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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 150

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 440/03, Beschluss v. 06.01.2004, HRRS 2004 Nr. 150


BGH 5 StR 440/03 - Beschluss vom 6. Januar 2004 (LG Berlin)

Fehlerhafter Gesamtstrafenbildung (Zäsur).

§ 55 Abs. 1 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten E wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. April 2003 im Gesamtstrafausspruch gegen diesen Angeklagten mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Amtsgericht Tiergarten in Berlin - Strafrichter - zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat gegen den Angeklagten E wegen vorsätzlicher Körperverletzung eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 20 verhängt und hieraus unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten (mit Bewährung) aus dem Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 22. Mai 2002 eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten (ohne Bewährung) gebildet.

Die Revision des Angeklagten ist zum Schuld- und Einzelstrafausspruch unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Hingegen hält der nach § 55 Abs. 1 StGB gebildete Gesamtstrafausspruch sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.

Die rechtskräftig verhängte Freiheitsstrafe für eine 1997 begangene Tat wäre gar nicht einbeziehungsfähig gewesen, wenn bei ihrer Verhängung im Mai 2002 eine Gesamtstrafbildung mit der Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 1. Februar 1999 in Betracht gekommen wäre, weil dann - unabhängig davon, ob es zur Gesamtstrafbildung gekommen ist - der letztgenannte Zeitpunkt die nach § 55 Abs. 1 StGB maßgebliche Zäsur gebildet hätte und die hier abgeurteilte Tat erst im Jahre 2001, also nach diesem Zeitpunkt begangen worden ist. Ob eine solche anderweits maßgebliche Zäsur vorlag, richtet sich danach, ob die Geldstrafe aus dem Strafbefehl im Mai 2002 bereits vollstreckt war. Zu diesem maßgeblichen Umstand verschweigt sich das Urteil.

Selbst wenn die Geldstrafe - was aufgrund ihrer Höhe und wegen des Zeitablaufs nicht fernliegt - damals vollstreckt gewesen sein sollte, könnte die nachträgliche Gesamtstrafe keinen Bestand haben, weil das Landgericht nicht geprüft hat, ob gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB eine gesonderte Verhängung der Geldstrafe in Betracht zu ziehen ist. Die Nichterörterung dieser Frage erweckt die Besorgnis, daß das Landgericht das ihm insoweit eröffnete Ermessen übersehen haben könnte, da sich die Verneinung gesonderter Geldstrafenverhängung hier jedenfalls nicht von selbst versteht.

Bei dieser Sachlage braucht der Senat über die nachrangige Frage der Versagung von Strafaussetzung zur Bewährung für die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe nicht zu entscheiden. Der Senat weist allerdings darauf hin, daß das insoweit gefundene Ergebnis angesichts der Zubilligung von Strafaussetzung in der einbezogenen Sache gemäß § 56 Abs. 2 StGB, des Fehlens insoweit gewichtiger neu aufgetretener Gesichtspunkte zum Nachteil des Angeklagten seit jener rechtskräftigen Entscheidung und der gewichtigen Milderungsgründe in dieser Sache (UA S. 77) kaum vertretbar erscheint.

Die erneute Entscheidung über die Frage nachträglicher Gesamtstrafbildung, gegebenenfalls der Strafaussetzung zur Bewährung, obliegt nunmehr dem Strafrichter (§ 354 Abs. 3 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 150

Bearbeiter: Karsten Gaede