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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 117/99, Beschluss v. 13.04.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 117/99 - Beschluß v. 13. April 1999 (LG Stendal)

Letztes Wort; Sitzungsprotokoll;

§ 258 Abs. 2 2. Halbsatz, Abs. 3 StPO; § 274 StPO;

Leitsatz des Bearbeiters

Einzelfall der Verletzung des zu gewährenden letzten Wortes.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 4. Dezember 1998 aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten auf der Grundlage des bereits rechtskräftigen Schuldspruchs wegen "sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in sieben Fällen, hiervon in sechs Fällen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen, und darüber hinaus in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung, wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen, hiervon in einem Fall in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten und wegen versuchten sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit versuchter sexueller Nötigung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, in der er eine Verfahrens- und die Sachrüge erhebt.

1. Das Rechtsmittel hat mit der Rüge der Verletzung des § 258 Abs. 2 2. Halbsatz, Abs. 3 StPO Erfolg:

Die Revision beanstandet zu Recht, daß dem Angeklagten das letzte Wort nicht gewährt worden ist; ihr Vortrag wird durch das Sitzungsprotokoll bewiesen (§ 274 Satz 1 StPO) und zudem auch durch den Vermerk des Vorsitzenden vom 10. Dezember 1998 bestätigt.

Zwar stellt dieser Verfahrensverstoß keinen absoluten Revisionsgrund dar, jedoch kann die Möglichkeit, daß das Urteil auf ihm beruht, nur in besonderen Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (vgl. BGHSt 22, 278, 280; vgl. auch Engelhardt in KK-StPO 4. Aufl. § 258 Rdn. 37 m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht etwa deshalb vor, weil sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung lediglich ergänzend zu seinen persönlichen Verhältnissen geäußert hat und zu den - bereits rechtskräftig festgestellten -Taten nur über seinen Verteidiger vortragen ließ, daß er diese nunmehr einräume und bereue: Denn selbst wenn sich ein Angeklagter in der Hauptverhandlung gar nicht (vgl. BGHR StPO § 258 Abs. 3 letztes Wort 1; BGH, Beschluß vom 18. März 1997 - 5 StR 122/97) oder geständig (BGH, Urteil vom 26. Mai 1955 - 4 StR 136/55; Beschluß vom 16. April 1992 - 4 StR 109/92 = bei Kusch NStZ 1993, 29) geäußert hat, kann ein Beruhen - zumindest des Strafausspruchs - auf der Nichtgewährung des letzten Wortes nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Die Sache muß daher zum Strafausspruch neu verhandelt werden.

2. Die Abfassung des Urteils veranlaßt den Senat zu dem Hinweis, daß es bei einer zurückverwiesenen Sache möglich und ausreichend ist, in dem neuen Urteil auf frühere Feststellungen, die durch die Entscheidung des Revisionsgerichts aufgrund deren Aufrechterhaltung bindend geworden sind, Bezug zu nehmen (vgl. BGHSt 30, 225, 227; vgl. auch Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 354 Rdn. 46 m.w.N.); einer Wiederholung dieser Feststellungen bedarf es nicht.

Externe Fundstellen: NStZ 1999, 473; StV 2000, 296

Bearbeiter: Karsten Gaede