Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 44/01, Beschluss v. 04.04.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revision des Angeklagten K wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 10. Juli 2000, soweit es diesen Angeklagten betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch wegen Anstiftung zum Mord,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Die weitergehende Revision des Angeklagten K wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Leipzig zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten A gegen das vorgenannte Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Nachdem der Senat die Verurteilungen der Angeklagten W K und A im ersten Verfahrensdurchgang teils wegen eines Verfahrensfehlers, teils wegen sachlichrechtlicher Mängel aufgehoben hatte, hat das Landgericht nunmehr den Angeklagten K wegen Anstiftung zum Mord und wegen Untreue in drei Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe, den Angeklagten A wegen Beihilfe zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Den Angeklagten W hat es - rechtskräftig - freigesprochen.
Die Revision des Angeklagten K hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen Anstiftung zum Mord und gegen die Gesamtstrafe richtet; im übrigen ist sie unbegründet.
Die Revision des Angeklagten A mit der dieser das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt, ist dagegen unbegründet. Insoweit wird im wesentlichen auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 8. Februar 2001 verwiesen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts beauftragte der Angeklagte K den Zeugen S, sich anläßlich einer Geschäftsreise S s nach Minsk nach Personen zu erkundigen, die bereit wären, den G gegen Entgelt zu töten. Anlaß für diesen Auftrag war nach der Überzeugung des Landgerichts die allgemeine Sorge des Angeklagten K, der ihm persönlich unbekannte Angestellte des Wohnungsamts Annaberg, G, der ihm von S und dessen Freund W als Intrigant mit großem Einfluß beschrieben worden war, könne eines Tages seinen geschäftlichen Plänen in Annaberg störend im Wege stehen. Über Vermittlung des Mitangeklagten A nahm S Kontakt zu unbekannten Russen auf, die bereit waren, den Tötungsauftrag gegen Zahlung von 37.000 DM auszuführen.
Nachdem die Deutsche Bank einen Firmenkredit, mit dessen Bewilligung S und K gerechnet hatten, verweigerte, suchte S die Ursache hierfür bei G. Nach der Überzeugung des Landgerichts schloß sich K dieser Auffassung an. Auf seine Anweisung ließ S, nunmehr über A seinen Kontaktpersonen in Rußland eine Anzahlung zukommen und setzte damit die Tötung G in Gang. Nach der auftragsgemäßen Ermordung G s gelang es S jedoch nicht, die ausstehende Restforderung von etwa 30.000 DM zu begleichen. Von K, den er unter Hinweis auf Drohungen der Russen mehrfach aufgefordert hatte, das Geld bereitzustellen, wurde er immer wieder - einmal auch in Gegenwart des Mitangeklagten W - vertröstet. Nachdem A, der selbst Repressalien der unbekannten Täter wegen der ausstehenden Forderung ausgesetzt gewesen war, in Annaberg erschien, um den Auftragslohn einzutreiben, geriet S in Panik, zumal er zwischenzeitlich ein Telefax aus Minsk mit verschlüsselten Todesdrohungen erhalten hatte. Er entschloß sich deshalb, ein Kreditinstitut zu überfallen, um auf diese Weise die erforderlichen 30.000 DM zu erhalten und die Russen zufriedenzustellen. Von diesem Plan berichtete er K, der daraufhin sein Wissen über die Beteiligung S s an der Tötung G s und über den geplanten Banküberfall in einem anonymen Anruf an den Bruder G s weitergab. Da dieser die Polizei informierte, wurde S bei dem Überfall gestellt und festgenommen. Noch während des Ermittlungsverfahrens legte er ein Geständnis ab.
Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält, soweit sie den Angeklagten K betrifft, rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Die Angeklagten K und A haben bestritten, in die Tötung G s in irgendeiner Form eingebunden gewesen zu sein. Das Landgericht sieht sie jedoch als durch die Aussage des Zeugen s überführt an. S hat das Gesamtgeschehen wie festgestellt geschildert und ist deshalb aufgrund seines Geständnisses rechtskräftig wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Das Schwurgericht hält seine Angaben vor allem deshalb für insgesamt glaubhaft, weil ein Motiv für eine Falschbelastung seiner ehemaligen Mitangeklagten nicht ersichtlich sei, weil sich seine Schilderung der Tatbeiträge K s und As "ohne jeglichen Bruch und logisch nachvollziehbar" in das gesamte Tatgeschehen einfügen ließen und weil seine Angaben in wesentlichen Teilen durch den früheren Mitangeklagten W bestätigt worden seien.
2. In Bezug auf den Angeklagten K trifft dies nicht zu.
a) Mit Recht mißt das Landgericht der Frage nach einem möglichen Motiv für eine Falschbelastung der Angeklagten durch ihren ehemaligen Mitangeklagten S für die Bewertung seiner Aussage maßgebliche Bedeutung bei (vgl. BGHR StPO § 261 - Mitangeklagte 1; Überzeugungsbildung 15). Indem es jedoch in diesem Zusammenhang nur prüft, ob sich S von einer Falschbelastung der Mitangeklagten Vorteile für seine eigene Verurteilung versprochen haben könnte und dies mit vertretbaren Erwägungen verneint, greift es zu kurz. Es übersieht, daß bezogen auf den Angeklagten K als naheliegendes Motiv für eine Falschbezichtigung, Enttäuschung und Rache in Betracht kommen. So hatte K, der nach den Urteilsfeststellungen stets in prahlerischer Weise den Eindruck zu vermitteln suchte, Geld spiele für ihn keine Rolle, seinem Freund und Geschäftspartner S die Zahlung von 30.000 DM verweigert, die diesen aus dessen Sicht vor der "Russenmafia" retten konnte. War schon dieses Verhalten unabhängig von einer etwaigen Anstifterrolle Ks für sich genommen geeignet, in S das Gefühl hervorzurufen, von K in einer existenziellen Notlage grundlos im Stich gelassen worden zu sein, so mußte er sich noch mehr durch den Vertrauensbruch verletzt fühlen, den K, dem S bis dahin "rückhaltlos vertraut" hatte, durch seinen Anruf beim Bruder G s beging. Aus Sicht von S lag es nahe, K für seine Verurteilung verantwortlich zu machen. Dies hätte das Landgericht bei der Wertung seines Geständnisses, das mangels lückenloser Einräumung eigener Straftaten keineswegs den Charakter einer "Lebensbeichte" hatte, bedenken müssen. Insoweit liegt ein Erörterungsmangel vor, der schon allein zur Aufhebung der Verurteilung K s wegen Anstiftung zu einem Tötungsdelikt hätte führe n müssen.
b) Darüber hinaus fügt sich das von S geschilderte Verhalten K s keineswegs in jeder Hinsicht nachvollziehbar in das Gesamtgeschehen ein:
Das Landgericht räumt selbst ein, keine Erklärung dafür zu haben, weshalb der Angeklagte K schon vor der Reise S s nach Minsk die theoretische Möglichkeit erwogen haben sollte, G, den er selbst gar nicht kannte und mit dem er noch nie auch nur indirekt in geschäftliche Berührung geraten war, töten zu lassen.
Auch liegt nicht eben nahe, daß sich K, der sich - wenn auch ohne spezielle Ausbildung - als Finanzdienstleister seit 1990 aufgrund von Lehrgängen und fortschreitender Berufserfahrung zumindest Grundwissen im Kreditwesen angeeignet haben dürfte, ohne weiteres der naiven Vorstellung S s angeschlossen hat, der Wohnungsamtsangestellte G habe auf die Kreditentscheidung einer Großbank Einfluß genommen, und daß K diese abwegige Vorstellung bewogen haben soll, G töten zu lassen.
Schwer nachvollziehbar und vom Landgericht nicht erörtert ist ferner, daß S seinen Freund W schon auf der Fahrt nach Minsk in die Überlegungen, G töten zu lassen, eingeweiht, diese Überlegungen aber stets als eigene ausgegeben hat. Der Name K fiel in diesem Zusammenhang nicht. Gerade wegen der ablehnenden Haltung W s, dem die Tötung seines "Intimfeindes" nach der Vorstellung S s besonders gelegen kommen mußte, hätte es sich angeboten, den von S als "unternehmerische Leitfigur" empfundenen K. als Urheber des Tötungsvorhabens zu benennen, zu mal dieser W aus geschäftlichen Kontakten ebenfalls gut bekannt war. Auch als S dem W nach der Tötung G s einen eigenen Tatbeitrag eingestand, ihm von der Schwierigkeit, den Auftragslohn zu beschaffen, berichtete und ihn bat, bei einem Gespräch mit K, in dem er diesen erneut um das noch ausstehende Geld bitten wollte, anwesend zu sein, erwähnte S nicht, daß K der eigentliche Auftraggeber gewesen sei.
Wenn es S, wie von ihm angegeben, darum gegangen wäre, K als Initiator der Tat vor einem Zeugen unter Druck zu setzen, ist ein solches Verhalten unverständlich.
Auch das Nachtatverhalten K s ist mit der Rolle eines Anstifters nur schwer in Einklang zu bringen. Da S mittellos war, mußte K damit rechnen, daß S ihn, K, gegenüber den Russen als eigentlichen Auftraggeber benannt hatte, die Russen sich nun mehr an ihn halten würden und er sich bei Nichtzahlung ebenfalls in Lebensgefahr befand. Das Landgericht geht dann auch nicht davon aus, daß K die ausstehenden 30.000 DM nicht zahlen wollte, sondern daß er sie nicht aufbringen konnte. Insoweit fehlt es jedoch an hinreichenden Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation des Angeklagten K im Herbst 1997. Allein der Umstand, daß K von ihm 1996 unterschlagene Treuhandgelder in Höhe von etwa 200.000 DM nicht zurückgezahlt und damit seine berufliche Existenz gefährdet hatte, reicht nicht aus, um zu belegen, daß er nicht in der Lage war, 30.000 DM aufzubringen, um eine ihm drohende Lebensgefahr abzuwenden. Zudem ist nicht nachvollziehbar, weshalb K in einer solchen Zwangslage die Möglichkeit, die "Russenmafia" mittels des von S bei einem Banküberfall erbeuteten Geldes zufriedenzustellen, durch die frühzeitige Aufdeckung der von S geplanten Tat von vornherein vereitelt haben sollte.
c) Angesichts eines naheliegenden Motivs für eine Falschbezichtigung zu Lasten des Angeklagten K und der Vielzahl von Ungereimtheiten, die sich im Fall einer Anstifterrolle K s im Verhalten von S und K ergeben, reichen allein die Konstanz der Aussage S s und die grobe Schlüssigkeit seiner Angaben nicht aus, um auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen vernünftige Zweifel an der Schuld des Angeklagten Ks auszuschließen. Dies gilt um so mehr, als Zeugen den ehemaligen informellen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR S ein fotografisches Gedächtnis und eine besondere Begabung zur Legendenbildung bescheinigt haben. Angesichts dieser Fähigkeiten, die ihn laut Zeugenaussagen in seiner Spitzeltätigkeit besonders erfolgreich haben sein lassen, dürfte es S nicht schwergefallen sein, die Rolle K s als "maßgeblichen Drahtzieher im Hintergrund" einigermaßen schlüssig in das Gesamtgeschehen einzubetten und die einmal erdachte Legende in mehreren Vernehmungen durchzuhalten.
d) Soweit sich die Angaben S s auf K bezogen, sind sie durch keine weiteren Beweismittel, auch nicht durch die Aussagen W s gestützt worden. Diesem gegenüber hat S - wie dargelegt - eine Tatbeteiligung Ks gerade nicht geschildert. Aus den beiden vom Landgericht herangezogenen Gesprächen, die von S bzw. A in Gegenwart von W mit K geführt wurden, ergibt sich lediglich, daß K um die Forderung der Russen in Zusammenhang mit der Ermordung G s und die sich daraus für S ergebende Gefahr bei Nichtzahlung des Auftragslohns wußte. Daß S oder A eigene Zahlungsverpflichtungen K s angemahnt hätten, hat W hingegen nicht bestätigt. Bei dieser Sachlage fehlt es für die Überzeugung des Landgerichts von einer Tatverstrickung Ks allein aufgrund der Aussagen des Zeugen S an einer tragfähigen Grundlage.
3. Dies gilt jedoch nicht für den Angeklagten A. Zwar beruht auch dessen Verurteilung im wesentlichen auf den Angaben Ss. jedoch ist bei S in Bezug auf diesen Angeklagten kein Motiv für eine Falschaussage ersichtlich. Zudem erfährt seine Aussage insoweit eine Bestätigung durch die Einlassung W s, der die erste von A in Minsk angebahnte Kontaktaufnahme mit den russischen Auftragsmördem in gleicher Weise geschildert hat wie S .Auch das von W berichtete Gespräch zwischen ihm und A in Minsk in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Ermordung G s belegt die Einbindung des Angeklagten A in den Auftragsmord. Da W sich mit jenen Angaben selbst der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung - zumindest in der Form der Nichtanzeige eines drohenden Verbrechens - aussetzte, hat das Landgericht seine Aussage rechtlich bedenkenfrei für glaubhaft erachtet.
Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative StPO Gebrauch gemacht.
Bearbeiter: Karsten Gaede