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HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 865

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 299/05, Beschluss v. 11.08.2005, HRRS 2005 Nr. 865


BGH 5 StR 299/05 - Beschluss vom 11. August 2005 (LG Potsdam)

Verfahrenseinstellung wegen Verjährung und Urteilsaufhebung.

§ 78 StGB; § 349 Abs. 4 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 22. Dezember 2004 nach § 349 Abs. 4 StPO

a) aufgehoben, soweit der Angeklagte in den Fällen 2. f und 2. h der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit wird das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1 StPO eingestellt; die hierdurch entstandenen Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last;

b) im Schuldspruch insgesamt dahingehend geändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen (2. a bis 2. e und 2. g der Urteilsgründe) schuldig ist:

c) in den Strafaussprüchen der Fälle 2. a bis 2. d der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung zur Bildung einer Hauptstrafe in den Fällen 2. a bis 2. d der Urteilsgründe und zur Bemessung einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten sowie eines weiteren Beischlafs zwischen Verwandten" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt.

Die Revision des Angeklagten führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Verfahrenseinstellung, der Korrektur des Schuldspruchs und der Aufhebung der vier Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe. Das Rechtsmittel ist im übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Zu der gebotenen Teileinstellung des Verfahrens und dem wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung zu ändernden Schuldspruch hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 18. Juli 2005 zutreffend ausgeführt:

"a) Das Verfahren ist in Fall II. 2. f der Urteilsgründe gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen, weil die Tat verjährt ist.

Die zunächst acht Jahre umfassende Verjährungsfrist für die nach § 148 Abs. 1 StGB-DDR i.V.m. § 82 Abs. 1 Nr. 3 StGB-DDR zu beurteilende Straftat wurde am 3. Oktober 1990 unterbrochen (Art. 315a Abs. 1 Satz 1 EGStGB). Auf Grund der sodann maßgeblichen Vorschrift des § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB betrug die Verjährungsfrist fünf Jahre.

Da diese zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des 30. StrÄndG am 30. Juni 1994 noch nicht abgelaufen war, ruhte die Verjährung nach § 78b Abs. 1 StGB. Die Verjährungsfrist begann danach wieder mit Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers am 1. Januar 1997 zu laufen. Da die erste verjährungsunterbrechende Verfolgungshandlung erst am 28. Mai 2002 erfolgte (Vorladung des Beschuldigten zur polizeilichen Vernehmung, Bd. 1 Bl. 39 d. A.), trat Verjährung mit Ablauf des 31. Dezember 2001 ein.

b) Eine Verfahrenseinstellung gemäß § 206a Abs. 1 StPO muss auch im Falle II. 2. h der Urteilsgründe erfolgen, weil die im Jahre 1994 begangene Tat nach § 173 Abs. 1 StGB mit Ablauf des 2. Oktober 2000 (Art. 315a Abs. 2 EGStGB) mangels rechtzeitiger Unterbrechungshandlungen verjährt war.

c) In den Fällen II. 2. c, d, e, g der Urteilsgründe ist der Schuldspruch dahin gehend abzuändern, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen Geschlechtsverkehrs/Beischlafs zwischen Verwandten gemäß § 152 Abs. 1 StGB-DDR bzw. § 173 Abs. 1 StGB entfällt. In den Fällen II. 2. c und d wurde der Lauf der deliktsspezifischen fünfjährigen Verjährungsfrist (§§ 152, 82 Abs. 1 Nr. 2 StGB-DDR) gemäß Art. 315a Abs. 1 Satz 1 EGStGB unterbrochen; danach war § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB einschlägig. Verjährungseintritt erfolgte mangels rechtzeitiger Unterbrechungshandlungen nach Art. 315a Abs. 2 EGStGB mit Ablauf des 2. Oktober 2000. Zu diesem Zeitpunkt verjährten auch die nach dem 3. Oktober 1990 begangenen Taten gemäß § 173 Abs. 1 StGB (Fälle II. 2. e, g)."

Darüber hinaus haben die in den Fällen 2. a bis 2. d der Urteilsgründe gebildeten Einzelstrafen (Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten, neun Monaten, zweimal drei Jahren) keinen Bestand. Das Landgericht hat auf diese 1989 begangenen Missbrauchstaten zutreffend § 148 StGBDDR angewandt. Solches hätte es aber auch geboten, für diese Taten eine Hauptstrafe nach §§ 63, 64, 148 Abs. 1 StGB-DDR festzusetzen (vgl. BGHR StGB § 2 Abs. 3 DDR-StGB 13).

Der neue Tatrichter wird demnach aus den verbliebenen Freiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten sowie drei Jahren, deren Bemessung auch nach Reduzierung des Schuldspruchs im Blick auf die jeweils massive Tatausführung angemessen ist (§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO; vgl. BGH NJW 2005, 913 zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt), und der neu zu bildenden Hauptstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden haben. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht.

HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 865

Bearbeiter: Karsten Gaede