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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 363/02, Urteil v. 25.02.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 363/02 - Urteil vom 25. Februar 2003 (LG Hamburg)

Vorteilsannahme (Drittmittel; nebenamtliche Tätigkeiten; hochschulrechtliches Verfahren; Transparenzgebot; Vorteil in Form der Übertragung von Nebentätigkeiten; Anzeichen einer Beeinflussung); Amtsträger.

§ 331 StGB; § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ein Vorteil im Sinne des § 331 StGB kann auch in der Übertragung von Nebentätigkeiten liegen, die der Angeklagte nicht zu beanspruchen hatte und die daher prinzipiell als Gegenleistung für Entscheidungen im Bereich der Herzschrittmacherauswahl in Betracht kommt (vgl. BGHSt 31, 264, 279 f.).

2. Zu einem sich von den vom BGH jüngst grundsätzlich entschiedenen Fällen durch fehlende Anzeichnen einer Entscheidungsbeeinflussung unterscheidenden Fall der Drittmitteleinwerbung an Hochschulen.

3. Mit der - durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz verschärften - Strafvorschrift des § 331 StGB soll auch dem Hervorrufen eines bösen Anscheins möglicher "Käuflichkeit" von Amtsträgern begegnet werden. Die Sensibilität der Rechtsgemeinschaft bei der Erwägung der Strafwürdigkeit der Entgegennahme von Vorteilen durch Amtsträger ist, auch in Fällen der vorliegenden Art, mittlerweile deutlich geschärft. Mithin wird in derartigen Fällen künftig Amtsträgern vor der Annahme jeglicher Vorteile, die in Zusammenhang mit ihrer Dienstausübung gebracht werden können, die strikte Absicherung von Transparenz im Wege von Anzeigen und Einholungen von Genehmigungen auf hochschulrechtlicher Grundlage abzuverlangen sein. Die Gewährleistung eines derartigen Verhaltens obliegt namentlich auch der besonderen Verantwortung der jeweiligen Vorgesetzten.

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30. Januar 2002 wird verworfen.

Die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Anklagevorwurf der Vorteilsannahme in 29 Fällen aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen freigesprochen (wegen des Falles 14 ist das Verfahren während des Verlaufs der Hauptverhandlung wegen Verjährung eingestellt worden). Die auf den Freispruch in 28 Fällen beschränkte (der Freispruch im Fall 3 wird nicht angefochten), mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, hat keinen Erfolg.

I.

Der Angeklagte ist als Professor an der Universität H und als Oberarzt in der Abteilung Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie des Universitätskrankenhauses E Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB (vgl. HansOLG Hamburg StV 2001, 277, 278). Ihm wurde vorgeworfen, in den Jahren 1992 bis 1996 in den 28 Fällen, die noch Gegenstand des Revisionsverfahrens sind, Zuwendungen im Gesamtwert von über 140.000 DM von der M GmbH, einem Unternehmen, das medizintechnisches Gerät, u.a. Herzschrittmacher, herstellte und vertrieb, angenommen zu haben; mit den Zuwendungen habe die M GmbH die Erwartung verbunden, der Angeklagte, der in seiner Abteilung maßgeblich für die Auswahl der den einzelnen Patienten zu implantierenden Herzschrittmacher verantwortlich war, werde dabei die Produkte des Unternehmens bevorzugen.

Bei den vom Angeklagten eingeräumten, demgemäß - von der Staatsanwaltschaft nicht beanstandet - festgestellten Zuwendungen (s. UA S. 17 bis 25) handelte es sich - um Zahlungen für von ihm veranlaßte medizinische Forschungsarbeiten, die teils über das im Universitätskrankenhaus für den Angeklagten eingerichtete Drittmittelkonto flossen (Fälle 1, 2, 4, 7, 20), - um Honorarzahlungen und Nebenkostenerstattungen für Fachvorträge des Angeklagten und deren Vorbereitung, beruhend auf einem Vertrag zwischen der M GmbH und einer von der Ehefrau des Angeklagten zur wirtschaftlichen Verwertung seiner nebenamtlichen wissenschaftlichen Tätigkeit betriebenen Firma (Fälle 5, 15, 17 bis 19, 21, 26 bis 30), - um die Bezahlung der Organisation von Fortbildungsveranstaltungen oder der Teilnahme des - weitgehend als Referent eingesetzten - Angeklagten hieran (Fälle 6, 16, 22 bis 25), - schließlich um die Bezahlung von Lokalrechnungen anläßlich abendlicher Besprechungen zwischen dem Angeklagten, seiner Ehefrau und der Geschäftsleitung der M GmbH über Forschungsunternehmen oder Fortbildungsveranstaltungen (Fälle 8 bis 13).

Das Landgericht stützt den Freispruch maßgeblich auf den mangelnden Nachweis der für eine Verurteilung wegen Vorteilsannahme erforderlichen Unrechtsvereinbarung im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB a.F. (vor der Änderung durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997).

Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte seine - teils in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Operationsteam getroffenen - Entscheidungen über die Bestellungen der den einzelnen Patienten zu implantierenden Herzschrittmacher im Gesamttatzeitraum jemals anders als ausschließlich nach therapeutischen Gesichtspunkten ausgerichtet und bei der Geräteauswahl die M GmbH jemals unsachgemäß bevorzugt habe; das Unternehmen habe dergleichen mit seinen Zuwendungen auch nicht erwartet.

II.

Der Freispruch ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

1. Zutreffend hat das Landgericht zunächst als Diensthandlungen, für die der Angeklagte als Amtsträger Vorteile angenommen haben könnte, lediglich dessen Entscheidungen im Rahmen der Herzschrittmacherauswahl (vgl. HansOLG Hamburg StV 2001, 277, 278) in Betracht gezogen und seine Mitwirkung an Fortbildungsveranstaltungen, einschließlich Forschungsarbeiten zu deren Vorbereitung, hiervon ausgenommen. Hierbei handelte es sich ersichtlich nicht um amtliche, sondern um nebenamtliche Tätigkeiten (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 331 Rdn. 25a).

Soweit das Landgericht indes im Blick auf eine angemessene Honorierung dieser Nebentätigkeiten einen Vorteil im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB ausschließen wollte, läßt diese Folgerung außer acht, daß ein solcher Vorteil gerade in der Übertragung jener Nebentätigkeiten liegen kann, die der Angeklagte nicht zu beanspruchen hatte und die daher prinzipiell als Gegenleistung für Entscheidungen im Bereich der Herzschrittmacherauswahl in Betracht kommt (vgl. BGHSt 31, 264, 279 f.; HansOLG Hamburg StV 2001, 277, 279; Tröndle/Fischer aaO; Jescheck in LK 11. Aufl. § 331 Rdn. 8). Da diese Erwägung für die Freisprechung jedoch in keiner Beziehung allein tragend war, ist ein Rechtsfehler insoweit jedenfalls ohne Auswirkung geblieben.

Es bedarf daher auch in weiteren Fällen keiner Prüfung der Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit für einen Vorteil im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB auch die Finanzierung von Forschungsprojekten der Universität über ein Drittmittelkonto des Angeklagten ausreichen könnte (vgl. dazu BGHSt 47, 295, 304 ff.).

2. Das Landgericht hat seine Beweiswürdigung und die darauf beruhende rechtliche Würdigung, die vom Angeklagten angenommenen Vorteile seien nicht nachweislich Gegenleistungen für die Vornahme von Diensthandlungen (§ 331 Abs. 1 StGB a.F.) gewesen, rechtsfehlerfrei begründet.

Fälle der vorliegenden Art, die im wesentlichen die Einwerbung von Drittmitteln für Forschung und Lehre im Bereich des Gesundheitswesens zum Gegenstand haben, stehen bei der strafrechtlichen Würdigung als Korruptionsdelikte weitgehend in einem Spannungsfeld: einerseits können Amtsträger hier sie beeinflussende Vorteile von Unternehmen erfahren, die an ihrer Amtsausübung wirtschaftlich interessiert sind; andererseits können sie im Rahmen ihrer Amtsausübung zur Einwerbung derartiger Vorteile gehalten sein (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 331 Rdn. 26 bis 27a m. w. N.). Von den vom Bundesgerichtshof aus diesem Bereich jüngst grundsätzlich entschiedenen Fällen (Urteile des 1. Strafsenats vom 23. Mai 2002 - 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, und vom 23. Oktober 2002 - 1 StR 541/01, wistra 2003, 59, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt), in denen es zu Schuldsprüchen gegen leitende Ärzte an Universitätskliniken, namentlich wegen Vorteilsannahme, gekommen ist, unterscheidet sich der vorliegende Fall unter anderem maßgeblich dadurch, daß hier in keinem der Einzelfälle eine Abhängigkeit der Höhe der Vorteilsgewährung von dem durch Diensthandlungen des Empfängers beeinflußten Absatzumfang zugunsten des Zuwendenden festzustellen war (vgl. zu diesem Indiz HansOLG Hamburg StV 2001, 277, 280).

Das Landgericht hat keine Anhaltspunkte dafür gefunden, daß der Angeklagte sich jemals bei einer Entscheidung über die Auswahl eines einzusetzenden Herzschrittmachers an anderen Kriterien als an den im individuellen Einzelfall allein für maßgeblich erachteten Patientenbedürfnissen orientiert hätte. Dieses Beweisergebnis zu den - im übrigen nicht etwa stets vom Angeklagten allein getroffenen - Entscheidungsprozessen bei den in Frage stehenden Diensthandlungen hat das Landgericht nach Beweiserhebungen durch Zeugenvernehmung ärztlicher Kollegen und Vorgesetzter des Angeklagten gewonnen. Die statistischen Erhebungen über die Verteilung des Schrittmacher-Umsatzes in der Abteilung des Angeklagten auf die einzelnen Lieferfirmen machten plausibel, daß Anhaltspunkte für eine Bevorzugung der M GmbH nicht auszumachen waren. Das Beweisergebnis wurde ferner durch Zeugenaussagen von Angehörigen dieses betroffenen Unternehmens gestützt, welche die "Produktneutralität" des Angeklagten bei seinen Vorträgen und vorbereitenden Forschungsprojekten bestätigten, ja sogar seine gelegentlich unverhohlene Kritik an Mängeln der Produkte gerade des die Fortbildungsveranstaltungen finanzierenden Unternehmens hervorhoben.

Aufgrunddessen mußte auch eine Erwartung des seine Fortbildungs- und Forschungsbemühungen fördernden Unternehmens hinsichtlich seiner Dienstausübung, die für den Angeklagten offensichtlich gewesen wäre, weder vorausgesetzt noch auch nur näher in Betracht gezogen und erörtert werden.

Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts belegen folgendes: Dem Angeklagten wurde im Bereich des Einsatzes von Herzschrittmachern eine überregional herausragende fachliche Stellung zugebilligt.

Dies prädestinierte ihn - da er zudem über besondere rhetorische Fähigkeiten verfügte - zur Fortbildung qualifizierter Kollegen auf diesem Gebiet, unter Einschluß mit der Materie befaßter medizintechnischer Unternehmen.

Ferner war das hier betroffene Unternehmen in diesem Bereich in erheblichem Maße an Innovation orientiert und hatte schon daher starkes Interesse an der Durchführung qualitativ hochstehender Fortbildung. Die Geschäftspolitik des Unternehmens erwies sich zudem jedenfalls im Umfeld des mit der Anklage erfaßten Geschehens nicht als auffallend absatzorientiert. Dies macht einen auch mit verhältnismäßig hohem wirtschaftlichem Aufwand verbundenen Einsatz des Unternehmens für die Förderung der Forschungs- und Fortbildungsaktivitäten des Angeklagten hinreichend plausibel. Dieser war im übrigen auch vielfach für konkurrierende medizintechnische Unternehmen entsprechend tätig. Bei dieser Sachlage mußte die Forschungsförderung durch die M GmbH nicht notwendig mit dem Bestreben einhergehen, zugleich auch die Praxis des Angeklagten bei der Bestellung von Herzschrittmachern im Rahmen seines dienstlichen Einsatzes als Oberarzt zum wirtschaftlichen Vorteil des Unternehmens zu beeinflussen.

3. An den Lokalbesuchen, die dem Angeklagten angelastet werden, nahmen neben ihm seine Ehefrau, die zugleich seine nebenamtlichen Fortbildungsprojekte wirtschaftlich förderte, und leitende Angehörige des einladenden Unternehmens teil, die ihrerseits bei gleichem Anlaß auch immer wieder vom Angeklagten eingeladen wurden. Bei diesen Arbeitsessen wurde die Vorbereitung und Organisation von Forschungs- und Fortbildungsprojekten besprochen. Die Einladungen dienten mithin gleichfalls allein diesem Zweck. Daher scheidet auch insoweit die Annahme eines Vorteils als Gegenleistung für eine Diensthandlung aus. Es kommt daher nicht darauf an, ob eine Strafbarkeit insoweit etwa auch aus anderen Gründen, namentlich aus Gesichtspunkten der Sozialadäquanz (vgl. BGHSt 31, 264, 279; Tröndle/ Fischer aaO § 331 Rdn. 25), auszuschließen wäre.

Bei der gegebenen Sachlage kommt es auch nicht darauf an, inwieweit eine Strafbarkeit wegen Genehmigung der Vorteilsannahme gemäß § 331 Abs. 3 StGB ausgeschlossen wäre oder inwiefern - hier näherliegend - bereits ein Irrtum des Angeklagten über deren Erteilung seine Strafbarkeit berühren könnte. Immerhin ergeben sich hierzu aus dem angefochtenen Urteil sehr großzügige Auffassungen eines Chefarztes und des medizinischen Dekans über die mangelnde Notwendigkeit einer entsprechenden Genehmigung für die Entgegennahme der Finanzierung von Kongreßreisen durch Pharmazieunternehmen. Die Drittmittelkonten des Angeklagten waren der Universitätsverwaltung bekannt, sie bewilligte den Einsatz dort eingezahlter Mittel und erteilte Spendern Quittungen. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte erkennbar, daß der Angeklagte generell bestrebt gewesen wäre, seine Praxis, von mit medizintechnischer Herstellung befaßten Unternehmen fortbildungs- und forschungsfördernde Mittel anzunehmen, etwa - was die Beurteilung der Sachlage zu seinem Nachteil erheblich verschlechtert hätte (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2002 - 1 StR 541/02, wistra 2003, 59, 65, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt; HansOLG Hamburg StV 2001, 277, 280) - generell, insbesondere gegenüber den Verantwortlichen des Universitätskrankenhauses, zu verschleiern.

4. Ungeachtet der rechtsfehlerfreien Freisprechung des Angeklagten im vorliegenden, verhältnismäßig weit zurückliegenden Fall erscheint - auch im Anschluß an die Tendenz der zitierten beiden Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs aus dem Vorjahr - folgender Hinweis angezeigt: Mit der - durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz verschärften - Strafvorschrift des § 331 StGB soll auch dem Hervorrufen eines bösen Anscheins möglicher "Käuflichkeit" von Amtsträgern begegnet werden. Die Sensibilität der Rechtsgemeinschaft bei der Erwägung der Strafwürdigkeit der Entgegennahme von Vorteilen durch Amtsträger ist, auch in Fällen der vorliegenden Art, mittlerweile deutlich geschärft. Mithin wird in derartigen Fällen künftig Amtsträgern vor der Annahme jeglicher Vorteile, die in Zusammenhang mit ihrer Dienstausübung gebracht werden können, die strikte Absicherung von Transparenz im Wege von Anzeigen und Einholungen von Genehmigungen auf hochschulrechtlicher Grundlage abzuverlangen sein. Die Gewährleistung eines derartigen Verhaltens obliegt namentlich auch der besonderen Verantwortung der jeweiligen Vorgesetzten.

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2003, 171; StV 2003, 500

Bearbeiter: Karsten Gaede