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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 59

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 458/03, Beschluss v. 12.11.2003, HRRS 2004 Nr. 59


BGH 5 StR 458/03 - Beschluss vom 12. November 2003 (LG Göttingen)

Klärende Feststellung der Wirksamkeit der Rücknahme der Revision durch förmliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts (Schriftlichkeit: handschriftliche Unterzeichnung eines eigenhändig geschriebenen Schriftstücks, Urheberschaft des Angeklagten; Unwiderruflichkeit trotz fehlender Erwartungen: Veranlassung durch die Justiz).

§ 302 Abs. 1 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Eine Rücknahmeerklärung ist unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr. vgl. nur BGHR StPO § 302 Abs. 1 Rücknahme 5 m.w.N.). Grundsätzlich ist auch eine auf Irrtum beruhende Rücknahmeerklärung nicht anfechtbar. Dass der Angeklagte mit seiner Prozesshandlung Erwartungen verknüpft hat, die - nach dem Vortrag seines Wahlverteidigers - nicht von der Justiz veranlasst worden waren, führt nicht ausnahmsweise zur Zulässigkeit der Anfechtung.

Entscheidungstenor

Es wird festgestellt, daß die Revision des Angeklagten Z gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 7. Mai 2003 wirksam zurückgenommen ist.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen das am 7. Mai 2003 verkündete Urteil legte der Wahlverteidiger am 12. Mai 2003 Revision ein. Der Angeklagte teilte in einem am 19. Mai 2003 beim Landgericht eingegangenen Schreiben mit, er ziehe seine Revision zurück, da er jetzt eine Lehrstelle als Metallbauer in Aussicht habe. In seinem Schriftsatz vom 30. Mai 2003 führte der Wahlverteidiger aus, eine Besprechung mit dem Angeklagten hätte ergeben, daß die Revision nicht zurückgenommen werden soll. Der Angeklagte sei dem Mißverständnis erlegen, eine sichere Arbeitsmöglichkeit nur erlangen zu können, falls er seine Revision zurückziehe. Mit weiteren Schreiben beantragten der Pflichtverteidiger und der Angeklagte die Durchführung des Rechtsmittels.

2. Damit ist eine klärende Feststellung der Wirksamkeit der Rücknahme der Revision durch förmliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts angezeigt (BGH NStZ 2001, 104 m.w.N.). Dies führt hier zu der deklaratorischen Feststellung des Senats, daß die vom Wahlverteidiger eingelegte Revision durch den Angeklagten mit dessen am 19. Mai 2003 bei Gericht eingegangenem Schreiben wirksam zurückgenommen wurde. Die handschriftliche Unterzeichnung des eigenhändig geschriebenen Schriftstücks ist kein wesentliches Erfordernis der Schriftlichkeit. Für die Einhaltung der Schriftform ist es vielmehr ausreichend, daß der Angeklagte als der Urheber des Schreibens zweifelsfrei erkennbar ist (BGH NStZ-RR 2000, 305 m.w.N.).

Dies ist hier nach einem Vergleich mit einem weiteren - vom Pflichtverteidiger am 30. Juni 2003 vorgelegten - Schreiben des Angeklagten und der die Urheberschaft des Angeklagten bestätigenden Mitteilung des Wahlverteidigers vom 30. Mai 2003 der Fall. Die Rücknahmeerklärung ist unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr. vgl. nur BGHR StPO § 302 Abs. 1 Rücknahme 5 m.w.N.). Grundsätzlich ist auch eine auf Irrtum beruhende Rücknahmeerklärung nicht anfechtbar (BGH aaO). Daß der Angeklagte mit seiner Prozeßhandlung Erwartungen verknüpft hat, die - nach dem Vortrag seines Wahlverteidigers - nicht von der Justiz veranlaßt worden waren, führt nicht ausnahmsweise zur Zulässigkeit der Anfechtung (vgl. BGH aaO). Die wirksam erklärte Rechtsmittelrücknahme des Angeklagten erstreckt sich auch auf die von seinem Wahlverteidiger eingelegte Revision (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 7).

Im übrigen wird der Senat im Rahmen der anstehenden Hauptverhandlung auf die Revisionen der Nebenkläger eine Sachprüfung zum Schuldspruch vornehmen (§ 301 StPO).

Nach wirksamer Rücknahme der Revision hat der Angeklagte die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen (§ 473 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 59

Bearbeiter: Karsten Gaede