HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1188
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 92/25, Beschluss v. 02.07.2025, HRRS 2025 Nr. 1188
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 4. Juni 2024
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, mit Handeltreiben mit Cannabis, mit verbotenem Besitz von Cannabis und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis sowie des Besitzes eines verbotenen Gegenstandes in vier tateinheitlichen Fällen (eines Elektroimpulsgerätes, zweier Butterflymesser und eines Schlagringes) schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, mit Besitz von Cannabis „in nicht geringer Menge“, mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis „in nicht geringer Menge“, wegen Handeltreibens mit Cannabis „in nicht geringer Menge“ in Tateinheit mit Besitz von Cannabis „in nicht geringer Menge“ in Tatmehrheit mit „vier tateinheitlich zusammenkommenden Verstößen gegen das Waffengesetz“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten erzielt den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen bewahrte die Angeklagte in einem von ihr genutzten, nicht offiziell ihrer Wohnung zugeordneten Kellerverschlag 2.685,3 g Cannabisblüten mit einer Wirkstoffmenge von 365,2 g THC und 547,3 g Cannabisblüten (88,7 g THC) sowie in der Wohnung der nicht revidierenden Mitangeklagten weitere 512 g Cannabisblüten (78,4 g THC) auf. Das Cannabis stammte aus drei unterschiedlichen, weiterhin getrennt gehaltenen Lieferungen und war für den gewinnbringenden Weiterverkauf auf eigene Rechnung bestimmt. In ihrer eigenen Wohnung lagerte sie zum Eigenkonsum zudem Cannabisharz, Cannabisblüten sowie ein THC-haltiges Gemisch mit Wirkstoffmengen von insgesamt wenigstens 59,06 g THC. Darüber hinaus hatte sie einen Zweitschlüssel sowohl für den Kellerverschlag wie für die Haustür einem unbekannt gebliebenen Dritten überlassen, von dem sie wusste, dass dieser hierin - von ihren eigenen Vorräten getrennt - Kokain und Cannabis zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs einlagerte (insgesamt 689,2 g Kokaingemisch mit einer Wirkstoffmenge von 650,3 g Kokainhydrochlorid sowie 1.717,52 g Cannabisharz mit einer Wirkstoffmenge von 443,38 g THC). Im Schlafzimmer ihrer Wohnung verwahrte sie ferner zwei Butterflymesser mit einer Klingenlänge von jeweils 80 mm, einen schwarzen Schlagring und ein als Lippenstift getarntes Elektroimpulsgerät auf.
1. Die Annahme der Strafkammer, die Angeklagte habe sich durch Vorrätighalten von Cannabisprodukten zum gewinnbringenden Weiterverkauf auf eigene Rechnung und zum Eigenverbrauch sowie durch die Bereitstellung eines Lagerraums für die Lagerung von Kokain und Cannabis zum gewinnbringenden Verkauf durch einen Dritten zweier zueinander in Tatmehrheit stehender Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bzw. gegen das Konsumcannabisgesetz strafbar gemacht, hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Im Betäubungsmittelstrafrecht wie auch im Cannabisstrafrecht verwirklicht der gleichzeitige Besitz verschiedenartiger Rauschmittel den Tatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln bzw. des verbotenen Besitzes von Cannabis - auch bei getrennt gehaltenen Mengen - nur einmal. Es liegt materiellrechtlich keine gleichartige Tateinheit, sondern eine einzige Besitzstraftat vor (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2025 - GSSt 1/24 Rn. 17 mwN; Urteil vom 1. August 1978 - 1 StR 173/78, juris Rn. 5). Gegenüber dem täterschaftlich begangenen Handeltreiben in nicht geringer Menge tritt der Besitz in nicht geringer Menge zwar trotz identischen Strafrahmens zurück (gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 und 4 BtMG jeweils Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG i.V.m. § 34 Abs. 1 Nr. 1 und 4 KCanG jeweils Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren), da das täterschaftliche Handeltreiben einen höheren Unrechtsgehalt aufweist als der täterschaftliche Besitz. Leistet der Täter jedoch zugleich Beihilfe zum Handeltreiben in nicht geringer Menge, behält der Besitz in nicht geringer Menge seinen Unrechtsgehalt und verklammert die an sich selbständige Beihilfetat mit einer weiteren Tat des täterschaftlichen Handeltreibens in nicht geringer Menge zur Tateinheit; insoweit bleibt die Klammerwirkung einer Dauerstraftat bestehen, wenn nur eines der betroffenen anderen Delikte schwerer als dasjenige ist, das die Verbindung begründet (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2021 - 2 StR 187/21 Rn. 4). Erst recht verklammert der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge die übrigen Delikte, wenn er - wie hier, mit einer Strafandrohung von Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 4 BtMG) - die schwerste Tat darstellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2017 - 4 StR 580/16 Rn. 7; zum Verhältnis von Taten nach dem BtMG und dem KCanG vgl. ferner BGH, Beschluss vom 14. Januar 2025 - 2 StR 523/24 Rn. 11; jeweils mwN).
b) Darüber hinaus hat der Schuldspruch in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe auch insoweit keinen Bestand, als sowohl das Handeltreiben mit Cannabis wie auch dessen Besitz lediglich Regelbeispiele für einen besonders schweren Fall darstellen, wenn sich die Tat auf eine nicht geringe Menge bezieht (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), was im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2025 - 4 StR 351/24 Rn. 3). Hingegen war im Fall II. 3. der Urteilsgründe der Verstoß gegen das Waffengesetz näher zu bezeichnen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 1993 - 4 StR 436/93, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 13. März 2024 - 5 StR 393/23 Rn. 3 mwN). In beiden Fällen sieht der Senat gemäß § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO davon ab, die jeweils bestehende gleichartige Tateinheit im Tenor zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2022 - 4 StR 153/22 Rn. 3).
c) § 265 Abs. 1 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, da sich die geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
2. Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung des Strafausspruchs in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe nach sich und in der Folge die der Gesamtstrafe. Die jeweiligen Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1188
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede