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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 416/93, Urteil v. 09.12.1993, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 416/93 - Urteil vom 9. Dezember 1993 (LG Magdeburg)

BGHSt 40, 8; Tatbestand der Amtsanmaßung (Anschein einer Amtshandlung); Unterschlagung oder Beihilfe zur Unterschlagung durch Mitarbeiter des MfS bei der Entnahme von Geldern aus Briefen; Verwahrungsbruch durch das Vernichten der Briefsendungen nach der Geldentnahme.

§ 132 2. Alt. StGB; § 246 StGB; § 27 Abs. 1 StGB; § 133 Abs. 1 StGB; § 224 Abs. 1 StGB-DDR; § 177 StGB-DDR

Leitsätze

1. Wegen Amtsanmaßung macht sich nach § 132 Abs. 2 StGB nur strafbar, wer eine Handlung vornimmt, die den Anschein einer Amtshandlung hervorruft. (BGHSt)

2. Der Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR, der entsprechend den Befehlen dieses Ministeriums aus internationalen Briefsendungen konspirativ Geld entnommen und es dem Staatshaushalt der DDR zugeführt hat, kann nicht wegen Beihilfe zur Unterschlagung bestraft werden, weil es insoweit an einem Haupttäter fehlt, der sich das in seinem Gewahrsam befindliche Geld unmittelbar oder mittelbar zugeeignet hat. Die Vernichtung dieser Briefsendungen erfüllt nicht den Tatbestand des Verwahrungsbruchs nach § 133 StGB. (BGHSt)

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 4. Januar 1993 aufgehoben.

Die Angeklagten werden freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt die Staatskasse.

Gründe

Die Angeklagten waren Offiziere des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen DDR in der Leitungsebene der Bezirksverwaltung Ma.. Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen Beihilfe zur Anmaßung staatlicher Befugnisse zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Gegen die Angeklagten H. und T. hat es wegen Verwahrungsbruchs in Tateinheit mit Beihilfe zur Unterschlagung Freiheitsstrafen von einem Jahr und fünf Monaten (H.) und von einem Jahr und sieben Monaten (T.) verhängt. Die Vollstreckung der Strafen hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt. Bezüglich des früheren Mitangeklagten M. ist das Urteil des Landgerichts gegenstandslos, nachdem dieser inzwischen verstorben ist.

Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel führen zum Freispruch der Angeklagten.

A.

Der Verurteilung des Angeklagten R. wegen Beihilfe zur Anmaßung staatlicher Befugnisse liegen Maßnahmen der Telefonüberwachung zugrunde.

I. Nach den Feststellungen bearbeitete der frühere Mitangeklagte M. als Leiter der Bezirksverwaltung Ma. des MfS in der Zeit vom 1. Juli 1987 bis zum 30. November 1989 in mindestens 1208 Fällen Aufträge zum Abhören eines Fernsprechanschlusses, die von operativen Einheiten des MfS erteilt worden waren. Entsprechend den einschlägigen Dienstvorschriften (UA 23 ff.) mußten solche Aufträge von dem Leiter der Bezirksverwaltung - im Verhinderungsfall von dessen Stellvertreter - bestätigt werden. Der Angeklagte R. sorgte als Leiter der dafür zuständigen Abteilung 26 in dem genannten Zeitraum für die Durchführung der von M. bestätigten Aufträge.

II. Das Landgericht ist der Auffassung, M. habe in den festgestellten 1208 Einzelfällen jeweils mit der Bestätigung eines Auftrags zur konspirativen Telefonüberwachung tatbestandsmäßig im Sinne des § 224 Abs. 1 StGB-DDR und des § 132 StGB gehandelt und sich der Amtsanmaßung schuldig gemacht. Die Ausführung der Telefonüberwachung durch den Angeklagten R. hat es als Beihilfe zu dieser Tat gewertet. Die gegen ihn verhängte Strafe hat es gemäß Art. 315 Abs. 1 Satz 1 EGStGB (i.d.F. von Anlage I Kapitel III Sachgebiet C Abschnitt II Maßgabe 1 b des Einigungsvertrages - BGBl 1990 II 889, 955) i.V.m. § 2 Abs. 3 StGB den §§ 224 Abs. 1, 22 StGB-DDR als den, wie es darlegt, milderen Strafvorschriften entnommen.

Der Annahme einer - von dem Angeklagten R. geförderten - tatbestandsmäßigen Amtsanmaßung des früheren Mitangeklagten M. liegen im wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Gemäß Art. 31 Abs. 1 der Verfassung der DDR seien das Post- und das Fernmeldegeheimnis unverletzbar gewesen. Art. 31 Abs. 2 dieser Verfassung habe Einschränkungen nur aufgrund eines Gesetzes zugelassen. Eine gesetzliche Regelung, die dem MfS Eingriffe in das Grundrecht erlaubt hätte, habe es in der DDR aber nicht gegeben. Lediglich der Staatsanwaltschaft habe es aufgrund eines Gesetzes, nämlich der Strafprozeßordnung, unter im einzelnen bestimmten Voraussetzungen zugestanden, die Überwachung und Aufnahme des Telefonverkehrs anzuordnen. Indem M. gleichwohl Aufträge zur Telefonüberwachung bestätigt habe, habe er mithin Handlungen vorgenommen, die in der DDR dem Staatsanwalt vorbehalten gewesen seien.

III. Diese Würdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Unter der Geltung des Strafgesetzbuches hätten M. und der Angeklagte R. sich durch die Überwachung von Telefonanschlüssen und die Aufzeichnung von Gesprächen - Rechtswidrigkeit und Schuld unterstellt - wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 StGB strafbar gemacht. Von einem Schuldspruch nach dieser den Unwertgehalt des angeklagten Verhaltens im Kern treffenden Vorschrift hat das Landgericht aber - unabhängig von dem Strafantragserfordernis des § 205 StGB - zu Recht abgesehen: Eine dem § 201 StGB entsprechende Bestimmung war dem StGB-DDR fremd. § 135a StGB-DDR ist erst mit dem 6. Strafrechtsänderungsgesetz vom 29. Juni 1990 (GBl. I S. 526), also nach Begehung der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat, in das StGB-DDR eingefügt worden. Da die Verletzung des Telefongeheimnisses demnach als solche zur Tatzeit nicht strafbar war, würde eine Bestrafung der Angeklagten gemäß § 201 StGB das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG verletzen.

Die Anwendung des § 201 StGB auf die Tat des Angeklagten R. kommt auch nicht gemäß Art. 315 Abs. 4 EGStGB in Verbindung mit §§ 3, 9 StGB in Betracht. Allerdings wird die Auffassung vertreten, § 201 StGB sei gemäß Art. 315 Abs. 4 EGStGB auf die Überwachung von Telefongesprächen anwendbar, die durch "Anzapfen" von Telefonleitungen auf dem Boden der DDR erfolgt sei und Telefongespräche betroffen haben, die zwischen Gesprächspartnern in der DDR einerseits und in der Bundesrepublik Deutschland andererseits geführt worden seien (KG JR 1993, 388 = DtZ 1993, 381). Hier beschränken sich Anklage und Urteil aber auf das Abhören und Aufzeichnen von Telefongesprächen im internen Fernsprechverkehr der ehemaligen DDR. Unter diesen Umständen bedarf es keiner Entscheidung, ob Tatort im Sinne der §§ 3, 9 StGB bei § 201 StGB jeder Ort ist, an dem sich einer der Teilnehmer des abgehörten Gesprächs aufhält; die Ansicht des Kammergerichts (aaO), der tatbestandliche Erfolg trete, weil der Tatbestand die Vertraulichkeit des Wortes schütze, an jedem dieser Orte ein, erscheint nicht unzweifelhaft, da Tathandlung des § 201 StGB nicht der Vertrauensbruch, sondern das Abhören und Aufnehmen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes ist (vgl. BGHSt 20, 45, 51).

2. Entgegen der Auffassung der Strafkammer kann die sich aus dem Fehlen einer Strafdrohung für das Abhören von Telefongesprächen ergebende Strafbarkeitslücke, die - zumal unter Berücksichtigung der Intensität und des Umfangs der festgestellten Überwachungsmaßnahmen - dem Gerechtigkeitsgefühl allerdings deutlich zuwiderläuft, nicht durch Anwendung des § 224 Abs. 1 StGB-DDR und des § 132 StGB geschlossen werden.

Insofern kann auf sich beruhen, ob M. im Sinne des § 224 StGB-DDR tatbestandsmäßig gehandelt hat, wie das Landgericht näher darlegt. Ein Schuldspruch wegen Amtsanmaßung gemäß § 132 StGB oder Anmaßung staatlicher Befugnisse im Sinne des § 224 StGB-DDR scheidet schon deswegen aus, weil die Voraussetzungen des § 132 StGB nicht erfüllt sind, mithin eine etwaige Strafbarkeit der Telefonüberwachung gemäß § 224 StGB-DDR jedenfalls mit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages entfallen ist. Mangels tatbestandsmäßiger Handlung M.s kommt auch eine Strafbarkeit des Angeklagten R. wegen Beihilfe zur Amtsanmaßung oder Anmaßung staatlicher Befugnisse nicht in Betracht.

a) Daß M. sich nicht im Sinne der ersten Alternative des § 132 StGB unbefugt mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes befaßt hat, bedarf keiner weiteren Begründung. Davon geht zu Recht ersichtlich auch das Landgericht aus. Die erste Alternative des § 132 StGB setzt voraus, daß der Täter sich ausdrücklich oder konkludent als Inhaber eines öffentlichen Amtes ausgibt, das er nicht innehat. M. war aber tatsächlich Inhaber eines öffentlichen Amtes und hat sich mit den ihm vorgeworfenen Handlungen auch nicht - weder ausdrücklich noch konkludent - als Inhaber eines anderen, ihm nicht zustehenden Amtes ausgegeben. Insbesondere ist er nicht als Staatsanwalt aufgetreten.

b) Auch eine Strafbarkeit M.s gemäß § 132 2. Alternative StGB ist nicht gegeben.

aa) M. hat mit der Bestätigung der Aufträge zur Telefonüberwachung nicht im Sinne dieser Bestimmung "unbefugt Handlungen vorgenommen, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden dürfen". Unter den gegebenen Umständen stellte sich die Bestätigung von Abhöraufträgen durch ihn vielmehr als das dar, was sie war: als Maßnahme im Rahmen der allgemeinen Spitzeltätigkeit des MfS, nicht aber als Wahrnehmung staatsanwaltschaftlicher Befugnisse im Rahmen eines Strafverfahrens.

Der abweichenden Auffassung der Strafkammer, die auch in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung vertreten wird (vgl. OLG Dresden DtZ 1993, 287; KG JR 1993, 388 = DtZ 1993, 381), vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Unter der Voraussetzung, daß in der DDR - wie das Landgericht meint - das Abhören von Telefongesprächen nach der Verfassungs- und Gesetzeslage ausschließlich vom Staatsanwalt angeordnet werden durfte, ließe es der Wortlaut des § 132 StGB allerdings möglicherweise noch zu, das M. vorgeworfene Verhalten als tatbestandsmäßig im Sinne der 2. Alternative der Bestimmung zu werten. Rein begrifflich könnte er mit der Anordnung einer Telefonüberwachung durch Bestätigung eines Überwachungsauftrags eine Handlung vorgenommen haben, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden durfte, nämlich wegen des Gesetzesvorbehalts in Art. 31 Abs. 2 der Verfassung der DDR ausschließlich dem Staatsanwalt - und diesem nur unter den in § 115 StPO-DDR genannten Voraussetzungen - erlaubt war. Das Ergebnis einer solchen Wortlautauslegung würde aber dem Sinn und Zweck des § 132 StGB nicht mehr gerecht.

Die Vorschrift schützt die Autorität des Staates und seiner Behörden (BGHSt 3, 241; 12, 30, 31; Herdegen in LK StGB 10. Aufl. § 132 Rdn. 1). Dieser droht Gefahr, wenn Unbefugte anderen gegenüber die öffentlich-rechtlichen Funktionen eines von ihnen angeblich bekleideten Amtes in Anspruch nehmen und auf diese Weise der Schein amtlichen Handelns für Tätigkeiten erweckt wird, die in Wahrheit nicht unter der Kontrolle der staatlichen Organe zustande gekommen sind (Herdegen aaO Rdn. 1; Cramer in Schönke/Schröder StGB 24. Aufl. § 132 Rdn. 1). Daraus folgt aber, daß grundsätzlich nur die Vornahme einer solchen Handlung als tatbestandsmäßig angesehen werden kann, die nach den sie begleitenden Umständen bei einem objektiven Beobachter den Anschein einer Amtshandlung hervorruft und deswegen mit einer solchen verwechselbar ist (Rudolphi in SK-StGB § 132 Rdn. 9; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 2, 7. Aufl. § 79 II Rdn. 10). Aus diesem Grunde wäre die Annahme verfehlt, es könne etwa, wer als "jedermann" auftretend einen anderen der Freiheit beraubt, wegen Amtsanmaßung strafbar sein, weil die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes unter den Voraussetzungen des § 127 Abs. 2 StPO zur vorläufigen Festnahme eines dringend Tatverdächtigen befugt sind. Die Anwendung von § 132 StGB kommt in einem solchen Fall nur in Betracht, wenn die Freiheitsberaubung unter Umständen erfolgt, die bei dem Betroffenen oder anderen den Eindruck erwecken, es handele sich um eine vorläufige Festnahme im Rahmen eines Strafverfahrens. Nur dann kann der Autorität des Staates und seiner Behörden ein Vertrauensverlust drohen, dem entgegenzuwirken Sinn des § 132 StGB ist.

Allerdings hat das Reichsgericht in dem Hervorrufen des Anscheins einer Amtshandlung keine notwendige Tatbestandsvoraussetzung des § 132 2. Alternative StGB gesehen. Mit dieser Begründung hat es die Verurteilung von Angeklagten wegen Amtsanmaßung für rechtlich unbedenklich erklärt, die an einer Versammlung teilgenommen hatten, in der die Absetzung des Oberamtmannes S. beschlossen wurde, und "sich alsdann an der Spitze einer größeren Menschenmenge zum Oberamt begeben und dort S. seine Absetzung erklärt" hatten (RGSt 56, 156).

Dieser ausschließlich auf den Wortlaut des § 132 StGB gestützten, den Sinn und Zweck der Vorschrift außer Betracht lassenden Auffassung kann aber nicht gefolgt werden. Anderenfalls würde aus einem Delikt zum Schutze der Autorität des Staates und seiner Behörden ein allgemeiner Auffangtatbestand, der nahezu jedes rechtswidrige Verhalten unter Strafe stellte. Zu Recht sind deshalb auch Rechtsprechung und Literatur dem Reichsgericht nicht gefolgt (BayObLGSt 1956, 269; Herdegen aaO Rdn. 7; ebenso Rudolphi aaO Rdn. 9). Das Bayerische Oberste Landesgericht und Herdegen haben der Entscheidung RGSt 56, 156 zwar ausdrücklich nur für die Fälle widersprochen, in denen sich die vorgenommene Handlung, je nachdem, wie sie nach den äußeren Umständen in Erscheinung tritt, als Privathandlung oder als Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Funktionen darstellt; insofern verlangen auch sie ausdrücklich, daß der Anschein einer Amtshandlung hervorgerufen wird. Für die Fälle, in denen es sich um ausschließlich den Trägern öffentlicher Ämter vorbehaltene Maßnahmen handelt, kommen sie aber in der Sache - und aus denselben Gründen - sogar zu einer noch weiter reichenden Einschränkung des Tatbestandes; insofern fordern sie nämlich, daß der Täter mit dem Willen gehandelt hat, seine Handlung an die Stelle einer Amtshandlung zu setzen, weil sonst "zahlreiche Straftaten zugleich als Amtsanmaßung (erschienen), z.B. die Fälschung einer öffentlichen Urkunde, das unbefugte Versperren eines Weges oder die gewaltsame Wegnahme einer Sache, das unbefugte Eindringen in einen befriedeten Besitz, das Nachmachen von Banknoten und Münzen" (BayObLGSt 1956, 269, 270).

Setzt danach die zweite Alternative des § 132 StGB die Vornahme einer Handlung voraus, die den Anschein einer Amtshandlung erweckt, so hat M. sich auch nach dieser Vorschrift nicht strafbar gemacht. Er hat durch das Bestätigen der von operativen Einrichtungen des MfS erteilten Überwachungsaufträge nicht den Eindruck hervorgerufen, er treffe damit die dem Staatsanwalt vorbehaltene Anordnung einer Telefonüberwachung im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Seine Maßnahmen erfolgten nicht im Rahmen eines Strafverfahrens und waren auch nach Art und Form mit einer strafverfahrensrechtlichen Maßnahme nicht zu verwechseln. Anlaß war nicht der Verdacht einer Straftat, sondern das Verlangen des MfS, durch umfassende Überwachung ein Höchstmaß an Informationen zu erzielen. Mit der Durchführung der Abhörmaßnahmen wurde nicht - wie in Fällen der strafprozessualen Telefonüberwachung - die Deutsche Post beauftragt. Vielmehr erfolgte sie durch die Bezirksverwaltung des MfS mit eigenen Kräften.

bb) Im übrigen leitet das Landgericht die Unbefugtheit der von ihm angenommenen Amtsanmaßung daraus ab, daß diese Maßnahme ohne die - nach seiner Meinung - gemäß Art. 31 Abs. 2 der Verfassung der DDR erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage getroffen worden sei. Dabei übersieht es, daß § 132 StGB - anders als § 224 Abs. 1 StGB-DDR (vgl. Strafrecht der DDR, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 5. Aufl. § 224 Anm. 1) - nicht (auch) den Schutz von Individualrechten bezweckt, sondern ausschließlich den Schutz der Autorität des Staates und seiner Behörden (BGHSt 3, 85; Herdegen aaO Rdn. 1; Rudolphi aaO Rdn. 1; Cramer aaO Rdn. 1). Angesichts dieser Beschränkung der Schutzrichtung kann die Unbefugtheit einer im übrigen tatbestandsmäßigen Amtsanmaßung aber nicht allein daraus abgeleitet werden, daß die Maßnahme rechtswidrig in Rechte oder Rechtsgüter Einzelner eingreift. Vielmehr ist erforderlich, daß dies ohne die - die Amtsanmaßung erlaubende, wenn auch in bezug auf die Verletzung von Individualrechtsgütern unbeachtliche - Einwilligung der maßgeblichen staatlichen Stellen geschieht. Dementsprechend muß das Tatbestandsmerkmal der Unbefugtheit hier entfallen, weil die Abhörmaßnahmen - wie das von der Strafkammer mitgeteilte Statut des MfS sowie die die Telefonüberwachung betreffenden Dienstanweisungen und Befehle des Ministers zweifelsfrei belegen - mit Wissen und Billigung der Staatsführung der DDR erfolgt sind.

Zudem ging M. nach den Feststellungen davon aus, daß sein Vorgehen dem erklärten Willen des Ministers und des Ministerrats entsprach, so daß er jedenfalls nicht vorsätzlich handelte. Denn wer darüber irrt, daß er unbefugt handelt, befindet sich in einem Tatbestandsirrtum (Herdegen aaO Rdn. 13), so daß schließlich auch aus diesem Grunde eine Strafbarkeit nach § 132 StGB ausscheidet.

cc) Auch wenn mit dem Landgericht angenommen wird, daß nach der Verfassungs- und Gesetzeslage der ehemaligen DDR die Anordnung einer Telefonüberwachung ausschließlich dem Staatsanwalt vorbehalten war, wird mithin das Verhalten M.s - und damit auch dasjenige des Angeklagten R. - von § 132 StGB nicht erfaßt. Es kann daher auf sich beruhen, ob das der Rechtsauffassung des Landgerichts zugrunde liegende Verständnis von Grundrechten, Gesetzesvorbehalt und Eingriffsermächtigung nicht nur auf den von der Verfassung der DDR erweckten Anschein von Rechtsstaatlichkeit abstellt, ohne die ersichtlich abweichende Staatspraxis zu berücksichtigen, wie es im Hinblick auf § 2 Abs. 3 StGB geboten sein könnte (vgl. BGHSt 39, 1, 14).

B.

Der Verurteilung der Angeklagten H. und T. wegen Verwahrungsbruchs in Tateinheit mit Beihilfe zur Unterschlagung liegt ihre Beteiligung an der Entnahme von DM-Beträgen aus Briefsendungen und der anschließenden Vernichtung der Briefe zugrunde.

I. Die Strafkammer hat folgende Feststellungen getroffen:

Im Rahmen der - durch mehrere Befehle des Ministers für Staatssicherheit geregelten (UA 28 ff.) - Kontrolle und Auswertung von Postsendungen wurden durch die Mitarbeiter der Abteilung M der Bezirksverwaltung Ma. des MfS die bei der Überprüfung von Sendungen des internationalen Briefverkehrs aufgefundenen DM-Geldbeträge (auf diese beschränken sich Anklage und Urteil) einbehalten. "Verbindliche Arbeitsgrundlage" waren insoweit "die vom Ministerium der Staatssicherheit als Organ des Ministerrats der DDR erlassene und von K. als 1. Stellvertreter des Ministers des MfS unterzeichnete Ordnung vom 23.3.1976 'zur Verfahrensweise beim Einbehalten von Postsendungen aus dem grenzüberschreitenden Verkehr mit nichtsozialistischen Staaten und Westberlin durch das MfS'" (UA 40 ff.), das "an die Leiter der Abteilung M der Bezirksverwaltungen gerichtete Schreiben des Leiters der Abteilung M des MfS, Berlin, St., vom 9.4.1984" (UA 42 ff.) sowie die "von St. als Leiter der Abteilung M des MfS in Berlin bestimmten Festlegungen vom 27.7.1984 'für die Bearbeitung von Postsendungen mit Zahlungsmitteln, Edelmetallen, Schmuck und Postwertzeichen und für die Behandlung und Abführung anderer Wareninhalte einbehaltener Postsendungen'" (UA 45 ff.).

Auf der Grundlage dieser Anweisungen, die "für alle Bearbeitungsstufen" eine im einzelnen geregelte Nachweis- und Belegpflicht vorsahen, wurden die bei der Briefkontrolle gefundenen DM-Beträge von dem zuständigen Referatsleiter und dem Angeklagten T. als dem Leiter der Abteilung M der Bezirksverwaltung Ma. des MfS monatlich abgerechnet. Nachdem T. die Richtigkeit festgestellt und den Abführungsbeleg abgezeichnet hatte, wurden Geld und Abführungsbeleg in einer verplombten Kuriertasche von der Abteilung M der Bezirksverwaltung Ma. gegen Quittungsbeleg der Abteilung Finanzen dieser Bezirksverwaltung zugeleitet. Sodann wurde die Tasche in die Zentrale des MfS nach B. geschafft und dort der Abteilung Finanzen übergeben, die die Gelder dem Staatshaushalt zufließen ließ (UA 67). Die jeweiligen Briefe wurden nach der Entnahme von Zahlungsmitteln in der Abteilung M der Bezirksverwaltung vernichtet. Eine Benachrichtigung der Betroffenen erfolgte nicht.

In dem den Angeklagten T. betreffenden Tatzeitraum vom 1. Januar 1985 bis zum 18. November 1989 wurden durch die Abteilung M der Bezirksverwaltung Ma. Briefsendungen des internationalen Verkehrs DM-Beträge in Höhe von insgesamt 347.989,70 DM entnommen und dem Staatshaushalt der DDR zugeführt. Mindestens 3.510 Briefe wurden nach der Entnahme von Beträgen vernichtet. Der Angeklagte H. war Stellvertreter des Leiters der Bezirksverwaltung Ma., also des früheren Mitangeklagten M.. In dieser Eigenschaft unterstand ihm unter anderem die Abteilung M. In dem ihn betreffenden Tatzeitraum vom 1. Januar 1985 bis zum 31. August 1989 wurden insgesamt 322.690,20 DM einbehalten und mindestens 3.360 Briefe vernichtet.

II. Diese Feststellungen vermögen die Verurteilung der Angeklagten H. und T. wegen Verwahrungsbruchs in Tateinheit mit Beihilfe zur Unterschlagung nicht zu tragen.

1. Die Einbehaltung von Zahlungsmitteln und deren Weiterleitung an die Finanzabteilung des MfS.

a) Der Strafkammer ist darin zuzustimmen, daß die Angeklagten sich wegen ihrer Beteiligung an diesen Maßnahmen nicht wegen (mit-)täterschaftlich begangener Unterschlagung strafbar gemacht haben. Zutreffend legt sie dar, daß auf die Entnahme des Geldes nicht § 177 StGB-DDR, sondern § 246 StGB Anwendung findet. Das ergibt sich, soweit die entnommenen DM-Beträge Deutschen aus der Bundesrepublik Deutschland gehörten, aus Art. 315 Abs. 4 EGStGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1 StGB; für andere Geschädigte folgt dies aus Art. 315 Abs. 1 EGStGB in Verbindung mit § 2 Abs. 3 StGB, weil § 246 StGB gegenüber § 177 StGB-DDR in der zur Tatzeit geltenden Fassung, der auch die Drittzueignung mit Strafe bedrohte, hier das mildere Gesetz ist.

Nach § 246 StGB hätten die Angeklagten als (Mit-)Täter der Unterschlagung nur bestraft werden können, wenn sie die entnommenen Gelder sich zugeeignet hätten. Das ist angesichts der von der Strafkammer festgestellten Umstände ersichtlich nicht der Fall. Danach trugen die Angeklagten durch die ihnen vorgeworfenen Handlungen entsprechend den einschlägigen Befehlen und Dienstanweisungen dazu bei, daß die Mittel von der Abteilung Finanzen des MfS dem Staatshaushalt der DDR zugeführt wurden.

Zwar kann es für das "Sich-Zueignen" auch genügen, daß die Verfügung über eine Sache zugunsten eines Dritten erfolgt. Voraussetzung ist dann aber, daß der Täter von der Zuwendung an den Dritten im weitesten Sinne einen wirtschaftlichen Nutzen oder Vorteil hat. Dabei reicht zwar auch ein nur mittelbarer wirtschaftlicher Vorteil aus (st. Rspr.: BGHSt 4, 236, 238; 17, 87, 92; BGH NJW 1987, 77; BGHR StGB § 242 Abs. 1 Zueignungsabsicht 2, 4, 8). Einen derartigen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil der Angeklagten aus der Entnahme der Zahlungsmittel hat die Strafkammer aber nicht festgestellt. Angesichts der Stellung der Angeklagten in der Organisation des MfS, die jedenfalls unterhalb der für die Anweisungen und Befehle verantwortlichen Führungsebene angesiedelt war, liegt die Annahme auch fern, die Angeklagten könnten mit der weisungsgemäß bewirkten Entnahme der Zahlungsmittel und deren Ablieferung an die Finanzabteilung des MfS einen solchen wirtschaftlichen Vorteil erhalten oder erstrebt haben.

b) Entgegen der Auffassung der Strafkammer können die Angeklagten aber auch nicht wegen Beihilfe zur Unterschlagung verurteilt werden. Hierzu fehlt es an der für die Annahme einer strafbaren Beihilfe erforderlichen tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Haupttat eines anderen (§§ 27 Abs. 1, 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB).

aa) "Anderer" im Sinne des § 27 StGB kann nur eine natürliche Person sein. Dementsprechend scheidet die DDR, die sich die einbehaltenen Zahlungsmittel durch ihre Organe im Ergebnis zugeeignet hat, als Haupttäter aus.

bb) Auch die natürlichen Personen, die im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB als Mitglieder eines vertretungsberechtigten Organs der DDR für die Praxis der Geldentnahme verantwortlich waren, können nur dann als Täter der Unterschlagung angesehen werden, wenn sie die einbehaltenen Zahlungsmittel s i c h zugeeignet haben. Allerdings ist nach dieser Bestimmung ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Strafbarkeit begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen. Der von § 246 StGB vorausgesetzte Wille, eine Sache sich zuzueignen, ist aber kein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 14 StGB. Daher ist diese Vorschrift auf Delikte mit "egoistisch beschränkter Innentendenz" wie §§ 242, 246 StGB nicht anwendbar (Schünemann in LK StGB 11. Aufl. § 14 Rdn. 38; Lenckner in Schönke/Schröder aaO § 14 Rdn. 8; Blauth, "Handeln für einen anderen" nach geltendem und kommendem Strafrecht, 1968, S. 21 ff.; OLG Karlsruhe Justiz 1975, 314, 315).

cc) Als Täter, der mit dem Willen handelte, die entnommenen Zahlungsmittel im Sinne des § 246 StGB s i c h zuzueignen , kommen nur Mitglieder der politischen Führung der DDR oder der Führungsebene des MfS in Betracht, die - durch die von der Strafkammer festgestellten Befehle, Ordnungen und Schreiben - die Arbeitsgrundlagen für die Einbehaltung von Zahlungsmitteln geschaffen oder durch Leitungstätigkeit die Fortführung dieser Praxis sichergestellt haben. Für andere mit dieser "Aufgabe" befaßte Angehörige des MfS scheidet die Annahme einer Zueignungsabsicht aus denselben Gründen wie bei den Angeklagten aus.

Daß einer der Verantwortlichen in der politischen Führungsebene oder der Leitungsebene der Zentrale des MfS mit dem erforderlichen Zueignungswillen gehandelt hat, läßt sich aber den Feststellungen nicht entnehmen und liegt im übrigen auch fern.

Allerdings mag im Falle der Zueignung einer fremden Sache für einen Staat durch seine Organe und Amtsträger das eigene Interesse des jeweils Handelnden mit dem des begünstigten Staates um so eher übereinstimmen, je höher dessen Stellung in der Staatsorganisation ist. Das ist auch der verständliche Ausgangspunkt der Würdigung der Strafkammer, nach der zwar die Angeklagten keinen Zueignungswillen hatten, wohl hingegen die - nicht näher bezeichneten - Personen in der Staatsführung oder der Leitungsebene des MfS.

Allein die Annahme eines gesteigerten Interesses an der Fremdzueignung reicht aber zur Begründung der Selbstzueignung nicht aus. Erforderlich ist vielmehr - wie dargelegt - das Erstreben eines eigenen, wenn auch nur mittelbaren w i r t s c h a f t l i c h e n Nutzens oder Vorteils. Soweit die Rechtsprechung es für ausreichend erklärt hat, wenn der Täter von der Zuwendung einen Nutzen oder Vorteil "im weitesten Sinne" (BGHSt 4, 236, 238; BGH wistra 1987, 253) oder "irgendeinen Vorteil oder Nutzen" (BGH NJW 1970, 1753) hatte oder erstrebte, ist damit, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der betreffenden Entscheidungen ergibt und in anderen Entscheidungen ausdrücklich klargestellt ist (BGHSt 17, 87, 92 f.; BGH NJW 1954, 1295; BGH GA 1959, 373; BGH NJW 1985, 812; 1987, 77; BGHR StGB § 242 Abs. 1 Zueignungsabsicht 2, 4, 8), nicht der Verzicht auf das Erfordernis eines eigenen wirtschaftlichen Vorteils oder Nutzens gemeint. Dementsprechend reicht es für die Annahme einer von den Verantwortlichen in der politischen Führung der DDR oder in der Leitungsebene des MfS begangenen Unterschlagung nicht aus, wenn es ihnen ein eigenes Anliegen war, durch die Zuführung der aus Briefen entnommenen DM-Devisen in den Staatshaushalt Staat und Gesellschaft in der DDR zu stärken und so der "Idee des Sozialismus" im Kampf der politischen Systeme zu dienen. Die Förderung dieses Interesses kann auch bei weitestem Verständnis nicht als Erstreben eines eigenen wirtschaftlichen Vorteils gedeutet werden.

Daß die aufgrund ihrer Weisungs- und Kontrolltätigkeit in der Leitungsebene der Zentrale des MfS für die Praxis der Geldentnahme Verantwortlichen aus den dem Staatshaushalt der DDR zugeflossenen Zahlungsmitteln einen solchen - wenn auch nur mittelbaren - eigenen wirtschaftlichen Nutzen oder Vorteil gehabt oder erstrebt hätten, kann auch nicht allein mit Blick auf deren hervorgehobene Stellung in der Organisation des Ministeriums angenommen werden. Soweit der in Sachen des früheren Generalmajors K. ergangene Haftfortdauerbeschluß des 3. Strafsenats vom 31. März 1993 - AK 5/93 - (BGHR StGB § 242 Abs. 1 Zueignungsabsicht 8) anders verstanden werden könnte, vermöchte sich der Senat dieser Auffassung nicht anzuschließen. Sie bedeutete in der Sache einen vollständigen Verzicht auf das Tatbestandsmerkmal "sich zueignen", der nicht zuletzt mit Blick auf die Vorschriften der §§ 253, 263 StGB, die auch die Drittbereicherung erfassen, die Grenzen zulässiger Auslegung überschritte.

Für die Annahme eines Zueignungswillens soll es allerdings auch genügen, wenn der Täter die Vorstellung hat, sich durch die Drittzuwendung irgendwelche wirtschaftlichen Vorteile "für die Zukunft" zu sichern (BGHSt 17, 87, 93). Es bedarf hier nicht der Entscheidung, ob an dieser Auffassung uneingeschränkt festgehalten werden kann; sie begegnet im Hinblick darauf, daß der angestrebte wirtschaftliche Nutzen unmittelbar oder mittelbar mit der Nutzung der Sache zusammenhängen muß (BGH NJW 1985, 812; BGH wistra 1988, 186), jedenfalls Bedenken. Dafür, daß die Haupttäter sich bei ihren Tatbeiträgen zu der Entnahmepraxis wesentlich oder auch nur beiläufig von der Vorstellung leiten ließen, damit den Bestand der DDR und auf diese Weise auch ihr eigenes wirtschaftliches Einkommen für die Zukunft zu sichern, ist nichts ersichtlich. Eine solche Annahme liegt auch angesichts des zwar absolut betrachtet hohen, gemessen am Volumen staatlicher Haushalte aber geringen Gesamtbetrags der einbehaltenen Zahlungsmittel fern. Eine andere Beurteilung mag geboten sein, soweit es um die Entnahme von Waren aus Paketen geht, insbesondere um die Entnahme von hochwertigen Konsumgütern, die bei der beengten Versorgungslage in der DDR sonst nicht oder nur schwer erhältlich waren, von hohen MfS-Offizieren aber gegen ein festgesetztes Entgelt gekauft werden konnten (vgl. BGHR StGB § 242 Abs. 1 Zueignungsabsicht 8).

Soweit in der bisherigen Rechtsprechung Organe oder Vertreter einer juristischen Person oder einer Vereinigung wegen Unterschlagung bestraft wurden, weil sie der von ihnen vertretenen Organisation fremde Sachen zur Verfügung stellten (BGH GA 1959, 373; OLG Karlsruhe Justiz 1975, 314 f.), sind die zugrunde liegenden Fallgestaltungen dem hier zu beurteilenden Sachverhalt schon deshalb nicht vergleichbar, weil die Entscheidungen nicht den Fall der Zuwendung fremder Sachen an den Staat zum Gegenstand haben. Die Entscheidung des OLG Karlsruhe betraf zudem die Vorstandsmitglieder eines Vereins, die sich durch Zuwendungen fremder Sachen an diesen die Möglichkeit preisgünstiger Vereinsleistungen erhalten und sich zudem der ihnen drohenden persönlichen Inanspruchnahme entziehen wollten. Bei einer solchen Gestaltung drängt sich die Annahme eines mittelbaren eigenen wirtschaftlichen Vorteils oder Nutzens geradezu auf.

Danach fehlt es hier an einem Haupttäter, der die einbehaltenen Zahlungsmittel in der von § 246 StGB vorausgesetzten Weise sich zugeeignet hat.

dd) Die Annahme einer tatbestandsmäßigen Unterschlagung, zu der die Angeklagten H. und T. Beihilfe geleistet haben könnten, scheidet aber noch aus einem weiterem Grunde aus:

Als Haupttäter, die die Gelder sich zugeeignet haben könnten, kämen - wie erörtert - allenfalls Angehörige der politischen Führung der DDR oder die in der Leitungsebene der Zentrale des MfS für die Praxis der Zahlungsmittelentnahme Verantwortlichen in Betracht. Für solche Personen, etwa für den Minister für Staatssicherheit, seinen für die Abteilung M in der Zentrale des MfS verantwortlichen Stellvertreter und den Leiter dieser Abteilung, kann aber nicht angenommen werden, daß sie die einbehaltenen und dem Staatshaushalt zugeführten Zahlungsmittel in irgendeiner Phase des "Verfahrens" in Besitz oder Gewahrsam hatten oder diesen jedenfalls mit einer - unterstellten - Zueignung erlangt hätten, wie dies für § 246 StGB ausreicht, aber auch erforderlich ist (BGHSt 2, 317, 319 f.; 4, 76, 77; 13, 43, 44; BGH LM § 246 StGB Nr. 3; Ruß in LK StGB 10. Aufl. § 246 Rdn. 10 m.w.N.).

Gewahrsam ist ein tatsächliches, vom entsprechenden Willen getragenes Herrschaftsverhältnis über eine Sache. Wesentlich ist die Sachherrschaft, der unter Ausschluß fremder Einwirkungsmöglichkeiten kein Hindernis entgegenstehen darf (BGHSt 8, 273, 275). Dabei ist die Frage, wer die tatsächliche Herrschaft über eine Sache innehat, nach den Umständen des einzelnen Falles unter Berücksichtigung der Anschauungen des Verkehrs oder des täglichen Lebens zu beantworten (BGHR StGB § 246 Abs. 1 Alleingewahrsam 1 m.w.N.). Danach hat etwa ein Angestellter, der eine Kasse (insbesondere einer Bank, eines Warenhauses oder einer Amtsstelle) zu verwalten und über ihren Inhalt abzurechnen hat, regelmäßig Alleingewahrsam am Kasseninhalt. Der Umstand allein, daß er der Kontrolle und den Weisungen seines Dienstherrn oder Vorgesetzten unterliegt, begründet nicht ohne weiteres dessen Mitgewahrsam (BGHR aaO m.w.N.).

Nach den Feststellungen des Landgerichts zu dem Verfahren der Entnahme von Geldbeträgen in der Bezirksverwaltung Ma. des MfS und deren Abführung an den Staatshaushalt der DDR stehen hier der Annahme, die aufgrund ihrer Anweisungs- und Kontrolltätigkeit in der Führungsebene des MfS für die Entnahme von Zahlungsmitteln aus Briefen Verantwortlichen hätten die tatsächliche Sachherrschaft an den in der Zentrale eingehenden Zahlungsmitteln gehabt oder erlangt, die Anschauungen des Verkehrs und des täglichen Lebens entgegen. Soweit es den Leiter der Abteilung M in der Zentrale und seinen Stellvertreter anbelangt, sind die Mittel nicht einmal in den Bereich dieser Abteilung und damit in seinen unmittelbaren Einflußbereich gelangt.

ee) Nach alledem fehlt es an einer von einem anderen begangenen tatbestandsmäßigen Unterschlagung, zu der die Angeklagten H. und T. Beihilfe geleistet haben könnten. Ihrer Verurteilung stünde zudem auch entgegen, daß ihr Vorsatz, die Selbst-Zueignung der einbehaltenen Zahlungsmittel durch einen anderen zu fördern, nicht festgestellt ist. Mit Blick auf die Einstellung der Angeklagten zu ihrer Tätigkeit und den Aufgaben des MfS erscheint auch die Annahme ausgeschlossen, sie könnten gewußt oder für möglich gehalten haben, daß die Einbehaltung von Zahlungsmitteln nach den Vorstellungen der Angehörigen der politischen Führung in der DDR oder der Leitungsebene der Zentrale des MfS (auch) deren privaten wirtschaftlichen Zwecken diente.

c) Der Senat verkennt nicht, daß es unbefriedigend erscheint, wenn ein Verhalten, das sich - jedenfalls bei Anlegung der Maßstäbe eines Rechtsstaates - als schwerwiegendes Unrecht darstellt, strafrechtlich nicht geahndet werden kann, weil es nicht tatbestandsmäßig ist. Eine solche Strafbarkeitslücke hat die Rechtsprechung aber hinzunehmen.

2. Die Vernichtung der Briefe.

Auch die Verurteilung der Angeklagten wegen Verwahrungsbruchs gemäß § 133 StGB kann nicht Bestand haben.

Die Strafkammer sieht den Verwahrungsbruch darin, daß die Briefe, aus denen Geldmittel entnommen wurden, sich im dienstlichen Gewahrsam der Deutschen Post befunden hätten, als sie vernichtet wurden. Das trifft nicht zu.

Nach den Feststellungen hat ein dienstlicher Gewahrsam der Deutschen Post an den Briefen nicht mehr bestanden, als die Post die Sendungen dem MfS überließ. Das Urteil schildert im einzelnen die Umstände, unter denen die Deutsche Post der für die Übernahme zuständigen "Stelle 12" der Bezirksverwaltung Ma. des MfS täglich den Besitz an den Postsäcken verschaffte, die im Bahnpostamt Ma. aus der Bundesrepublik eingingen. "Die Arbeitsbereiche der 'Stelle 12' waren von denen der Deutschen Post konsequent abgetrennt; sie befanden sich nahe der Postverteilerstelle in Räumen, zu denen ausschließlich Mitarbeiter des MfS Zugang hatten. Den Bediensteten der Post war der Zugang strengstens untersagt. Durch die strikte Trennung der Tätigkeitsbereiche und die Beschränkung aller dienstlichen Kontakte zwischen den Postbediensteten und den Angehörigen des MfS auf Ausnahmefälle hatten die Mitarbeiter der Post keinen Einblick in die Arbeitsabläufe innerhalb 'der Stelle 12'. Sie hatten von ihren Vorgesetzten die mündliche Anweisung, sämtliche Briefsendungen der 'Stelle 12' vorzulegen und deren Anliegen Folge zu leisten" (UA 62). Unter diesen Umständen spricht nichts dafür, daß der Gewahrsam der Deutschen Post gegen den Willen der auf ihrer Seite Verantwortlichen beendet worden wäre oder diese umgekehrt wegen eines verbleibenden Einflusses auf die weitere Behandlung der Briefe noch einen übergeordneten Mitgewahrsam gehabt hätten (vgl. BGH, Urteil vom 15. August 1957 - 4 StR 356/57; v. Bubnoff in LK StGB 10. Aufl. § 133 Rdn. 7).

Mithin muß davon ausgegangen werden, daß die Briefe sich im dienstlichen Gewahrsam des MfS befanden, als sie einbehalten, kontrolliert und vernichtet wurden. Eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Verletzung dieses Gewahrsams kommt nicht in Betracht. Befremdlich wäre schon der Gedanke, § 133 StGB könne auch den dienstlichen Gewahrsam des MfS in der DDR an ihm von anderen staatlichen Stellen der DDR zum Zwecke der Bespitzelung der Bevölkerung zur Verfügung gestellten Sachen schützen. Jedenfalls ist die Vernichtung der Briefe aber mit Willen der für die Entscheidung über den Fortbestand des dienstlichen Gewahrsams zuständigen Stellen des Ministeriums oder seiner Bezirksverwaltung erfolgt, so daß die Tat - unter dem Aspekt des Verwahrungsbruchs - zumindest nicht rechtswidrig ist. Daraus, daß die Angeklagten mit der von ihnen zu verantwortenden Vernichtung der Briefe eine tatbestandsmäßige Sachbeschädigung begangen haben, kann die Rechtswidrigkeit des Verwahrungsbruchs nicht abgeleitet werden.

III. Danach ist das Urteil auch hinsichtlich der Angeklagten H. und T. aufzuheben. Sie sind ebenfalls freizusprechen. Es ist auszuschließen, daß in einer neuen Verhandlung ergänzende Feststellungen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung der Angeklagten wegen Beihilfe zur Unterschlagung trügen.

Eine Ahndung der angeklagten Tat unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 135a StGB-DDR, § 202 StGB) und der Sachbeschädigung (§ 183 StGB-DDR, § 303 StGB) scheidet schon deswegen aus, weil es insofern an Strafanträgen (§§ 205 Abs. 1, 303c StGB) fehlt, die bestimmten Einzelakten der angeklagten fortgesetzten Tat zugeordnet werden könnten; im übrigen hat die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Sachbeschädigung auch nicht das besondere öffentliche Interesse an der Verfolgung erklärt (§ 303c letzter Halbsatz StGB).

Externe Fundstellen: BGHSt 40, 8; NJW 1994, 1228; NStZ 1994, 179; StV 1994, 243

Bearbeiter: Rocco Beck