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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 229/99, Beschluss v. 17.06.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 229/99 - Beschluß v. 17. Juni 1999 (LG Münster)

Reinheitsgehalt; Kokain; Zuständigkeit; Nicht geringe Menge; Pflichtverteidigung;

§ 141 StPO; § 261 StPO; § 350 StPO; § 29 BtMG;

Leitsätze des Bearbeiters

1. Zur Feststellung der nicht geringen Menge von Kokain an Hand seines Reinheitsgehaltes.

2. Für den Antrag der Angeklagten, einen anderen Rechtsanwalt für die Revision als Pflichtverteidiger beizuordnen, ist der Vorsitzende des Gerichts zuständig, dessen Urteil angefochten worden ist.

Entscheidungstenor

Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 1. Februar 1999 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Das Urteil hat im Ergebnis auch insoweit Bestand, als das Landgericht den Reinheitsgehalt des Kokains in allen Fällen zu Gunsten der Angeklagten auf " 'nur' 50 %" geschätzt hat (UA 22). Allerdings könnte es rechtlichen Bedenken begegnen, dies - wie es das Landgericht getan hat - auch auf die Erwägung zu stützen, die Angeklagte habe eingeräumt, "daß sie bei dem jeweiligen Konsum des Kokains Wirkung verspürt habe, was bei Kokain mit einem Reinheitsgehalt von unter 50 % nicht zu erwarten ist". Denn die toxische Wirkung des Rauschgifts bestimmt sich nach der Menge des für den einzelnen Rausch benötigten Wirkstoffs, nicht aber nach der Menge des Gemischs unter Einbeziehung seiner "unwirksamen" Anteile. Hiervon ist auch der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zur Bestimmung der "nicht geringen Menge" von Kokainhydrochlorid ausgegangen (BGHSt 33, 133, 138, 141). Doch gefährdet dies den Bestand des angefochtenen Urteils nicht, weil das Landgericht für seine Schätzung (vgl. dazu BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 30, 32) weitere Umstände herangezogen hat, die seine Überzeugung auf eine tragfähige Grundlage stellen, zumal da die Angeklagte ebenso wie der rechtskräftig verurteilte Mitangeklagte - die betreffenden Taten "glaubhaft gestanden" hat (UA 21).

Für den Antrag der Angeklagten vom 19. Mai 1999, ihr anstelle von Rechtsanwalt K. für die Revision Rechtsanwalt P. als Pflichtverteidiger beizuordnen, ist - anders als für die Wahrnehmung der Revisionshauptverhandlung (vgl. Kuckein in KK-StPO 4. Aufl. § 350 Rdn. 11 m. N) - der Vorsitzende des Gerichts, dessen Urteil angefochten worden ist, zuständig (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 141 Rdn. 6 m.N.). Eines Zuwartens mit der Entscheidung des Senats über die Revision bedurfte es nicht. Die Bestellung des erstinstanzlichen Verteidigers Rechtsanwalt K. wirkt im Revisionsverfahren fort (Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 140 Rdn. 7). Auf die rechtzeitig eingelegte und zulässig mit der allgemeinen Sachbeschwerde begründete Revision hat der Senat das Urteil umfassend geprüft. Für ein Nachschieben von etwaigen Verfahrensbeschwerden durch einen neuen Verteidiger wäre wegen Ablaufs der Begründungsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO kein Raum.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Bearbeiter: Karsten Gaede