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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 432/95, Beschluss v. 10.08.1995, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 432/95 - Beschluss vom 10. August 1995 (LG Frankenthal)

BGHSt 41, 219; Tatbestand der Brandstiftung (Begriff des "Magazins"); Zerstörung von Bauwerken (Begriff "Bauwerk").

§ 305 Abs. 1 StGB; § 308 Abs. 1 StGB

Leitsätze

1. Zum Begriff "Magazin" in § 308 Abs. 1 StGB. (BGHSt)

2. Ein "Bauwerk" i.S.v. § 305 Abs. 1 StGB ist ein auf Dauer durch menschliche Arbeit errichtetes Werk von gewisser Größe und Bedeutung. Dazu zählt auch ein für mehrere Tonnen Inhalt fassender, auf dem Boden errichteter massiv ummantelten Tankbehälter. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 31. Januar 1995

a) im Fall III der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der versuchten Brandstiftung in Tateinheit mit Sachbeschädigung, Zerstörung von Bauwerken und mit Herbeiführen einer Brandgefahr schuldig ist,

b) im gesamten Strafausspruch und im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten im Fall II der Urteilsgründe wegen schwerer Brandstiftung unter Einbeziehung einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten und im Fall III der Urteilsgründe wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit Brandstiftung und mit versuchter Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gleichzeitig hat es die "Sicherheitsverwahrung" des Angeklagten angeordnet.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er beanstandet das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts.

Das Rechtsmittel hat den aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Erfolg.

I. Die Verfahrensbeschwerden sind teils unzulässig, teils unbegründet, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 19. Juli 1995 zutreffend dargelegt hat.

II. Die Sachrüge hat nur einen Teilerfolg.

1. Zum Schuldspruch im Fall II der Urteilsgründe deckt sie keinen Rechtsfehler auf.

2. a) Das gilt auch im Fall III der Urteilsgründe für die Verurteilung wegen versuchter Brandstiftung in Tateinheit mit Sachbeschädigung.

b) Dagegen kann der weitere Schuldspruch, tateinheitlich eine vollendete Brandstiftung nach § 308 Abs. 1 StGB begangen zu haben, keinen Bestand haben. Gestützt wird die Verurteilung darauf, daß die Isolierung eines Lecithin-Tanks nach Entzündung durch den Angeklagten selbständig weitergebrannt habe; damit habe der Angeklagte ein "Magazin", eine "Räumlichkeit mit der Bestimmung, Lecithin für längere Zeit aufzubewahren", in Brand gesetzt.

Bei diesem Tank handelt es sich nach den Feststellungen um einen mit Lecithin gefüllten Tankbehälter mit einem Fassungsvermögen von mehreren Tonnen, der außerhalb der Fabrikhalle an die Kalksteinmauer der Halle anschließend errichtet worden ist.

Ein solcher Tank stellt indessen kein "Magazin" im Sinne der Vorschrift dar. Nach dem Wortsinn versteht man hierunter ein Vorratshaus, Lagerhaus, einen Lagerraum oder einen Speicher (Brockhaus Enzyklopädie 19. Aufl. <1991>). Die Rechtsprechung hat sich mit diesem Begriff aus dem Recht der Brandstiftung bisher nur vereinzelt befaßt. Die eingehendste Auslegung erfolgte durch das Reichsgericht im Jahre 1886 hinsichtlich des "Knochenmagazins" eines Produktenhändlers (RGSt 13, 407). Danach ist ein Magazin ein Gebäude, eine Baulichkeit oder eine sonstige dauernde Einrichtung, in welchen bestimmungsgemäß größere Vorräte von Waren aufgespeichert werden, um sie für den Bedürfnisfall in Bereitschaft zu haben. Aus der Stellung des Wortes "Magazin" innerhalb des § 308 Abs. 1 StGB, nämlich zwischen "Gebäuden" und auf öffentlichen Plätzen lagernden "Warenvorräten" schließt das Gericht, daß dabei wesentlich an "Etablissements" gedacht worden ist, die nicht eigentlich Gebäude darstellen, wohl aber Räumlichkeiten umfassen, die dazu hergerichtet sind, erheblichere Vorräte an Waren für längere Zeit zu bergen; der Gesetzgeber habe wohl "alle magazinierten Vorräte jeglicher Beschaffenheit lediglich wegen der sich aus der dauernden Form der Aufspeicherung ergebenden Vermutung erheblicheren Wertes" erfassen wollen. Nach dieser weiten Auslegung erscheint es nicht ausgeschlossen, den Tankbehälter als "Magazin" anzusehen. Das Reichsgericht hat sich in seiner Entscheidung darauf beschränkt, eine "kellerartige, indessen den Erdboden überragende Baulichkeit", in der etwa 80-100 Zentner Knochen lagerten, als "Magazin" zu qualifizieren. Ein mit Lagerbeständen angefülltes "Gebäude" sieht das OLG Braunschweig als "Magazin" an (NdsRPfl. 1963, 138). Im Schrifttum wird überwiegend auf das Vorliegen einer "Räumlichkeit" zur Lagerung abgestellt (Frank StGB 18. Aufl. § 308 Anm. II 5; Wolff in LK StGB 11. Aufl. § 308 Rdn. 7; Cramer in Schönke/Schröder StGB 24. Aufl. § 308 Rdn. 5; Dreher/Tröndle StGB 47. Aufl. § 308 Rdn. 5: Scheunen), während vereinzelt in Anlehnung an die angeführte Entscheidung des Reichsgerichts eine "Anlage" für ausreichend erachtet worden ist (Olshausen StGB 11. Aufl. § 308 Anm. 3 e).

Einer ausdehnenden Auslegung steht jedoch das strafrechtliche Analogieverbot entgegen (vgl. Bruch, Vorsätzliche Brandstiftung <1983> S. 27). Es steht fest, daß der Gesetzgeber seinerzeit nicht an Brandobjekte wie Tankbehälter für chemische Produkte gedacht hat. Der - abschließende (Wolff aaO Rdn. 3; Bruch aaO S. 31) - Katalog von Angriffsobjekten in § 308 Abs. 1 StGB entstammt einer längst überholten Wirtschaftsordnung (Geppert, Festschrift für Rudolf Schmitt <1992> S. 187, 203). Abhilfe kann insoweit nur der Gesetzgeber schaffen.

c) Das Verhalten des Angeklagten erfüllt jedoch den Tatbestand des § 305 Abs. 1 StGB in der Form, daß ein in fremdem Eigentum stehendes Bauwerk teilweise zerstört worden ist. Wesentlich für den Begriff des Bauwerks ist, daß es sich um ein selbständiges, auf Dauer durch menschliche Arbeit errichtetes Werk (RGSt 15, 263, 264: Fischteich; RG Rspr. 6, 477: Schiedsmauer) von gewisser Größe und Bedeutung handelt (Wolff in LK StGB 11. Aufl. § 305 Rdn. 3; Stree in Schönke/Schröder StGB 24. Aufl. § 305 Rdn. 4). Das ist bei einem für mehrere Tonnen Inhalt vorgesehenen, auf dem Boden errichteten massiv ummantelten Tankbehälter zu bejahen. Dieses Bauwerk ist durch die vom Angeklagten vorgenommene Inbrandsetzung auch - wenigstens teilweise - zerstört worden, da die Aluminiumaußenhaut abschmolz und die darunter befindliche Isolierung selbständig weiterbrannte (UA 25). Teilweises Zerstören, das nach der Tatbestandsfassung ausreicht, ist auch das Unbrauchbarmachen hinsichtlich einer von mehreren Zweckbestimmungen der Sache für nicht unbeträchtliche Zeit (OGHSt 2, 209, 210). Da davon auszugehen ist, daß die durch eine Aluminiumaußenhaut geschützte Isolierung von wesentlicher Bedeutung für die sachgemäße Lagerung des Lecithins gewesen ist - hierfür spricht der erhebliche technische Aufwand - und auch eine Reparatur, sofern überhaupt möglich, eine gewisse Zeit beansprucht, ist der objektive Tatbestand erfüllt. Eines Strafantrages bedarf es in diesem Falle nicht (RGSt 43, 240, 242).

d) Schließlich ist auch der Tatbestand des Gefährdungsdelikts des § 310 a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt, da nach den Feststellungen durch das Verhalten des Angeklagten feuergefährdete Anlagen - über die vom Verletzungsdelikt des § 305 StGB erfaßten hinaus - in konkrete Brandgefahr gebracht worden sind.

e) Da die Urteilsgründe jeweils auch die Annahme vorsätzlicher Begehung belegen, kann der Senat den Schuldspruch von sich aus umstellen. Eines Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO bedarf es nicht; es kann ausgeschlossen werden, daß der Angeklagte sich gegen die geänderten Schuldvorwürfe wirksamer als geschehen verteidigen könnte.

f) Beide Tatbestände stehen, wie der Senat bereits früher für das entsprechend zu bewertende Verhältnis von § 303 StGB zu § 310 a StGB entschieden hat (BGHSt 39, 128, 132), wegen der unterschiedlichen Schutzgüter in Idealkonkurrenz zueinander.

3. Der Strafausspruch muß insgesamt aufgehoben werden.

a) Die Schuldspruchänderung im Fall III der Urteilsgründe bewirkt, daß der diesbezügliche Einzelstrafausspruch keinen Bestand haben kann. An die Stelle des vom Landgericht der Strafzumessung zugrunde gelegten Verbrechens der vollendeten Brandstiftung nach § 308 Abs. 1 StGB mit einer Strafdrohung bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe - das Vorliegen eines minder schweren Falles hat die Strafkammer ohne Rechtsverstoß verneint - tritt nunmehr das Vergehen der Zerstörung von Bauwerken mit der wesentlich milderen Strafdrohung des § 305 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren). Der Tatbestand des § 308 StGB ist nur noch in Form des Versuchs der Brandstiftung an der Fabrikanlage erfüllt.

b) Aber auch der Einzelstrafausspruch wegen schwerer Brandstiftung im Fall II der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß er von der Strafbemessung für den von der Strafkammer angenommenen weiteren Fall von vollendeter Brandstiftung mit beeinflußt worden ist.

c) Danach kann auch die Gesamtstrafe aus dieser Strafe und der durch Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen vom 28. Juni 1991 ausgesprochenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit Bewährung keinen Bestand haben. Nach den Feststellungen waren die Voraussetzungen für die Bildung einer Gesamtstrafe allerdings gegeben, da die Straftat im Fall II der Urteilsgründe vor diesem Urteilszeitpunkt begangen worden ist und deshalb hätte mitabgeurteilt werden können; die Bewährungsstrafe war im Hinblick auf die angeordnete Bewährungszeit von vier Jahren auch noch nicht erledigt (UA 16).

4. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung (im Urteilsausspruch fälschlich als "Sicherheitsverwahrung" bezeichnet) kann ebenfalls nicht aufrechterhalten bleiben. Zwar besteht zwischen Strafe und Sicherungsverwahrung keine notwendige Abhängigkeit (BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1). Es kann hier aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, daß die Strafkammer die Bemessung der Strafen und die Anordnung der Maßregel in einem untrennbaren Zusammenhang gesehen hat (vgl. BGHSt 7, 101, 103 f. = JZ 1955, 384 m.Anm. Würtenberger; BGH NJW 1980, 1055, 1056 = JR 1980, 338 m.Anm. Hanack; BGH NStZ 1983, 71; BGH bei Holtz MDR 1989, 682; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1, 2; Hanack in LK StGB 11. Aufl. § 66 Rdn. 183; Hennke GA 1956, 41).

III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat hinsichtlich der Anordnung der Maßregel darauf hin, daß in einem Fall, in dem sich sowohl die früheren als auch die jetzt abzuurteilenden Straftaten jeweils gegen äußerst unterschiedliche Rechtsgüter gerichtet haben (Raubtaten, Sexualstraftaten; jetzt Brandstiftungen), eine besonders eingehende Gesamtwürdigung erforderlich ist (BGHSt 24, 243, 244), die sich gerade mit der Verschiedenartigkeit der Delikte ausführlich auseinandersetzt (vgl. Hanack aaO Rdn. 163 ff). Bei einer derartigen Unterschiedlichkeit der strafbaren Betätigung kann jedenfalls nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, es bestehe die Gefahr, daß der Angeklagte wieder "in einschlägiger Weise" straffällig werde.

Externe Fundstellen: BGHSt 41, 219; NJW 1996, 328; NStZ 1996, 135; StV 1996, 316

Bearbeiter: Rocco Beck