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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 553/00, Beschluss v. 14.12.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 553/00 - Beschluß v. 14. Dezember 2000 (LG Frankfurt Oder)

Fehlerhafte Verneinung alkoholbedingter erheblicher Verminderung der Schuldfähigkeit; BAK; Tatblutalkoholkonzentration; Resorptionsdefizit; Psychodiagnostische Beweisanzeichen; Enthemmung

§ 21 StGB; § 20 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Nach gefestigter Rechtsprechung ist bei der Ermittlung der Blutalkoholkonzentration aus Trinkmengen von einem Resorptionsdefizit von 10 % auszugehen (vgl. nur BGHSt 36, 286, 288).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten L wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. Juli 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Rechtsfolgenausspruch gegen diesen Angeklagten mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine für allgemeine Strafsachen zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten L wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten ist zum Schuldspruch offensichtlich unbegründet, führt jedoch mit der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs.

Die Verneinung alkoholbedingter erheblicher Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat dieser Beurteilung eine maximale Tatzeitblutalkoholkonzentration des Beschwerdeführers von deutlich unter 2 0/00 zugrunde gelegt. Diese hat sie aus Trinkmengenangaben mit Hilfe eines Sachverständigen ermittelt. In dessen Berechnung ist jedoch fehlerhaft ein Resorptionsdefizit von 30 % berücksichtigt worden (UA S. 29). Nach gefestigter Rechtsprechung ist demgegenüber bei Ermittlung der Blutalkoholkonzentration aus Trinkmengen von einem Resorptionsdefizit von 10 % auszugehen (vgl. nur BGHSt 36, 286, 288; BGHR StGB § 20 - Blutalkoholkonzentration 12; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 20 Rdn. 9g m.w.N.).

Die festgestellten psychodiagnostischen Kriterien (UA S. 30) sind zwar ersichtlich aussagekräftig genug, um einen Vollrausch auszuschließen, nicht indes eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit, sofern nach zutreffender Berechnung eine erheblich höhere Tatzeitblutalkoholkonzentration in Frage kommt. Vielmehr spricht das entgegen dem Revisionsvorbringen fehlerfrei (und nach Bestätigung des Schuldspruchs durch den Senat bindend) festgestellte Urinieren des Angeklagten L auf das am Boden liegende Opfer der ersten Tat eher für eine beträchtliche Enthemmung.

Da die Feststellung der Schuldfähigkeit bei jedem Angeklagten individuell zu bestimmen ist, kommt eine Erstreckung der Aufhebung nach § 357 StPO auf die - zudem wesentlich milder nach Jugendstrafrecht sanktionierten und auf der Grundlage abgekürzter Gründe beurteilten - Mitangeklagten nicht in Betracht. Der neue Tatrichter - statt einer Jugendkammer nunmehr eine allgemeine Strafkammer - wird zu beachten haben, daß der konkrete Unrechtsschwerpunkt hier kaum in dem versuchten bzw. versuchsnahen Verbrechen, sondern in den tateinheitlichen - allerdings sehr gewichtigen Gewaltvergehen zu finden sein wird. Gegebenenfalls wird § 64 StGB zu prüfen sein.

Bearbeiter: Karsten Gaede