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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 997

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 156/20, Beschluss v. 29.07.2021, HRRS 2021 Nr. 997


BGH 4 StR 156/20 - Beschluss vom 29. Juli 2021 (LG Bielefeld)

Betrug (mangelnder Abschluss eines Kaufvertrages; Bereicherungsabsicht: bloßer bedingter Vorsatz); Einziehung (Kenntniszurechnung; gesamtschuldnerische Haftung).

§ 263 StGB; §§ 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b), 73c Satz 1 StGB; § 73e Abs. 2 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 6. März 2019, soweit es den Angeklagten betrifft,

a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

aa) soweit der Angeklagte im Fall II. 1. a) der Urteilsgründe verurteilt worden ist, und

bb) im Gesamtstrafenausspruch,

b) im Einziehungsausspruch dahin geändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 218.000 € gegen den Angeklagten in Höhe von 112.506 € als Gesamtschuldner neben der Einziehungsbeteiligten B. und in Höhe von 67.200 € als Gesamtschuldner neben der Einziehungsbeteiligten S. angeordnet wird.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Betrug, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Darüber hinaus hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen und eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt.

Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensbeanstandungen und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Die Verfahrensbeschwerden, mit denen der Angeklagte die fehlerhafte Behandlung eines gegen einen Sachverständigen angebrachten Befangenheitsgesuchs und die Beeinträchtigung seiner Verteidigungsmöglichkeiten durch eine in einem anderweitigen Ermittlungsverfahren erfolgte Beschlagnahme von Verteidigungsunterlagen beanstandet, bleiben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 10. Dezember 2020 dargelegten Gründen ohne Erfolg. Die Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, das Landgericht habe durch die unterbliebene Vernehmung eines ehemaligen Mitangeklagten als Zeugen gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht verstoßen, ist schon nicht zulässig erhoben, weil die Revision nicht bestimmt behauptet, dass die Strafkammer vor Abschluss der Hauptverhandlung davon Kenntnis erlangte, dass das dem Zeugen zustehende Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO infolge vollständiger Zahlung der ihm nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO aufgegebenen Geldauflage erloschen war.

II.

Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit versuchtem Betrug im Fall II. 1. a) der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

1. Das Landgericht hat zu dem Fall II. 1. a) der Urteilsgründe folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Ende des Jahres 2012 erwarb der Angeklagte einen unfallbeschädigten Porsche Carrera GT 980, den er in der Folgezeit reparieren ließ. Dabei wurden die Reparaturarbeiten ? wie dem Angeklagten jedenfalls teilweise bewusst war ? nicht in jeder Hinsicht fachgerecht ausgeführt. Nachdem der Angeklagte das Fahrzeug, das infolge der mangelhaft durchgeführten Reparatur einen Wert von maximal 150.000 € besaß, im Internet als Privatverkauf für 299.500 € angeboten hatte, meldete sich der Zeuge W. für die Firma L. (im Folgenden Firma L.) als Kaufinteressent und führte am 10. Dezember 2014 telefonisch Kaufverhandlungen mit dem Verkaufsleiter des Angeklagten. Der Verkaufsleiter einigte sich mit dem Zeugen W. schließlich darauf, dass die Firma L. das Fahrzeug zu dem inserierten Preis von 299.500 € erhalten sollte. Der Zeuge W. war sich darüber im Klaren, dass der Verkauf „im Kundenauftrag“, mithin für einen ihm nicht bekannten Dritten erfolgen sollte.

Der Angeklagte hatte unterdessen aufgrund der großen Nachfrage erkannt, dass sich für das Fahrzeug auch bei einem weitaus höheren Preis noch kaufwillige Interessenten finden würden. Als der Verkaufsleiter ihm berichtete, dass er dem Zeugen W. das Fahrzeug zugesagt habe und ihm einen schriftlichen Kaufvertrag übersenden wolle, unterband der Angeklagte dies und bot das Fahrzeug stattdessen im Internet nunmehr für 379.000 € an. Nachdem der Verkaufsleiter auf Weisung des Angeklagten auch vom Zeugen W. den höheren Preis verlangt hatte, schaltete die Firma L. einen Rechtsanwalt ein, der mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen drohte. Der Angeklagte, der insbesondere über das Schadensersatzverlangen sehr verärgert war, entwickelte daraufhin den Plan, den Zeugen W. (bzw. die Firma L.) durch Einschaltung eines Strohmanns als angeblich verkaufs- und erfüllungsbereitem Eigentümer des Fahrzeugs von der Geltendmachung von Ansprüchen gegen ihn oder seine Gesellschaft abzuhalten und den Zeugen möglichst zugleich um den Kaufpreis zu bringen. Dass es tatsächlich zur Zahlung des Kaufpreises kommen könnte, hielt der Angeklagte für wenig wahrscheinlich, aber durchaus für möglich.

Der Angeklagte und der als Strohmann auftretende Bekannte ? ein erwerbsloser, von staatlichen Leistungen lebender Drogenkonsument ? setzten absprachegemäß einen auf den Strohmann als Verkäufer lautenden Kaufvertrag auf, den sie am 14. Dezember 2014 per Telefax an die Firma L. übersandten. Der Zeuge W., der davon ausging, dass es sich bei dem Strohmann um den bei den bisherigen Verhandlungen noch nicht namentlich genannten Eigentümer und Verkäufer des Fahrzeugs handelte, der willens und in der Lage sei, den Vertrag zu erfüllen, unterschrieb seinerseits die Vertragsurkunde namens der Firma L. und sandte sie zurück. Am 16. Dezember 2014 versuchte der Zeuge W. vergeblich, das Fahrzeug, das der Angeklagte zuvor bereits für 378.000 € an einen anderen Interessenten verkauft hatte, beim Angeklagten abzuholen. Dessen ungeachtet überwies die Firma L. aufgrund eines Kommunikationsversehens den vereinbarten Kaufpreis von 299.500 € auf ein Pfändungsschutzkonto des Strohmanns. Da der Zeuge W. den Strohmann für den Vertragspartner hielt, nahm die Firma L. in der Folge den Angeklagten bzw. seine Gesellschaft nicht weiter in Anspruch. Da es dem Strohmann in der Folgezeit nicht gelang, über das Geld auf seinem Konto zu verfügen, wurde der Kaufpreis abzüglich eines von einer Pfändung erfassten Teilbetrags schließlich an die Firma L. zurücküberwiesen.

b) Die Strafkammer hat diesen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dahin gewürdigt, dass der Angeklagte, indem er den für die Firma L. handelnden Zeugen W. über die Person des tatsächlichen Vertragspartners täuschte und dadurch die Verantwortlichen der Firma L. veranlasste, aufgrund eines entsprechenden Irrtums von der Geltendmachung vertraglicher Ansprüche auf Leistung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung gegen den Angeklagten oder seine Gesellschaft abzusehen, einen vollendeten Betrug gemäß § 263 Abs. 1 StGB begangen habe. Zugleich habe der Angeklagte sich wegen versuchten Betruges strafbar gemacht, weil er ? mit dem Ziel, die Firma L. möglichst um den Kaufpreis zu bringen ? durch dieselbe Täuschung bei dem Zeugen W. wahrheitswidrig den Eindruck erweckte, der Strohmann sei der wahre Verkäufer und gegen Zahlung des Kaufpreises von 299.500 € willens und in der Lage, das Fahrzeug zu liefern. Der Betrug sei in Ansehung der nur aufgrund eines Kommunikationsversehens erfolgten Überweisung des Kaufpreises durch die Firma L. nicht vollendet.

2. Diese rechtliche Bewertung des Landgerichts hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Ein von der Strafkammer angenommener Betrug durch bewusste Verschleierung tatsächlich gegebener vertraglicher Ansprüche der Firma L. gegenüber dem Angeklagten setzt in tatsächlicher Hinsicht voraus, dass bei den zwischen dem Verkaufsleiter und dem Zeugen W. am 10. Dezember 2014 telefonisch geführten Verkaufsgesprächen bereits ein mündlich vereinbarter wirksamer Kaufvertrag über das Fahrzeug zwischen der Firma L. und dem Angeklagten geschlossen wurde. Dies lässt sich den Gründen des angefochtenen Urteils indes mit hinreichender Sicherheit nicht entnehmen. Die Feststellungen, wonach zwischen den Gesprächspartnern Einigung darüber erzielt wurde, dass die Firma L. das Fahrzeug zu dem geforderten Preis erhalten sollte, ist zu der Frage eines verbindlichen Vertragsschlusses nicht eindeutig. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat das Landgericht lediglich ausgeführt, dass nach seiner Auffassung bei dem Telefonat ein bindender Kaufvertrag zwischen der Firma L. und dem Angeklagten zustande gekommen sei. Eine nähere Begründung für diese Wertung lassen die Urteilsgründe aber in Gänze vermissen.

b) Auch ein auf die Erlangung der Kaufpreiszahlung von der Firma L. gerichteter (versuchter) Betrug wird von den Gründen des angefochtenen Urteils nicht getragen, weil die für eine Strafbarkeit nach § 263 Abs. 1 StGB subjektiv erforderliche Bereicherungsabsicht nicht belegt ist. Zwar kann den Feststellungen jedenfalls in ihrem Gesamtzusammenhang entnommen werden, dass es dem Angeklagten bei der Täuschung über die Identität des Verkäufers auch darauf ankam, möglichst den Kaufpreis zu erhalten. Diese Feststellung einer Bereicherungsabsicht des Angeklagten wird vom Landgericht im Rahmen seiner Darlegungen zur Beweiswürdigung aber nicht tragfähig begründet. Die Strafkammer ist aufgrund des Inhalts mehrerer überwachter Telefongespräche im Einklang mit der Einlassung des Angeklagten davon ausgegangen, dass der Angeklagte von Anfang an die Möglichkeit einer Zahlung der Firma L. erkannte und billigte. Ihre zur subjektiven Tatseite gewonnene Überzeugung hat sie in den Urteilsgründen dahin zusammengefasst, dass der Angeklagte, dem es zunächst vor allem darum gegangen sei, die Firma L. von der Durchsetzung vertraglicher Ansprüche abzuhalten, sehr schnell erkannt habe, dass der Einsatz eines vorgeschobenen Verkäufers das Potenzial habe, zusätzlich den Kaufpreis zu erhalten, was der Angeklagte aus Verärgerung und mit dem Ziel der Bestrafung des Zeugen W. für dessen Drohung mit Schadensersatzansprüchen auch gebilligt habe. Bei der Übersendung des auf den Strohmann lautenden Kaufvertrages habe der Angeklagte also billigend in Kauf genommen, dass die Firma L. ohne Aussicht auf Erhalt der Gegenleistung den Kaufpreis zahlen könnte. Mit diesen Ausführungen wird lediglich ein bedingter Vorsatz des Angeklagten, nicht aber eine auf die Erlangung des Kaufpreises gerichtete Absicht im Sinne eines zielgerichteten Willens (vgl. Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 249) dargetan.

III.

Das Rechtsmittel führt ferner zu einer Änderung des Einziehungsausspruchs hinsichtlich des Umfangs der gesamtschuldnerischen Haftung des Angeklagten.

Das Landgericht hat ? wie es selbst bei der Abfassung des schriftlichen Urteils bemerkt hat ? bei seiner die Tat II. 1. b) der Urteilsgründe betreffenden Einziehungsentscheidung übersehen, dass der Angeklagte von der aus dem täuschungsbedingt abgeschlossenen Kaufvertrag erlangten Kaufpreissumme von 377.000 €, die von der Geschädigten auf ein der faktischen Verfügungsmacht des Angeklagten unterliegendes Konto der Einziehungsbeteiligten B. überwiesen worden war, in der Folgezeit nicht nur einen Betrag in Höhe von 17.200 €, sondern noch einen weiteren Betrag von 50.000 € an die von ihm als Geschäftsführer vertretene S. überwies. Da sich die S. die Kenntnis ihres Geschäftsführers über die Herkunft der überwiesenen Gelder zurechnen lassen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 2018 ? 4 StR 639/17 Rn. 3), liegen gegenüber der drittbegünstigten Einziehungsbeteiligten die Voraussetzungen für eine Einziehung nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b), § 73c Satz 1 StGB auch hinsichtlich der weiteren Überweisung von 50.000 € vor, ohne dass es auf die Frage einer Entreicherung der Drittbegünstigten ankommt (§ 73e Abs. 2 StGB). Dies hat zur Folge, dass der Angeklagte in Höhe eines Einziehungsbetrages von insgesamt 67.200 € neben der Einziehungsbeteiligten S. als Gesamtschuldner haftet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 2018 ? 4 StR 639/17 Rn. 3; vom 24. Juni 2020 ? 3 StR 100/20 Rn. 2). Die Änderung der Einziehungsentscheidung zugunsten des Angeklagten kann der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst vornehmen.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 997

Externe Fundstellen: NStZ 2022, 46

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß