hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 703

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 203/19, Beschluss v. 08.05.2019, HRRS 2019 Nr. 703


BGH 4 StR 203/19 - Beschluss vom 8. Mai 2019 (LG Bielefeld)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Verwirklichung der qualifizierenden Umstände bei Teilakt des Handelstreibens, der sich auf eine geringe Menge Betäubungsmittel bezieht).

§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG

Leitsatz des Bearbeiters

Für eine Strafbarkeit nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist nicht erforderlich, dass sich der Teilakt des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, bei dem der Täter die qualifizierenden Umstände verwirklicht, selbst unmittelbar auf eine nicht geringe Menge an Betäubungsmitteln bezieht. Auch der Umgang mit einer geringen Menge von Betäubungsmitteln unter Mitsichführen einer Schusswaffe oder eines sonstigen zur Verletzung von Personen geeigneten und bestimmten Gegenstandes reicht, sofern es sich um den Teilakt eines Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge handelt, zur Tatbestandserfüllung aus.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 30. November 2018 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen schuldig ist.

2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Teilfreispruch entfällt.

3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittel.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall des Teilfreispruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte im Zeitraum von Mai 2017 bis zum 17. Mai 2018 Handel mit Marihuana, Amphetamin und Ecstasy. In mindestens zehn Fällen kaufte der Angeklagte jeweils 200 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 9 % THC, die - von einem nicht ausschließbaren Eigenkonsumanteil von 10 % abgesehen - zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmt waren. Darüber hinaus erwarb er jeweils zum Zweck des gewinnbringenden Verkaufs im April 2018 500 Ecstasy-Tabletten und bei drei gesonderten Gelegenheiten einmal 350 Gramm und zweimal 400 Gramm Amphetaminzubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils 5 % Amphetaminbase.

Zum Zeitpunkt der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am 17. Mai 2018 befanden sich im Schlafzimmer und in der Küche neben restlichen 169,3 Gramm Ecstasy-Tabletten mit einem Wirkstoffgehalt von 69,7 Gramm MDMA-Base insgesamt vier verschiedene Marihuanamengen zwischen 20,3 und 128 Gramm sowie zwei unterschiedliche Amphetaminmengen mit 105,4 und 304,8 Gramm Amphetaminzubereitung. Bei den Marihuana- und Amphetaminmengen handelte es sich ebenfalls um Reste aus den festgestellten, vom Angeklagten zum Zwecke der Weiterveräußerung getätigten Ankäufen, wobei die jeweiligen Reste nicht ausschließbar aus verschiedenen Erwerbsvorgängen stammten. Darüber hinaus wurde im Schlafzimmer, von dem aus mittels einer Videoüberwachungsanlage die Küche und der Hauseingangsbereich beobachtet werden konnte, auf der Fensterbank neben dem Bett des Angeklagten eine mit Reizgas-Kartuschenmunition geladene Schreckschusspistole aufgefunden, bei welcher der Explosionsdruck konstruktionsbedingt durch den Lauf nach vorne austritt. Bei der durchgeladenen Pistole war der Schlaghahn vorgespannt. In der Küche lag griffbereit auf der Arbeitsfläche ein als Taschenlampe getarnter funktionsfähiger Elektroschocker. Die Pistole und den Elektroschocker hatte der Angeklagte jedenfalls am Tag der Durchsuchung bewusst so gelagert, um zur Sicherung der Betäubungsmittel innerhalb der Wohnung jederzeit auf sie zugreifen zu können.

II.

1. Die rechtliche Würdigung der Strafkammer hält nur teilweise einer rechtlichen Prüfung stand. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sieben tateinheitlichen Fällen sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen schuldig gemacht.

a) Das Landgericht ist im rechtlichen Ansatz zwar zutreffend davon ausgegangen, dass es in Fällen, in denen sich die Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus mehreren Einzelakten zusammensetzt, für die Verwirklichung des Tatbestands des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ausreicht, wenn die Schusswaffe oder der zur Verletzung von Personen geeignete und bestimmte Gegenstand nur bei einem Teilakt der Tat mit sich geführt wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 10; vom 12. Januar 2017 - 1 StR 394/16, NStZ 2017, 714, 715). Es hat dementsprechend jedenfalls für die drei Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, aus denen bei der Durchsuchung am 17. Mai 2018 noch Restmengen der Betäubungsmittel vorhanden waren, die für sich betrachtet die Grenze zur nicht geringen Menge überstiegen, eine Strafbarkeit wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG bejaht und ist insoweit - wegen der in dem Bereithalten der Schreckschusspistole und des Elektroschockers liegenden Teilidentität der Ausführungshandlungen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2017 - 4 StR 562/17, juris Rn. 4) - zutreffend von einer tateinheitlichen Begehung ausgegangen. Die Strafkammer hat aber übersehen, dass es für eine Strafbarkeit nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht erforderlich ist, dass sich der Teilakt des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, bei dem der Täter die qualifizierenden Umstände verwirklicht, selbst unmittelbar auf eine nicht geringe Menge an Betäubungsmitteln bezieht. Auch der Umgang mit einer geringen Menge von Betäubungsmitteln unter Mitsichführen einer Schusswaffe oder eines sonstigen zur Verletzung von Personen geeigneten und bestimmten Gegenstandes reicht, sofern es sich um den Teilakt eines Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge handelt, zur Tatbestandserfüllung aus (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2016 - 2 StR 406/15, NStZ 2017, 298).

Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte daher auch bezüglich vier weiterer festgestellter Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, aus denen noch Restmengen am 17. Mai 2018 in der Wohnung des Angeklagten verwahrt waren, wegen tateinheitlich begangenen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG schuldig gemacht. Dies hat zur Folge, dass für die Strafbarkeit des Angeklagten wegen tatmehrheitlich begangenen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nur sieben Taten - sechs Marihuanataten und die sich auf 350 Gramm Amphetaminzubereitung beziehende Tat - verbleiben.

b) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend, wobei nach § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO davon abgesehen wird, die gleichartige Idealkonkurrenz in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der zu den Betäubungsmittelgeschäften geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall von vier Einzelfreiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten. Der Gesamtstrafenausspruch wird hierdurch nicht berührt. Angesichts der Einsatzstrafe von fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe und den verbleibenden weiteren sieben Einzelfreiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

2. Der Teilfreispruch des Angeklagten hat keinen Bestand. Das Landgericht hat sämtliche dem Angeklagten in der zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage als tatmehrheitlich begangen zur Last gelegten Tatvorwürfe für erwiesen erachtet, sie aber wegen der Annahme von Bewertungseinheiten konkurrenzrechtlich anders gewertet. Bei dieser Konstellation ist für einen Teilfreispruch kein Raum (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. September 1998 - 4 StR 272/98, BGHSt 44, 196, 202; Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 220/12, NStZ-RR 2013, 6, 7). Der Teilfreispruch muss aus Gründen der Klarstellung entfallen, da ein Angeklagter wegen desselben Tatgeschehens nicht zugleich verurteilt und freigesprochen werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2017 - 4 StR 302/17, juris Rn. 3 mwN).

3. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch sein Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 703

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 220

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner