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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 87/03, Beschluss v. 25.03.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 87/03 - Beschluss vom 25. März 2003 (LG Potsdam)

Hinweispflicht (Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunktes); Beruhen.

§ 265 Abs. 1 StPO; § 337 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 10. Oktober 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung zu fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der auf Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO gestützten Verfahrensrüge Erfolg.

Zutreffend beanstandet die Revision, daß das Landgericht abweichend von der zugelassenen Anklage, welcher lediglich der - tateinheitlich zu versuchter Erpressung und schwerem Raub stehende - Vorwurf vorsätzlicher Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) zugrunde lag, zu einer Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) gelangt ist, ohne dem Angeklagten zuvor den nach § 265 Abs. 1 StPO vorgeschriebenen rechtlichen Hinweis erteilt zu haben.

Abweichend von der Auffassung des Generalbundesanwalts kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesem Verfahrensverstoß nicht aus schließen. Zwar hat sich der Angeklagte gegen den Anklagevorwurf mit der "Schutzbehauptung" (UA S. 7) der alkoholbedingten Erinnerungslosigkeit verteidigt. Zumal da das Landgericht diese Einlassung für falsch hielt, bleibt möglich, daß der Angeklagte bei Kenntnis von dem veränderten schwereren Vorwurf ein anderes Verteidigungsverhalten gewählt und sich zu Einzelheiten der von ihm verübten Körperverletzungshandlung oder seiner Vorstellung von deren Wirkung abweichend eingelassen hätte. Ferner hätte der gebotene Hinweis möglicherweise den Verteidiger veranlaßt, sich im Rahmen der Hauptverhandlung mit maßgeblichen Umständen im Zusammenhang mit Verletzungshandlung und Verletzungserfolg näher auseinanderzusetzen.

Die Verfahrensrüge zieht die umfassende Aufhebung des angefochtenen Urteils nach sich. Den Körperverletzungsvorwurf gemäß § 154a StPO von der Verfolgung auszunehmen, schied hier aus. Denn der Unrechtsgehalt der abgeurteilten Tat wird im Blick auf die Geringfügigkeit von Beute und Beuteerwartung maßgeblich vom Ausmaß der konkret angewandten Gewalt bestimmt, das für Strafrahmenwahl und Strafzumessung hier von ausschlaggebender Bedeutung ist. Dieser entscheidende Strafzumessungsfaktor wird maßgeblich durch die rechtliche Bewertung des idealkonkurrierenden Körperverletzungsdelikts gekennzeichnet.

Wegen der übersehenen doppelten Qualifikation der abgeurteilten versuchten Erpressung verweist der Senat auf die Revisionsbegründung und die Antragsschrift des Generalbundesanwalts. Das neue Tatgericht wird auch zu prüfen haben, inwieweit der Messereinsatz noch der Wegnahme diente.

Insoweit liegt die einen Schuldspruch wegen schweren Raubes tragende, auch von der Verteidigung gebilligte Annahme, das Messer sei in der Endphase der Wegnahme eingesetzt worden, näher als die vom Generalbundesanwalt erwogene Annahme eines schweren räuberischen Diebstahls.

Insgesamt wird das neue Tatgericht auf das Erfordernis rechtlicher Hinweise Bedacht zu nehmen haben, wenn es zu einer von der Anklage abweichenden rechtlichen Würdigung gelangt.

Bearbeiter: Karsten Gaede