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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 311

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 154/19, Beschluss v. 19.11.2019, HRRS 2020 Nr. 311


BGH 4 StR 154/19 - Beschluss vom 19. November 2019 (LG Offenburg)

Verwerfung der Revision als unbegründet.

§ 349 Abs. 2 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 23. November 2018, soweit es ihn betrifft,

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Raubes und des Diebstahls schuldig ist;

b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StGB.

1. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Körperverletzung im Fall II. 3. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen lockte der Angeklagte den Geschädigten in einen Park, wo er ihm unter Mitwirkung weiterer Personen Geld wegnehmen wollte. Dort holte er zu einem Schlag gegen den Geschädigten aus, um ihm Schmerzen zuzufügen. Der Geschädigte konnte dem Schlag jedoch ausweichen und blieb unverletzt. Dem Angeklagten und seinen Tatgenossen gelang es sodann, den sich heftig wehrenden Geschädigten festzuhalten, dessen Geldbeutel wegzunehmen und vom Tatort zu fliehen.

b) Das Landgericht hat nicht erörtert, ob der Angeklagte vom Versuch der Körperverletzung zurückgetreten ist. Dies ist rechtsfehlerhaft, denn die Urteilsgründe drängten zu einer Prüfung der Rücktrittsfrage. Nach den getroffenen Feststellungen kommt ein Rücktritt des Angeklagten vom unbeendeten Versuch der Körperverletzung in Betracht (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB). Der Angeklagte hatte den Geschädigten mit dem Schlag verfehlt und damit ersichtlich noch nicht alles getan, um den erstrebten Körperverletzungserfolg herbeizuführen. Den Urteilsgründen lassen sich auch keine Umstände entnehmen, die ihn daran gehindert haben könnten, weitere Schläge gegen den Geschädigten zu führen; ein Fehlschlag des Körperverletzungsversuchs ist daher nicht belegt. Ebenso wenig lässt sich den Feststellungen entnehmen, dass der Angeklagte nur unfreiwillig von weiteren Körperverletzungshandlungen abließ.

c) Der Senat schließt aus, dass bei einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache insoweit noch eine tateinheitliche Verurteilung wegen versuchter Körperverletzung erfolgen kann, und ändert den Schuldspruch daher wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Auf die für diese Tat verhängte Einzelstrafe bleibt der Wegfall der Verurteilung wegen versuchter Körperverletzung ohne Auswirkung, da das Landgericht die Strafe dem Strafrahmen des Raubes entnommen hat und die tateinheitliche versuchte Körperverletzung nicht strafschärfend berücksichtigt hat.

2. Die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Das Landgericht hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt trotz Vorliegen eines Hanges, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, abgelehnt, da 'eine kausale Verknüpfung zwischen diesem Hang und den hier in Rede stehenden Straftaten […] in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen […] nicht gegeben [ist], da seinen Taten der entsprechende Symptomcharakter fehlt und sie infolgedessen nicht auf seinen Hang zurückzuführen sind. Schließlich hat er weder die mit diesem Erkenntnis abzuurteilenden Straftaten noch die Straftaten seiner Vergangenheit aufgrund seines Hanges begangen, sondern vielmehr aus seiner sozialen und finanziellen Situation heraus. Auch sind seine Taten seinen spezifischen Persönlichkeitsauffälligkeiten geschuldet. Angesichts dessen gehen die rechtswidrigen Taten nicht auf seinen Hang zurück. Es besteht folglich auch keine Gefahr, dass er in Folge seines Hanges weitere, erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird' (UA S. 61).

Diese Ausführungen erschöpfen sich in der reinen Behauptung, dass die Taten des Angeklagten keinen Symptomcharakter aufweisen, sondern vielmehr den Persönlichkeitsauffälligkeiten des Angeklagten geschuldet sind, belegen dies jedoch nicht. Auch dem Zusammenhang der Urteilsgründe, insbesondere den im Urteil wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Psych. K. (UA S. 52 f.) und den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten (UA S. 13 - 22, insb. S. 14), lässt sich Weiteres nicht entnehmen. Da eine Tat jedoch bereits dann Symptomcharakter hat, wenn sie zumindest mitursächlich auf den Hang zurückgeht (Senat, Beschluss vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75; und BGH, Beschluss vom 18. November 2018 - 1 StR 482/18, NStZ-RR 2019, 74) und die Taten des Angeklagten typischerweise dem Bereich der Beschaffungskriminalität zuzuordnen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2015 - 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113, 114; Senat, Beschluss vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75), hätte es näherer Ausführungen bedurft.“

Dem schließt sich der Senat an und weist ergänzend darauf hin, dass die Annahme des Landgerichts, die Straftaten des Angeklagten gingen nicht auf seinen Hang zurück, auch im Hinblick auf dessen frühere Straftaten nicht näher belegt ist.

Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert eine Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen, sondern die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ausdrücklich als rechtsfehlerhaft beanstandet.

Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt auf niedrigere Strafen erkannt hätte.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 311

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner