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Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 15/99, Beschluss v. 23.02.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 15/99 - Beschluss vom 23. Februar 1999 (LG Essen)

Verwerfung der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit als unzulässig (völlig ungeeignete Begründung; qualifizierte Begründung)

§ 349 StPO; § 26 a StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die Mitwirkung eines Richters an einer früheren Entscheidung, die nicht nach Maßgabe der StPO zum Ausschluß kraft Gesetzes führt, vermag als solche die Besorgnis der Befangenheit des Richters nicht zu begründen.

2. Auch Rechtsfehler bei einer Vorentscheidung können für sich genommen eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigen. Notwendig sind für eine qualifizierte Geltendmachung der Besorgnis vielmehr konkrete Anhaltspunkte, die auf eine Voreingenommenheit des Richters im späteren Verfahren hindeuten könnten.

3. Eine völlig ungeeignete Begründung einer Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist rechtlich wie ihr Fehlen zu behandeln. Dies führt nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 zur Unzulässigkeit der Ablehnung.

Entscheidungstenor

1. Die Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Dr. Meyer-Goßner sowie der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kuckein und Athing, der Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic und des Richters am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann ist unzulässig.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 21. August 1998 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 13. Januar 1997 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen (Einzelstrafen: fünf, drei und sieben Jahre Freiheitsstrafe) und wegen Beihilfe zu unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Einzelstrafe: sieben Jahre Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat mit Urteil vom 12. März 1998 das landgerichtliche Urteil unter Verwerfung des weiter gehenden Rechtsmittels bezüglich zwei der abgeurteilten Fälle und im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben, ihn in einem Fall (Vorwurf der Beihilfe) freigesprochen und im übrigen die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die neu erkennende Strafkammer hat das Verfahren bezüglich der von der Aufhebung und Zurückverweisung betroffenen Tat gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und den Angeklagten mit Urteil vom 21. August 1998 auf der Grundlage der noch verbleibenden zwei (rechtskräftigen) Einzelfreiheitsstrafen von sieben und fünf Jahren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.

1. Der Angeklagte lehnt die in Ziffer 1 der Beschlußformel bezeichneten Richter, die an der Senatsentscheidung vom 12. März 1998 mitgewirkt haben und nunmehr erneut im Revisionsverfahren zur Entscheidung über sein Rechtsmittel berufen sind, wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Unter Bezugnahme auf eine gegen das Senatsurteil vom 12. März 1998 eingelegte Verfassungsbeschwerde macht er insbesondere geltend, die damals erfolgte Aufrechterhaltung von Einzelstrafen sei "sachwillkürlich" und "ungerecht" gewesen, der Senat habe nicht gleichzeitig teilweise freisprechen, aufheben und verwerfen dürfen, auch wenn dies nach herrschender Meinung zulässig sei, die Beurteilung der Kausalität eines festgestellten Verfahrensverstoßes durch den Senat sei "offensichtlich und handgreiflich unrichtig", der Senat sei schließlich verpflichtet gewesen, das damalige erstinstanzliche Urteil insgesamt aufzuheben.

2. Das Ablehnungsgesuch ist mit einer völlig ungeeigneten Begründung versehen und damit unzulässig im Sinne des § 26 a Abs. 1 Nr. 2 StPO.

a) Die Mitwirkung eines Richters an einer früheren Entscheidung führt im Strafverfahren nur nach Maßgabe der §§ 22 Nr. 4, 23, 148 a Abs. 2 Satz 1 StPO zu seinem Ausschluß kraft Gesetzes. Bei diesen Bestimmungen, deren Voraussetzungen hier ersichtlich nicht vorliegen, handelt es sich um eng auszulegende Ausnahmevorschriften (vgl. BVerfGE 30, 149, 155; 46, 34, 38; Pfeiffer in KK/StPO 3. Aufl. § 23 Rdn. 1 mit weiteren Nachweisen). Darüber hinaus stellt die richterliche Vortätigkeit weder einen Ausschlußgrund dar noch vermag sie als solche die Befangenheit des Richters zu begründen.

b) Auch (vermeintliche) Rechtsfehler bei einer Vorentscheidung können für sich genommen eine Ablehnung nicht rechtfertigen (vgl. statt vieler Pfeiffer a.a.O. § 24 Rdn. 6 mit zahlreichen Nachweisen). So verhält es sich auch hier: Der Beschwerdeführer stützt sein Ablehnungsgesuch im wesentlichen lediglich auf eine eigene - von der des Senats abweichende - Beurteilung der Kausalität der in der Revisionsentscheidung vom 12. März 1998 festgestellten Rechtsverstöße. Ungeachtet der revisionsrechtlichen Unhaltbarkeit seiner Ausführungen leitet er somit sein Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit der damals mitwirkenden Richter ausschließlich aus der seiner Auffassung nach unrichtigen Vorentscheidung ab. Darüber hinaus vermag er irgendwelche konkrete Anhaltspunkte, die auf eine Voreingenommenheit dieser Richter im vorliegenden Verfahren - das zudem nur noch die Bildung einer Gesamtstrafe aus zwei rechtskräftigen Einzelstrafen zum Gegenstand hat - hindeuten könnten, nicht aufzuzeigen. Die Begründung, auf die der Beschwerdeführer die Ablehnung zu stützen versucht, ist daher aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung seines Ablehnungsgesuches völlig ungeeignet. Eine solche völlig ungeeignete Begründung ist rechtlich wie ihr Fehlen zu behandeln (BGHR StPO § 26 a Unzulässigkeit 2 und 7; BVerwG Beschluß vom 9. März 1992 - 2 WDB 11/92 -; OLG Düsseldorf VRS 85, 339; 87, 344; Wendisch in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 26 a Rdn. 13; Pfeiffer a.a.O. § 26 a Rdn. 3).

III.

In der Sache erweist sich die Revision des Angeklagten als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, wie dies der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 14. Januar 1999 zutreffend ausgeführt hat.

Zu der vom Beschwerdeführer weiter beantragten Aussetzung des Revisionsverfahrens bis zur Entscheidung über die gegen das Urteil des Senats vom 12. März 1998 eingelegte Verfassungsbeschwerde sieht der Senat keine Veranlassung.

Externe Fundstellen: NStZ 1999, 311

Bearbeiter: Ulf Buermeyer