (vgl. heutiges Urteil des Senats 5 StR 485/05) nicht bestehen bleiben.

Im Fall des Grundstücks B. spricht der Senat den Angeklagten aus den im heutigen Urteil 5 StR 485/05 genannten Gründen frei. Die Sache ist insoweit entscheidungsreif (§ 354 Abs. 1 StPO). Der Senat schließt aus, dass weitergehende Feststellungen möglich sind, die eine Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue in diesem Fall tragfähig begründen könnten.

Im Übrigen hat die Überprüfung des landgerichtlichen Urteils keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat schließt aus, dass die weggefallenen Einzelfreiheitsstrafen von drei Jahren und zwei Jahren sechs Monaten die Bemessung der übrigen Einzelfreiheitsstrafen in den zwei übrigen Untreuefällen (drei Jahre und drei Jahre sechs Monate) beeinflusst hat.

3. Der Senat hebt die Adhäsionsentscheidung auf und sieht von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag ab. Dies folgt für den Teil 17 der Adhäsionsentscheidung, die den Fall des Grundstücks B. betrifft, bereits aus dem diesbezüglichen Teilfreispruch des Angeklagten. Bezüglich des verbleibenden Teils in Höhe von 488.795,03 Euro betreffend das Grundstück Tannenbergstraße ist der Antrag - aus den vom Senat im genannten Urteil 5 StR 485/05 im Einzelnen ausgeführten Gründen - auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Adhäsionsklägerin zur Erledigung im Strafverfahren ungeeignet (§ 406 Abs. 1 Satz 4 StPO). Die Kostenentscheidung für das Adhäsionsverfahren, wonach die Staatskasse die Gerichtskosten und jeder der Beteiligten seine notwendigen Auslagen selbst trägt, entspricht billigem Ermessen (vgl. § 472a Abs. 2 StPO; vgl. auch Eb. Schmidt, Lehrkommentar zur StPO und zum GVG, Nachtragsband II § 472a Rdn. 3; Granderath NStZ 1984, 399, 400 m. Fn. 14). Damit erledigt sich die Kostenbeschwerde.

4. Das neue Tatgericht wird auf der Grundlage der verbliebenen rechtskräftigen Feststellungen und der verbliebenen Einzelstrafen lediglich über die Bildung einer neuen Einzelstrafe im Fall des Grundstücks Tannenbergstraße und die Bildung einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe befinden müssen; bei letzterem wird es nicht nur den engen situativen Zusammenhang zwischen den drei Taten, sondern auch die inzwischen verstrichene Zeit hinreichend zu berücksichtigen haben. Zugleich wird trotz gewisser Unterschiede in den verbleibenden Einzel- und Einsatzstrafen beim Angeklagten einerseits und Hi. andererseits aufgrund des weitgehend identischen Schuldumfangs eine erhebliche Differenz zwischen den beiden jeweils zu bildenden Gesamtfreiheitsstrafen oder gar eine Umkehrung der bisher vom Landgericht vorgenommenen Abstufung zu vermeiden sein.

HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 658

Bearbeiter: Karsten Gaede