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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 322

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 271/03, Beschluss v. 01.03.2004, HRRS 2004 Nr. 322


BGH 5 StR 271/03 - Beschluss vom 1. März 2004 (LG Neuruppin)

Erforderlicher Fortbestand der Amtsträgereigenschaft (Zeitpunkt; keine nachwirkenden Pflichten); Bestechlichkeit.

§ 332 StGB a.F.; § 331 StGB; § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Die Bestechungsdelikte im weiteren Sinn (§§ 331 bis 335 StGB) setzen voraus, dass der Bestochene zur Zeit der Tat Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 (Nr. 3 und 4) StGB ist (vgl. für die Vorteilsannahme nach § 331 StGB bereits BGHSt 11, 345, 347). Der Gesichtspunkt nachwirkender Pflichten, der etwa bei denjenigen Amtsdelikten trägt, die während der Amtsträgerschaft erlangte Kenntnisse betreffen (§§ 353b, 355 StGB), greift bei den Bestechungsdelikten im weiteren Sinne nicht.

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten S und I wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 28. November 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten I wegen Bestechung unter Einbeziehung von Strafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt. Den Angeklagten S hat es wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg, so daß es auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht ankommt.

Das Landgericht hat im wesentlichen folgendes festgestellt:

Der Angeklagte S war seit seiner Wahl am 27. Februar 1991 ehrenamtlicher Vorsteher des Zweckverbandes Gewerbe- und Industriegebiete Heiligengrabe/Liebenthal. Der Angeklagte I war Kommanditist der in Minden ansässigen St & I GmbH & Co. KG, deren Geschäftsgegenstand u. a. der Bau von Kläranlagen war. Am 18. August 1992 beschloß der Verbandsausschuß des genannten Zweckverbandes den Bau einer Kläranlage.

Eine Sicherung der Finanzierung dieses Projektes gelang jedoch nicht, so daß der Zweckverband nicht über die finanziellen Mittel zur Durchführung des Bauvorhabens verfügte. Insbesondere hatten das Wirtschaftsministerium und das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg mitgeteilt, daß nicht mit Zuschüssen gerechnet werden könne. In Kenntnis dieser Situation erteilte der Angeklagte S gleichwohl am 8. Februar 1993 in seiner Eigenschaft als Verbandsvorsteher die Anweisung, daß die St & I GmbH & Co. KG sofort nach der unmittelbar bevorstehenden Erstellung der bauseitigen Baustellenzufahrt mit den Bauarbeiten beginnen und diese durchführen solle, so daß der erste Bauabschnitt möglichst schnell in Betrieb gehen könne. Die Kommanditgesellschaft begann mit den Bauarbeiten. Das Projekt scheiterte, nachdem auch anderweitige Bemühungen des Zweckverbandes um Fördergelder erfolglos geblieben waren. Am 15. Dezember 1994 fand eine Sitzung des Verbandsausschusses statt, in der "die vollständig desolate finanzielle Lage" des Zweckverbandes beraten wurde. Die Kläranlage hatte bis zu diesem Zeitpunkt bereits 18 Mio. DM gekostet, von denen erst 5,6 Mio. DM bezahlt worden waren. Für Restarbeiten waren etwa weitere 2 Mio. DM erforderlich. Die offenen Rechnungen konnten nicht bezahlt werden. Auf der genannten Ausschußsitzung "endete die Tätigkeit des Angeklagten S als Verbandsvorsteher des Zweckverbandes". Zum neuen Verbandsvorsteher wurde der Zeuge P gewählt.

Am 17. Dezember 1994, "zwei Tage nach der Beendigung der Tätigkeit des Angeklagten S als Vorsteher des Zweckverbandes", trafen sich die Angeklagten I und S bei einem Autohändler in Porta Westfalica. Der Angeklagte S suchte sich einen Pkw VW-Golf aus.

Der Angeklagte I unterzeichnete als Käufer einen Kaufvertrag über das Fahrzeug. Dieses wurde am 22. Dezember 1994 an die St & I GmbH & Co. KG ausgeliefert und am 27. Dezember 1994 auf den Namen der Ehefrau des Angeklagten S zugelassen. Die auf die genannte Kommanditgesellschaft ausgestellte Rechnung über 24.253,26 DM wurde durch die Kommanditgesellschaft per Scheck am 10. Januar 1995 beglichen.

Am gleichen Tag übergab entweder der Angeklagte I oder in dessen Auftrag seine Tochter auf dem Betriebsgelände der Kommanditgesellschaft in Porta Westfalica den Pkw dem Angeklagten S. "Bei der unentgeltlichen Übereignung des Fahrzeuges am 22. Dezember 1994 wollten der Angeklagte I als Vorteilsgeber und als Vorteilsnehmer der Angeklagte S, daß dieser den Vorteil des unentgeltlichen Erwerbs des VW-Golf als Gegenleistung für den der Firma St & I am 8. Februar 1993 erteilten Auftrag, unverzüglich mit dem Bau der Kläranlage zu beginnen, erhalten sollte." Das Landgericht hat hierin eine von dem Angeklagten S begangene Bestechlichkeit gemäß § 332 Abs. 1 StGB a.F. in der Form der Vorteilsannahme und eine von dem Angeklagten I begangene Bestechung gemäß § 334 Abs. 1 StGB a.F. in der Begehungsweise der Vorteilsgewährung gefunden. Dies hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.

Allerdings geht das Landgericht zutreffend davon aus, daß der Angeklagte S als Vorsteher des Zweckverbandes Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB war; denn er stand gemäß lit. b dieser Vorschrift in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis. Dies folgt aus der Gesamtregelung in §§ 5, 14 und 16 Abs. 2 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg (GKG, Art. II des Artikelgesetzes über kommunalrechtliche Vorschriften im Land Brandenburg vom 19. Dezember 1991). Weiterhin hat das Landgericht in der Anweisung des Angeklagten S an die St & I GmbH & Co. KG vom 8. Februar 1993, mit dem Bau der Kläranlage zu beginnen, eine Diensthandlung und eine darin liegende Dienstpflichtverletzung gefunden. Denn diese Anweisung verstieß gegen die haushaltsrechtlichen Vorschriften des im Land Brandenburg geltenden Kommunalrechts. Auch den Charakter eines Gegenleistungsverhältnisses zwischen der Dienstpflichtverletzung und der Schenkung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei konstatiert.

Indes hat das Landgericht übersehen, daß der Angeklagte S im Zeitpunkt der festgestellten Tathandlungen nicht (mehr) Amtsträger war. Die Bestechungsdelikte im weiteren Sinn (§§ 331 bis 335 StGB) setzen voraus, daß der Bestochene zur Zeit der Tat Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 (Nr. 3 und 4) StGB ist. Dies hat der Bundesgerichtshof für die Vorteilsannahme nach § 331 StGB ausgesprochen (BGHSt 11, 345, 347 unter Bezugnahme auf RGSt 35, 75 und 41, 4). Es ist zudem im Schrifttum allgemein anerkannt (Jescheck in LK 11. Aufl. vor § 331 Rdn. 5; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. vor § 331 Rdn. 2; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. vor § 331 Rdn. 2). Der Gesichtspunkt nachwirkender Pflichten, der etwa bei denjenigen Amtsdelikten trägt, die während der Amtsträgerschaft erlangte Kenntnisse betreffen (§§ 353b, 355 StGB), greift bei den Bestechungsdelikten im weiteren Sinne nicht.

Die vom Landgericht festgestellten Tathandlungen beginnen erst mit dem gemeinsamen Besuch der beiden Angeklagten am 17. Dezember 1994 bei einem Autohändler in Porta Westfalica, wo der Angeklagte S sich einen Pkw aussuchte. Zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte S nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht mehr Vorsteher des Zweckverbandes; denn zwei Tage zuvor "endete die Tätigkeit des Angeklagten S als Verbandsvorsteher des Zweckverbandes" in der Sitzung des Verbandsausschusses vom 15. Dezember 1994 (UA S. 46).

Danach muß das angefochtene Urteil aufgehoben werden. Die Sache ist an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen. Die von der Verteidigung des Angeklagten I gesehene Möglichkeit eines Freispruchs ist ausgeschlossen. Es liegt fern, daß die ab dem 17. Dezember 1994 vollzogene Schenkung eines Pkw erst binnen der zwei Tage nach der Sitzung des Verbandsausschusses vom 15. Dezember 1994 verabredet wurde. Nahe liegt vielmehr eine frühere entsprechende Verabredung zwischen den beiden Angeklagten, die andere Tatbestandsalternativen des § 332 Abs. 1 Satz 1 StGB und des § 334 Abs. 1 StGB a.F. als die Vorteilsannahme und die Vorteilsgewährung (nämlich Fordern oder Sich-versprechenlassen einerseits und Anbieten oder Versprechen eines Vorteils andererseits) erfüllen würde. Hierauf wird der neue Tatrichter sein Augenmerk zu richten haben (vgl. Anklageschrift S. 17). Auf die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO wird vorsorglich hingewiesen.

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 322

Externe Fundstellen: NStZ 2004, 564; StV 2004, 489

Bearbeiter: Karsten Gaede