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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 443/01, Beschluss v. 06.02.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 443/01 - Beschluss vom 6. Februar 2002 (LG Aachen)

Steuerhinterziehung; Verkürzung auf Zeit (monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen; gebotene Einstellung gemäß § 154 StPO); gesonderte Festsetzung der Geldstrafe (Begründung der Nichtanwendung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB)

§ 370 AO; § 18 Abs. 1 UStG; § 154 StPO; § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führen unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen lediglich zu einer Verkürzung der Steuer auf Zeit. Eine endgültige Verkürzung auf Dauer wird erst durch die Abgabe einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 18 Abs. 3 UStG) bewirkt. Gleiches gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige nach der Abgabe unrichtiger monatlicher Voranmeldungen keine Jahreserklärung mehr abgibt (BGH wistra 1997, 262, 263; 1996, 105). Dies macht es regelmäßig erforderlich, nach einer angenommenen Verkürzung der Umsatzsteuer auf Dauer auf die Jahreserklärung als Tathandlung abzustellen und sinnvollerweise die lediglich eine Verkürzung auf Zeit bewirkenden Umsatzsteuervoranmeldungen gemäß § 154 StPO auszuscheiden.

2. Die Nichtanwendung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB bedarf insbesondere dann einer ausdrücklichen Erörterung, wenn bei der gesonderten Festsetzung einer Geldstrafe die zeitige Freiheitsstrafe noch zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können (BGHR StGB § 53 Abs. 2 Einbeziehung, nachteilige 4, 6 m.w.N.).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 10. April 2001 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 54 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine Revision hat in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Schuldspruch begegnet im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken. Zwar wurden die Einzelverurteilungen auf 54 unzutreffende monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 18 Abs. 1 UStG) gestützt, ohne daß das Landgericht sich mit der Frage befaßt hat, ob für die einzelnen Steuerjahre 1993 bis 1997 entsprechende Jahreserklärungen abgegeben worden sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führen unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen lediglich zu einer Verkürzung der Steuer auf Zeit. Eine endgültige Verkürzung auf Dauer wird erst durch die Abgabe einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 18 Abs. 3 UStG) bewirkt. Gleiches gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige nach der Abgabe unrichtiger monatlicher Voranmeldungen keine Jahreserklärung mehr abgibt (BGH wistra 1997, 262, 263; 1996, 105). Dies macht es regelmäßig erforderlich, nach einer angenommenen Verkürzung der Umsatzsteuer auf Dauer auf die Jahreserklärung als Tathandlung abzustellen und sinnvollerweise die lediglich eine Verkürzung auf Zeit bewirkenden Umsatzsteuervoranmeldungen gemäß § 154 StPO auszuscheiden.

Die (zudem auch unpraktikable und fehleranfällige) Aburteilung der monatlichen Voranmeldungen nötigt indes nicht zu einer Aufhebung des Schuldspruchs. Der Senat vermag hier auszuschließen, daß das Landgericht von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe läßt sich nämlich entnehmen, daß der Angeklagte die Umsatzsteuerverkürzung nicht im Rahmen seiner Umsatzsteuerjahreserklärungen berichtigt hat und dies von vornherein auch nicht beabsichtigte. Damit ist die jeweilige Verkürzung auf Zeit in eine solche auf Dauer übergegangen (vgl. BGH wistra 1997, 262, 263).

2. Die Gesamtstrafenbildung hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat nicht erkennbar erwogen, ob im Hinblick auf die verhängten Einzelgeldstrafen (19 Geldstrafen zwischen 10 und 80 Tagessätzen) die gesonderte Verhängung einer Gesamtgeldstrafe nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB in Betracht kommt. Die Nichtanwendung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB bedarf insbesondere dann einer ausdrücklichen Erörterung, wenn bei der gesonderten Festsetzung einer Geldstrafe die zeitige Freiheitsstrafe noch zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können (BGHR StGB § 53 Abs. 2 Einbeziehung, nachteilige 4, 6 m.w.N.). Angesichts der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten liegt diese Möglichkeit aber nahe. Die Nichtanwendung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB wäre deshalb bei der vorliegenden Fallkonstellation eingehend zu begründen gewesen.

Darüber hinaus hätte die erhebliche Erhöhung der Einsatzstrafe (sieben Monate Freiheitsstrafe) angesichts des situativen und zeitlichen Zusammenhangs der Einzeltaten und wegen der besonderen weiteren Strafmilderungsgesichtspunkte (lange Verfahrensdauer, Geständnis, Alter und bisherige Unbestraftheit des Angeklagten) einer näheren Begründung bedurft (vgl. BGH, Beschl. vom 23. August 2001 - 5 StR 323/01; BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 4, 5). Auch hieran fehlt es.

Die Feststellungen bleiben aufrechterhalten, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Ergänzende Feststellungen können getroffen werden.

Bearbeiter: Karsten Gaede