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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 68/99, Beschluss v. 16.03.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 68/99 - Beschluß v. 16. März 1999 (LG Saarbrücken)

Absicht rechtswidriger Bereicherung; Bereicherungsabsicht; Versuch; Rechtswidrigkeit; In dubio pro reo; Zweifelsgrundsatz;

§ 253 StGB; § 22 StGB; § 240 StGB;

Leitsatz des Bearbeiters

Zu den Anforderungen an die Absicht rechtswidriger Bereicherung beim Versuch der Räuberischen Erpressung (Insb. in Hinsicht auf die Rechtswidrigkeit bei ausstehenden Darlehensrückzahlungsansprüchen).

Entscheidungstenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 30. Oktober 1998

1. im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der versuchten Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,

2. im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung hält - wie die Revision zu Recht rügt - rechtlicher Prüfung nicht stand, weil die Urteilsgründe nicht belegen, daß der Angeklagte mit der nach § 253 StGB erforderlichen Absicht, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, gehandelt hat.

a) Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte dem späteren Tatopfer Roland F. wiederholt Geldbeträge als Darlehen gewährt, deren Gesamthöhe letztlich nicht geklärt werden konnte (UA 3). Der Angeklagte selbst bezifferte gegenüber F. in der Folge bei verschiedenen Rückzahlungsverlangen das Gesamtdarlehen mit 40.000 DM. Unmittelbar vor der Tat forderte er F. nochmals zur Rückzahlung der 40.000 DM auf; dieser erklärte hierauf nur, "dass er momentan nicht in der Lage sei, die Schulden in einem Betrag zu begleichen" (UA 4), und bot dem Angeklagten Ratenzahlungen an. Während der sich anschließenden körperlichen Mißhandlungen des F. verlangte der Angeklagte weiterhin "immer wieder" Zahlung von 40.000 DM.

b) Aufgrund dieser Feststellungen, insbesondere im Hinblick auf das Verhalten des Angeklagten vor und bei Begehung der Tat, muß zu seinen Gunsten davon ausgegangen werden, daß er der Ansicht war, ihm stehe der geforderte Betrag als Darlehensrückzahlunganspruch zu; der Angeklagte wollte sich somit nicht "zu Unrecht" bereichern. Eine Bestrafung wegen (räuberischer) Erpressung scheidet daher aus (BGHSt 4, 105; BGH StV 1984, 422 und NJW 1986, 1623 jeweils m.w.Nachw.; BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 2 und 6). Darauf, ob dem Angeklagten objektiv eine Forderung in der beanspruchten Höhe tatsächlich (noch) zustand oder aber - wovon das Landgericht ausgeht - diese sich durch Tilgungsleistungen um 5.000 DM vermindert hatte, kommt es nicht -an. Für die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe von F. bewußt 5000.- DM mehr verlangt, als ihm tatsächlich zustanden, fehlt es an der erforderlichen tatsächlichen Grundlage, zumal das Landgericht weder die genaue Höhe des Darlehens noch dessen Bedingungen (etwa: Verzinsung) klären konnte. Das Verhalten des Angeklagten erfüllt daher insoweit (nur) den Tatbestand der versuchten Nötigung.

2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen den geänderten Schuldspruch nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung zwingt hier zur Aufhebung des Strafausspruches, da der Senat trotz der schweren Verletzungen des Tatopfers nicht sicher ausschließen kann, daß das Landgericht bei Zugrundelegung des geänderten Schuldspruches auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.

Bearbeiter: Karsten Gaede