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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 454

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 480/21, Beschluss v. 01.03.2022, HRRS 2022 Nr. 454


BGH 4 StR 480/21 - Beschluss vom 1. März 2022 (LG Gießen)

Strafzumessung (minder schwerer Fall des Totschlags: Strafmilderungsgründe, Versuch).

§ 46 StGB; § 213 StGB; § 23 Abs. 2 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 18. Juni 2021 im Strafausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

2. Der Strafausspruch hat hingegen keinen Bestand. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft eine Strafrahmenmilderung nach § 213 Alt. 2 StGB nicht geprüft. Unter den gegebenen Umständen hätte die Strafkammer aber erörtern müssen, ob nicht jedenfalls unter Berücksichtigung der im Rahmen der konkreten Strafzumessung zugunsten des Angeklagten angeführten Strafmilderungsgründe in Verbindung mit dem vertypten Strafmilderungsgrund des § 23 Abs. 2 StGB die Voraussetzungen eines sonst minder schweren Falles des Totschlags vorlagen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. September 2021 - 4 StR 21/21 Rn. 15 und vom 23. Mai 2016 - 4 StR 140/16 Rn. 9; zur Prüfungsreihenfolge BGH, Beschlüsse vom 10. August 2021 - 1 StR 250/21 Rn. 4 und vom 26. Oktober 2011 - 2 StR 218/11 Rn. 3 mwN).

Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich der niedrigere Strafrahmen des § 213 StGB bei der Strafbemessung zum Vorteil des Angeklagten ausgewirkt hätte. Die zugehörigen Feststellungen werden durch den Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, sofern diese den bisherigen nicht widersprechen.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 454

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß