Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 416/03, Beschluss v. 30.10.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 10. April 2003 nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in sieben Fällen und wegen sexueller Nötigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das hiergegen gerichtete Rechtsmittel des Angeklagten, mit dem er die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts rügt, hat zum Strafausspruch Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB sind bei der Strafzumessung die von der Strafe für das künftige Leben des Täters ausgehenden Wirkungen zu berücksichtigen. Insoweit bestimmende Umstände im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO sind in den Urteilsgründen nachprüfbar darzulegen. Einen für die Bemessung der Strafen wesentlichen Umstand in der Person des Angeklagten erörtert der Tatrichter nicht. Zwar weist die Strafkammer zu Gunsten des Angeklagten allgemein darauf hin, daß er aufgrund seiner Behinderung gewisse Schwierigkeiten hatte, sein eigenes Leben zu meistern (UA S. 35). Doch bleibt in diesem Zusammenhang gänzlich unerwähnt, daß für den in mehrfacher Weise spastisch gelähmten, grundsätzlich auf einen Rollstuhl angewiesenen und zudem erheblich sehbehinderten Angeklagten gerade auch ein langjähriger Strafvollzug eine besondere Härte bedeuten wird. Die gesteigerte Haftempfindlichkeit des Angeklagten hätte der Tatrichter bei der Festsetzung der Strafen jedenfalls erörtern müssen.
Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin:
Der neue Tatrichter wird bei der Bemessung der Strafen zu prüfen haben, ob dem Angeklagten über eine Strafmilderung wegen des langen zeitlichen Abstandes zwischen den Taten einerseits und dem Urteil andererseits hinaus ein Ausgleich wegen einer möglichen Verletzung des Beschleunigungsgebotes im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zuzubilligen sein wird (vgl. dazu BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13 m.w.N.). In diesem Fall hat der Tatrichter die Verletzung des Beschleunigungsgebotes ausdrücklich festzustellen und das Maß der dafür gebotenen Strafmilderung rechnerisch exakt zu bestimmen (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 7, 12, 13). Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Stellungnahme vom 17. September 2003.
Bearbeiter: Karsten Gaede