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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 188/01, Beschluss v. 10.07.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 188/01 - Beschluß v. 10. Juli 2001 (LG Oldenburg)

Rechtsfehlerhafte Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung (Aussetzung durch den Bundesgerichtshof); Verteidigung der Rechtsordnung; Steuerhinterziehung

§ 56 Abs. 1 StGB; § 370 AO; § 268a StPO

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 11. Januar 2001 gemäß § 349 Abs. 4 StPO insoweit aufgehoben, als dem Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist. Die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt (§ 56 Abs. 1 StGB).

Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschwerdeführer hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 13. Juni 2001 ausgeführt:

"Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung begegnet durchgreifenden Bedenken. Die Ausführungen des Urteils zur Frage der Strafaussetzung lassen besorgen, daß sich der Tatrichter nicht mit der maßgeblichen Frage des § 56 Abs. 1 StGB auseinandergesetzt hat, ob zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 StGB). Vielmehr wurde die Strafaussetzung deswegen abgelehnt, weil der Angeklagte nicht wenigstens einen Teil des Steuerschadens wieder gutgemacht und seine Vermögensverhältnisse nach Auffassung der Kammer auch in einer eidesstattlichen Versicherung nicht offengelegt hat.

Ob die Feststellungen zum Nachtatverhalten ausreichend sind, kann dahinstehen. Denn die knappe Begründung, die nur beispielhaft auf Umstände verweist, die für eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung sprechen (UA S. 28), läßt nicht erkennen, ob und wie die Strafkammer den Umstand gewürdigt hat, daß der Angeklagte nicht vorbestraft ist. Außerdem bleibt unberücksichtigt, daß ein Steuerschaden verursacht wurde, der üblicherweise nicht Gegenstand eines Verfahrens vor einer großen Strafkammer ist, und die Ermittlungen gegen den Angeklagten bereits im Jahr 1993 aufgenommen wurden. Der Erstrichter hat wegen der langen Verfahrensdauer die an sich angemessenen Einzelstrafen jeweils auf die Hälfte reduziert (vgl. UA S. 40 des Urteils vom 25. Januar 2000). Angesichts der gewichtigen, für eine positive Prognose sprechenden Gründe erfordert die Verneinung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen für den Angeklagten günstigen Umständen. Allein der beispielhafte Hinweis auf solche Umstände vermag schon angesichts der bisherigen Unbestraftheit des Angeklagten, der langen Verfahrensdauer und der Höhe des verursachten Schadens die Wertung der Strafkammer nicht zu begründen.

Im übrigen erfordert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Prüfung, ob eine Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 3 StGB zu versagen ist, auch eine umfassende Würdigung von Tat und Täter, die den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles gerecht wird (vgl. BGHR StGB § 56 Abs. 3 - Verteidigung 7, 8 m.w.N.). Dem hat sich das Landgericht ebenfalls nicht unterzogen, sondern - wie schon bei § 56 Abs. 1 StGB - im Ergebnis lediglich auf die Nichtwiedergutmachung des Schadens und auf ein nicht näher festgestelltes vorsätzliches Verschweigen von Vermögenswerten in der eidesstattlichen Versicherung vom 29. März 2000 abgestellt (vgl. UA S. 29).

Der Senat kann die nach diesen Grundsätzen allein noch in Betracht kommende Sachentscheidung selbst treffen und in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil dahin abändern, daß dem Angeklagten S Strafaussetzung zur Bewährung bewilligt wird. Zwar ist diese Entscheidung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Hier ergeben jedoch die einer Ergänzung nicht bedürftigen Feststellungen, daß im Hinblick auf das Gewicht der für den Angeklagten sprechenden Milderungsgründe die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB zweifelsfrei vorliegen (vgl. Senat StV 1996, 265, 266). Auch gebietet die Verteidigung der Rechtsordnung insbesondere im Hinblick auf die lange Verfahrensdauer die Vollstreckung der Strafen nicht."

Dem tritt der Senat bei. Er schließt letztlich aus, daß das Landgericht bei einer neuen Würdigung der Umstände unter Berücksichtigung der aufgezeigten Erwägungen nochmals zu einer Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung gelangen könnte. Die nach § 268a StPO noch erforderlichen Nebenentscheidungen hat allerdings das Landgericht selbst zu treffen.

Bearbeiter: Karsten Gaede