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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 224

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 526/18, Beschluss v. 19.12.2018, HRRS 2019 Nr. 224


BGH 4 StR 526/18 - Beschluss vom 19. Dezember 2018 (LG Konstanz)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Konkurrenzen).

§ 52 Abs. 1 StGB; § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln stehen zueinander in Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB, wenn ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen sich - teilweise - überschneiden.

2. So liegt bei aufeinanderfolgenden, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehenden Umsatzgeschäften eine jedenfalls teilweise, Tateinheit begründende Überschneidung der objektiven Ausführungshandlungen darin, dass sich der Täter zu seinem Lieferanten begibt, um einerseits die vorangegangene Lieferung zu bezahlen und dabei zugleich eine neue, zuvor bestellte Lieferung abzuholen. Das Aufsuchen des Lieferanten als verbindendes Element, welches gleichermaßen beiden Umsatzgeschäften dient, erfüllt bereits als solches die Voraussetzungen für das Vorliegen einer teilidentischen Ausführungshandlung und damit für die Annahme von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 11. Juni 2018 dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen schuldig und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 20.500 Euro angeordnet ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 14 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt; ferner hat es „die Einziehung eines Geldbetrages von 21.500 Euro … angeordnet.“ Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Das Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten auch in den Fällen II. 5., 6., 7. und 10. der Urteilsgründe jeweils wegen selbständiger Straftaten nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verurteilt hat. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 13. November 2018 ausgeführt:

„Das Landgericht hat das konkurrenzrechtliche Verhältnis der im Urteil unter Ziffer II. 5, II. 6, II. 7 und II. 10 festgestellten Betäubungsmitteltaten zueinander rechtsfehlerhaft beurteilt.

1. Die Bewertung der vorbenannten Taten als vier im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB) zueinander stehende Taten wird von den zugrunde liegenden Feststellungen nicht getragen.

a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen veräußerte der Angeklagte Ende November 2015 an den gesondert Verfolgten S. 25 Gramm Kokain zu einem Grammpreis von 50 Euro auf Kommission. Die Bezahlung des Betäubungsmittels erfolgte in den darauffolgenden Wochen ratenweise, bis die gesamte Schuld beglichen war (Tat unter Ziff. II. 5). Zu einem weiteren Betäubungsmittelgeschäft zwischen dem Angeklagten und S. kam es zwischen dem 1. Dezember 2015 und dem 24. Dezember 2015; hier verkaufte der Angeklagte 1 Kilogramm Haschisch an S. zum Preis von 3.500 Euro (Tat unter Ziff. II. 6). Diesen Kaufpreis beglich S. nach Weiterveräußerung des Betäubungsmittels in den Folgetagen vollständig, wobei er dem Angeklagten einen Betrag in Höhe von 4.000 Euro übergab, um damit den Kaufpreis „sowie die Restschuld für das zuvor erworbene Kokain zu begleichen“ (UA S. 8).

b) Im Januar 2016 veräußerte der Angeklagte an S. 20 Gramm Kokain zu einem Grammpreis von 50 Euro auf Kommission, ohne dass bei der Übergabe eine Zahlung erfolgte (Tat unter Ziff. II. 7). In der Folgezeit zwischen Ende Januar 2016 und Anfang Februar 2016 verkaufte der Angeklagte erneut ein Kilogramm Haschisch an S. zum Preis von 3.500 Euro auf Kommission (Tat unter Ziff. II. 10). Wie zuvor zahlte S. nach Weiterveräußerung einen Betrag in Höhe von 4.000 Euro an den Angeklagten, um hierdurch das Haschisch sowie die Restschuld, die noch aus dem Erwerb des Kokains bestand, zu begleichen.

c) Das Landgericht hat dies als vier Taten (§ 53 StGB) des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet. Bei dieser konkurrenzrechtlichen Bewertung hat es nicht bedacht, dass mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zueinander in Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB stehen, wenn ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen sich - teilweise - überschneiden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 - BGH GSSt 4/17, NJW 2018, 2905, 2906 f.; Beschluss vom 28. Mai 2018 - 3 StR 95/18). So liegt bei aufeinanderfolgenden, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehenden Umsatzgeschäften eine jedenfalls teilweise, Tateinheit begründende Überschneidung der objektiven Ausführungshandlungen darin, dass sich der Täter zu seinem Lieferanten begibt, um einerseits die vorangegangene Lieferung zu bezahlen und dabei zugleich eine neue, zuvor bestellte Lieferung abzuholen. Das Aufsuchen des Lieferanten als verbindendes Element, welches gleichermaßen beiden Umsatzgeschäften dient, erfüllt bereits als solches die Voraussetzungen für das Vorliegen einer teilidentischen Ausführungshandlung und damit für die Annahme von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 - BGH GSSt 4/17 aaO).

Unter Beachtung dessen hätte das Landgericht die Taten unter Ziffer II. 5 und II. 6 sowie unter Ziffer II. 7 und II. 10 jeweils als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen bewerten müssen.“ Dem tritt der Senat bei. Er hat den Schuldspruch gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog entsprechend abgeändert und hierbei davon abgesehen, die gleichartige Tateinheit in den von der Änderung betroffenen Fällen im Tenor zum Ausdruck zu bringen (§ 260 Abs. 4 Satz 5 StPO). § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der Angeklagte auch bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung des Tatgeschehens nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

Die Schuldspruchänderung hat zur Folge, dass die festgesetzten Einzelstrafen für die Taten unter Ziffer II. 5. und Ziffer II. 7. der Urteilsgründe in Höhe von jeweils einem Jahr und drei Monaten entfallen. Die Gesamtstrafe von fünf Jahren und drei Monaten kann bestehen bleiben. Der Senat schließt mit Blick auf die verbleibenden Einzelstrafen - die Einsatzstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie weitere Freiheitsstrafen von einmal zwei Jahren, dreimal einem Jahr und acht Monaten, viermal einem Jahr und sechs Monaten, viermal einem Jahr und drei Monaten sowie von einmal einem Jahr - aus, dass das Landgericht auf eine mildere Gesamtstrafe erkannt hätte, wenn es in den genannten Fällen das Konkurrenzverhältnis zutreffend bestimmt hätte, zumal der Unrechtsund Schuldgehalt der Taten durch die abweichende konkurrenzrechtliche Bewertung nicht berührt wird.

2. Die ansonsten rechtsfehlerfreie Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c StGB (UA 26) war lediglich dahin abzuändern (§ 354 Abs. 1 StPO analog), dass insgesamt ein Geldbetrag von 20.500 Euro eingezogen wird; die Gesamtsumme der in den Fällen II. 5., 6., 7., 10. und 14. der Urteilsgründe erzielten Erlöse beträgt lediglich 10.500 Euro (nicht 11.500 Euro), die zu den aus den Taten II. 1. - 4. insgesamt erlangten 10.000 Euro hinzu zu addieren sind.

3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsbegründung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

4. Der geringe Erfolg des Rechtsmittels gebietet es nicht, die Gebühr zu ermäßigen oder einen Teil der notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen (§ 473 Abs. 4 Satz 1 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 224

Externe Fundstellen: NStZ 2019, 413; StV 2019, 329

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner