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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 460

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 630/19, Beschluss v. 30.01.2020, HRRS 2020 Nr. 460


BGH 4 StR 630/19 - Beschluss vom 30. Januar 2020 (LG Münster)

Grundsätze der Strafzumessung (Falschbelastung eines Dritten).

§ 46 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es einem eine Straftat leugnenden Angeklagten unbenommen, sich damit zu verteidigen, dass er anderen die Schuld an der Tat zuschiebt; auch dann, wenn sich diese Anschuldigungen als haltlos erwiesen, darf eine belastende Zurechnung grundsätzlich nicht erfolgen. Die Grenze ist erst erreicht, wenn das Leugnen, Verharmlosen oder die Belastung des Opfers oder eines Dritten sich als Ausdruck besonders verwerflicher Einstellung des Täters darstellt, etwa weil die Falschbelastung mit einer Verleumdung oder Herabwürdigung oder der Verdächtigung einer besonders verwerflichen Handlung einhergeht.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster (Westf.) vom 10. Juli 2019 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Zwar ist die Strafzumessungserwägung, „auch sein Nachtatverhalten unter wahrheitswidriger Beschuldigung des Nebenklägers mit der voraussehbaren und hier auch eingetretenen Folge, dass dieser strafrechtlich verfolgt und sogar polizeilich festgenommen wurde“, spreche „gegen den Angeklagten“ (UA S. 36), im Hinblick auf die Einhaltung der Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens ohne nähere Begründung rechtlich bedenklich. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es einem eine Straftat leugnenden Angeklagten unbenommen, sich damit zu verteidigen, dass er anderen die Schuld an der Tat zuschiebt; auch dann, wenn sich diese Anschuldigungen als haltlos erwiesen, darf eine belastende Zurechnung grundsätzlich nicht erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2007 ? 4 StR 60/07, NStZ 2007, 463; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 46 Rn. 53). Die Grenze ist erst erreicht, wenn das Leugnen, Verharmlosen oder die Belastung des Opfers oder eines Dritten sich als Ausdruck besonders verwerflicher Einstellung des Täters darstellt, etwa weil die Falschbelastung mit einer Verleumdung oder Herabwürdigung oder der Verdächtigung einer besonders verwerflichen Handlung einhergeht (BGH, Urteil vom 16. September 1992 ? 2 StR 277/92, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 4; BGH, Beschluss vom 5. April 2011 ? 3 StR 12/11, StV 2011, 482; Beschluss vom 21. August 2014 ? 1 StR 320/14, NStZ-RR 2015, 9; Beschluss vom 24. Oktober 2019 ? 4 StR 200/19, NStZ-RR 2020, 15) oder der Täter einen anderen zu einer Falschaussage anstiftet oder verleitet (BGH, Urteil vom 13. Januar 1993 ? 3 StR 491/92, StV 1994, 125; Schäfer/ Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rn. 676). Im Hinblick auf eine derartige Verstrickung eines anderen in strafbares Verhalten ist den Urteilsgründen aber eine Überschreitung der Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens zu entnehmen. Es wird zutreffend festgestellt und zureichend belegt, dass der Angeklagte die Zeugin F. zur Begehung einer falschen Verdächtigung zum Nachteil des Nebenklägers bestimmt hat. Da dieser rechtlich unbedenkliche Aspekt von dem offen formulierten „Nachtatverhalten“ umfasst ist, erweist sich die missverständliche Erwägung jedenfalls nicht als durchgreifend rechtsfehlerhaft.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 460

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner