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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1127

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 33/23, Beschluss v. 05.07.2023, HRRS 2023 Nr. 1127


BGH 4 StR 33/23 - Beschluss vom 5. Juli 2023 (LG Hagen)

Unerlaubter Waffenbesitz (Repetiergewehr: Umgang mit dem Gewehr, Erlaubnispflicht, Berechtigung zum Besitz); Ausüben der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe (Unbrauchbarmachung: technischen Veränderungen, Art der Kriegswaffe, Maschinengewehre, Veränderung des Verschlusses und Patronenlagers).

§ 51 WaffG; § 52 WaffG; § 2 WaffG; § 25c AWaffV; § 22a Abs. 1 Nr. 6 a) KrWaffKontrG; § 13a Satz 2 KrWaffKontrG

Leitsatz des Bearbeiters

Unbrauchbar gemacht ist eine Kriegswaffe nach § 13a Satz 2 KrWaffKontrG dann, wenn sie durch technische Veränderungen endgültig die Fähigkeit zum bestimmungsgemäßen Einsatz verloren hat und nicht mit allgemein gebräuchlichen Werkzeugen wieder funktionsfähig gemacht werden kann. Dabei richten sich die für die Unbrauchbarmachung erforderlichen technischen Veränderungen gemäß § 13a Satz 3 KrWaffKontrG i.V.m. § 2 der Verordnung über die Unbrauchbarmachung von Kriegswaffen und über den Umgang mit unbrauchbar gemachten Kriegswaffen nach der Art der Kriegswaffe. Nach der weiter heranzuziehenden Richtlinie des Bundeswirtschaftsministeriums vom 21. April 1999 (Geschäftszeichen V B 3 - 10 17 03) verlieren Maschinengewehre der Nr. 29 a) der Kriegswaffenliste ihre Eigenschaft als Kriegswaffe nur dann, wenn unter anderem Verschluss und Patronenlager wie dort vorgesehen verändert sind.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 12. Oktober 2022 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte statt des - tateinheitlich begangenen - vorsätzlichen Besitzes von in § 2 Abs. 3 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1 genannten zwei Schusswaffen (letzter Punkt des Schuldspruchs, Fälle II.2.f) der Urteilsgründe) des - tateinheitlich begangenen - vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Ausüben der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe schuldig ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Herstellen[s] von und Überlassen[s] der tatsächlichen Gewalt über zwei Kriegswaffen an einen anderen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 1 KrWaffKontrG, wobei er gewerblich handelte“, in Tateinheit mit „Überlassen der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe an einen anderen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 1 KrWaffKontrG, wobei er gewerblich handelte, vorsätzliche[m] Besitz von fünf halbautomatischen Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1 ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1, Besitz von Munition ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1“ und mit „vorsätzliche[m] Besitz von in § 2 Abs. 3 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1 genannten zwei Schusswaffen“ zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zu einer Schuldspruchänderung. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verfahrensbeanstandung ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts jedenfalls unbegründet. Ergänzend bemerkt der Senat, dass der Rüge der Erfolg auch insoweit versagt bleibt, als mit ihr geltend gemacht wird, dass die Verhandlungsdolmetscherin nicht ordnungsgemäß als Sachverständige belehrt worden sei. Ein Verstoß gegen § 72, § 57 StPO begründet die Revision nicht, weil § 57 StPO nur eine Ordnungsvorschrift ist, die allein dem Schutz des Zeugen beziehungsweise des Sachverständigen, nicht den Belangen des Angeklagten dient (BGH, Urteil vom 7. Juli 1997 - 5 StR 17/97, NStZ 1998, 158, 159).

2. Der Schuldspruch hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht vollständig stand. Das Landgericht hat im Hinblick auf die am 9. Dezember 2021 in der Wohnung des Angeklagten gefundenen Waffen (Repetiergewehr „Gewehr 88“ des Herstellers Loewe und Maschinengewehr „MG 15“ des Herstellers Rheinmetall) unzutreffend jeweils eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 51 Abs. 1 WaffG („vorsätzlicher Besitz von in § 2 Abs. 3 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1 genannten zwei Schusswaffen“) angenommen.

a) Wie das Landgericht ausweislich der Urteilsgründe selbst erkannt hat, gehört das Gewehr des Herstellers Loewe nicht zu den von § 51 Abs. 1 WaffG erfassten Schusswaffen, denn es ist als Repetiergewehr weder ein Vollautomat im Sinne der Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.1 noch ist festgestellt, dass es sich um eine Vorderschaftrepetierflinte mit den in der Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.2 genannten Eigenschaften handelt. Der Angeklagte hat nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen insoweit aber den Tatbestand des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2 a) Var. 2 WaffG verwirklicht.

aa) Der Umgang mit dem Gewehr - einer Repetierwaffe im Sinne der Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 2.3 zum WaffG - unterliegt gemäß § 2 Abs. 2 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 der Erlaubnispflicht. Eine Strafbarkeit nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 a) oder b) WaffG, die gegenüber den Tatbeständen des § 52 Abs. 3 Nr. 2 WaffG vorrangig wäre (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 WaffG aE), scheidet aus, da weder ein Erwerb des Gewehrs durch den Angeklagten zum Zwecke der Überlassung an einen Nichtberechtigten festgestellt ist noch es sich um eine halbautomatische Kurzwaffe handelt.

bb) Der Besitz war auch nicht ausnahmsweise gemäß § 2 Abs. 4 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 Nr. 2b. erlaubnisfrei. Denn das Gewehr war zwar aufgrund einer technischen Veränderung schussunfähig, aber keine im Sinne der Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.4 unbrauchbar gemachte Schusswaffe (Dekorationswaffe). Dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, dass die vorausgesetzte behördliche Bescheinigung nicht ausgestellt war und die überdies erforderliche Kennzeichnung des Gewehrs fehlte. Zudem waren auch die materiellen Anforderungen an eine Unbrauchbarmachung, wie sie sich aus der Durchführungsverordnung (EU) 2018/337 (Anhang 1, Tabelle III, Nr. 5.6 - 5.8) ergeben, nicht gegeben, da - wie im Urteil ausdrücklich festgestellt ist - jedenfalls der Verschluss nicht in der vorgeschriebenen Weise bearbeitet war.

cc) Dem Angeklagten stand ferner keine nach § 25c Abs. 1 Satz 1 AWaffV fortbestehende Berechtigung zum Besitz zu. Die Urteilsgründe verhalten sich zwar nicht dazu, ob das Gewehr bereits vor einem der in § 25c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 3 AWaffV genannten Zeitpunkte unbrauchbar gemacht worden war. Dies kann indes auch dahinstehen, denn die Anforderungen an eine Unbrauchbarmachung wären nach keiner der von § 25c Abs. 1 AWaffV in Bezug genommenen Vorschriften erfüllt. Sowohl § 7 der Ersten Verordnung zum Waffengesetz vom 24. Mai 1976 als auch Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.4 zum WaffG i.d.F. des Gesetzes vom 11. Oktober 2002 und die Durchführungsverordnung (EU) 2015/2403 setzten voraus, dass - anders als hier festgestellt - der Verschluss bearbeitet und dauerhaft funktionsunfähig gemacht wird.

b) Auf das Maschinengewehr des Herstellers Rheinmetall als Kriegswaffe i.S.v. § 1 Abs. 1 KrWaffKontrG i.V.m. Nr. 29 a) der Kriegswaffenliste ist das Waffengesetz nicht anwendbar (§ 57 Abs. 1 WaffG). Der Senat kann aber den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen entnehmen, dass der Angeklagte den Tatbestand des § 22a Abs. 1 Nr. 6 a) KrWaffKontrG - Ausüben der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe - erfüllt hat.

aa) Insbesondere war das Maschinengewehr durch die an ihm vorgenommenen technischen Veränderungen nicht i.S.d. § 13a Satz 2 KrWaffKontrG unbrauchbar gemacht worden und hatte daher seine Eigenschaft als Kriegswaffe nicht verloren. Unbrauchbar gemacht ist eine Kriegswaffe nach dieser Vorschrift dann, wenn sie durch technische Veränderungen endgültig die Fähigkeit zum bestimmungsgemäßen Einsatz verloren hat und nicht mit allgemein gebräuchlichen Werkzeugen wieder funktionsfähig gemacht werden kann. Dabei richten sich die für die Unbrauchbarmachung erforderlichen technischen Veränderungen gemäß § 13a Satz 3 KrWaffKontrG i.V.m. § 2 der Verordnung über die Unbrauchbarmachung von Kriegswaffen und über den Umgang mit unbrauchbar gemachten Kriegswaffen nach der Art der Kriegswaffe. Nach der weiter heranzuziehenden Richtlinie des Bundeswirtschaftsministeriums vom 21. April 1999 (Geschäftszeichen V B 3 - 10 17 03) (vgl. Lampe/Lutz in Erbs/Kohlhaas, 245. EL Februar 2023, § 1 KrWaffUnbrUmgV Rn. 2) verlieren Maschinengewehre der Nr. 29 a) der Kriegswaffenliste ihre Eigenschaft als Kriegswaffe nur dann, wenn unter anderem Verschluss und Patronenlager wie dort vorgesehen verändert sind. Diese Voraussetzungen sind nach den Urteilsfeststellungen nicht erfüllt, da der Drehverschluss und das Patronenlager unverändert waren.

bb) Im Übrigen stellt der unveränderte Verschluss des Maschinengewehrs auch für sich genommen eine Kriegswaffe gemäß § 1 Abs. 1 KrWaffKontrG i.V.m. Nr. 35 der Kriegswaffenliste dar.

c) Der Senat ändert den Schuldspruch demgemäß jeweils entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der insoweit geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

d) Der Strafausspruch bleibt unberührt. Der Senat schließt mit Blick auf die Vielzahl der Rechtsverstöße des Angeklagten aus, dass das Landgericht bei zutreffender Fassung des Schuldspruchs eine geringere Strafe verhängt hätte, zumal die Schuldspruchänderung lediglich hinsichtlich des Gewehrs „Loewe“ zu einer milderen rechtlichen Bewertung der Tat (Vergehenstatbestand des § 52 Abs. 3 WaffG statt Verbrechenstatbestand des § 51 Abs. 1 WaffG) führt.

3. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen Auslagen gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise zu entlasten.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1127

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede