hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1178

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 65/25, Beschluss v. 18.06.2025, HRRS 2025 Nr. 1178


BGH 4 StR 65/25 - Beschluss vom 18. Juni 2025 (LG Dortmund)

Mord (gemeingefährliche Mittel: Abgrenzung zur „schlichten“ Mehrfachtötung, kein Beruhen); Rücktritt (fehlende Feststellungen zum Rücktrittshorizont).

§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB; § 211 Abs. 2 Var. 7 StGB; § 337 Abs. 1 StPO

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 9. August 2024 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes in 49 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung lässt einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht erkennen. Zwar erörtert die Strafkammer nicht, ob es sich bei der Tat des Angeklagten statt um die von ihr jeweils angenommene versuchte Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln um den Versuch einer „schlichten“ Mehrfachtötung handelt. Letztere wird vom Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel nicht erfasst und liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der Täter mit Tötungsabsicht gegen eine Mehrzahl von ihm individualisierter Opfer richtet und darüber hinaus keine Zufallsopfer in Kauf nimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2022 - 4 StR 192/22 Rn. 8 mwN). Den Feststellungen - die sich darauf beschränken, dass der Angeklagte den Tod (aller, aber auch nur) der anwesenden Bewohner des siebengeschossigen Wohnhauses billigend in Kauf nahm - ist eine solche Individualisierung indes zu entnehmen. Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil aber nicht. Zwar hält die Strafkammer dem Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung die jeweilige Verwirklichung zweier Mordmerkmale entgegen. Neben dem rechtsfehlerfrei festgestellten Mordmerkmal der Heimtücke ergeben die Feststellungen aber ebenso eindeutig, dass der Angeklagte aus niedrigen Beweggründen handelte (§ 211 Abs. 2, 1. Gruppe, letzte Variante StGB), indem er mitten in der Nacht - kurz nach 01:10 Uhr - allein deshalb einen Brand im Keller des siebengeschossigen Wohnhauses legte, um seine Frustration über eine ihm gegenüber wenige Stunden zuvor ausgesprochene fristlose Kündigung seines Arbeitsplatzes abzureagieren.

Soweit das Urteil keine Feststellungen zum Rücktrittshorizont des Angeklagten im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB enthält, führt auch dies nicht zur Aufhebung des Urteils. Denn den Urteilsgründen lässt sich jedenfalls nach ihrem Gesamtzusammenhang noch hinlänglich entnehmen, dass der Angeklagte - der den Raum der Brandlegung verließ, als nach einigen Minuten bereits eine größere Anzahl von Gegenständen brannte und sich eine nicht unerhebliche Rauchentwicklung eingestellt hatte - nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung den Erfolgseintritt für möglich hielt. Auf dieser Grundlage schied ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB aus (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 18. Januar 2024 - 4 StR 289/23 Rn. 16 mwN).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1178

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede