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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 29

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 315/03, Beschluss v. 11.11.2003, HRRS 2004 Nr. 29


BGH 5 StR 315/03 - Beschluss vom 11. November 2003 (LG Cottbus)

Gesamtstrafenbildung (rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung; kein doppelter Rabatt).

§ 53 StGB; § 55 StGB; Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 6 Abs. 2 EMRK

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 14. Januar 2003 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in vier Fällen - unter Einbeziehung weiterer Strafen aus zwei Verurteilungen - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat in dem sich aus dem Beschlußtenor ergebenden Umfang Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Zu den vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen merkt der Senat an, daß diese auch unbegründet wären.

Keinen Bestand haben kann dagegen der Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Das Landgericht stellt zutreffend eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung fest und bestimmt hinsichtlich der verhängten Einzelstrafen ohne Rechtsfehler das Maß der gebotenen Kompensation. Die Gesamtfreiheitsstrafe begegnet jedoch schon deshalb durchgreifenden Bedenken, weil ihre Höhe sich schon rechnerisch nicht aus den hierfür eindeutig herangezogenen reduzierten Einzelstrafen ergeben kann. Dieser Rechtsfehler wird auch nicht dadurch beseitigt, daß das Landgericht im Wege einer weiteren Kompensation die Gesamtfreiheitsstrafe auf drei Jahre und sechs Monate vermindert hat. Der Senat kann unter Bedacht auf den Gesamtzusammenhang der Zumessungserwägungen nicht ausschließen, daß auch die reduzierte Gesamtstrafe von dem Rechtsfehler bei der Bildung der primär festgesetzten Gesamtstrafe beeinflußt ist. Damit hat sich dieser Mangel möglicherweise auch zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt.

Der neue Tatrichter wird die Gesamtstrafe im Falle einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung aus den jeweils im Wege der Kompensation verringerten Einzelstrafen bilden müssen. Dabei darf allerdings die Reduzierung von Einzelstrafen und Gesamtstrafe nicht in der Form eines "doppelten Rabatts" durchgeführt werden. Dem steht nicht entgegen - vielmehr empfiehlt es sich sogar -, auch hinsichtlich der Gesamtstrafe die an sich verwirkte und die nach Durchführung der Kompensation schließlich verhängte Höhe konkret anzugeben (BGH, Beschl. vom 17. Juni 2003 - 3 StR 183/03).

Im Blick auf die aus den Vorverurteilungen einzubeziehenden Geldstrafen wird weiter zu prüfen sein, ob diese nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gesondert bestehen bleiben können und eine Gesamtgeldstrafe zu bilden ist (vgl. BGHR StGB § 53 Abs. 2 Einbeziehung, nachteilige 6; StGB § 53 Abs. 2 Satz 2 Einbeziehung, nachteilige 1).

Die Feststellungen bleiben aufrechterhalten. Der neue Tatrichter ist nicht gehindert, zusätzliche den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen zu treffen.

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 29

Bearbeiter: Ulf Buermeyer