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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 217

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 425/18, Beschluss v. 06.11.2018, HRRS 2019 Nr. 217


BGH 4 StR 425/18 - Beschluss vom 6. November 2018 (LG Essen)

Verwerfung der Revision als unbegründet.

§ 349 Abs. 2 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 11. April 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen II. 1. c, d, e, f, j und im Fall II. 2. der Urteilsgründe, sowie

b) im Ausspruch über die Gesamstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Diebstahls in zehn Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt und eine Verfahrensrüge erhebt, hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

1. Die Verfahrensrüge hat keinen Erfolg. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 13. September 2018 Bezug.

2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Auch die Aussprüche über die Einzelstrafen in den Fällen II. 1. a, b, g, h und i halten rechtlicher Nachprüfung stand.

II.

Der Strafausspruch im Übrigen begegnet jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

1. Dies gilt zum einen, soweit das Landgericht den Angeklagten in den Fällen II. 1. c, d, e, f und j wegen Diebstahls im besonders schweren Fall im Sinne des § 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu Einzelfreiheitsstrafen von jeweils vier Monaten verurteilt hat.

a) Nach den Feststellungen entwendete der Angeklagte in den unter II. 1. der Urteilsgründe abgeurteilten Fällen - mit Ausnahme des Falles II. 1. h, in dem es beim Versuch blieb - aus zuvor aufgebrochenen Geldeinwurfautomaten verschiedener Reinigungsgeräte an Tankstellen jeweils Bargeldbeträge zwischen fünf und maximal 200 Euro, um das Geld für sich zu behalten. Die Voraussetzungen eines besonders schweren Falles des gewerbsmäßigen Diebstahls im Sinne des § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB hat das Landgericht in sämtlichen Fällen nicht als erfüllt angesehen. Auf Grund der festgestellten Begehungsweise der Taten und des Umstandes, dass sich in den Münzbehältern oft nur geringe Geldbeträge befunden hätten, so die Strafkammer, könne nicht von einer wiederholten Tatbegehung zur Verschaffung einer Einnahmequelle von einer gewissen Dauer und Erheblichkeit ausgegangen werden. Im Widerspruch zu dieser Erwägung bleibt unerörtert, ob in den Fällen II. 1. c, d, e, f und j der Urteilsgründe, in denen die erbeuteten Geldbeträge die Grenze der Geringwertigkeit im Unterschied zu den weiteren, teilweise zeitlich früheren Taten nicht überschritten, die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 243 Abs. 2 StGB ausgeschlossen war.

b) Auf diesem Widerspruch können die Aussprüche über die Einzelstrafen in den genannten Fällen beruhen. Der insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, § 47 StGB in den Blick zu nehmen.

2. Auch die für die gefährliche Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten K. verhängte Einsatzstrafe von fünf Jahren hat keinen Bestand.

Das Landgericht hat dem Angeklagten bei der Strafzumessung strafschärfend angelastet, er habe nach der Tat nicht selbst die Rettungskräfte verständigt, sondern zuerst seine Familie benachrichtigt, wodurch er die ärztliche Versorgung der Geschädigten zeitlich verzögert habe. Damit hat es zum Nachteil des Angeklagten einen Umstand herangezogen, der in den Urteilsfeststellungen in dieser Form keine Stütze findet. Die Urteilsgründe ergeben lediglich, dass der Angeklagte, nachdem er bemerkt hatte, dass sich der Zustand des Tatopfers infolge seiner (des Angeklagten) Schläge und Tritte verschlechterte und dieses teilweise das Bewusstsein verlor, zunächst seinen Bruder S. M. verständigte, der - mit anderen Familienmitgliedern - „sodann“ in der Wohnung erschien und seinerseits die Feuerwehr alarmierte. Danach ist eine Verzögerung in der notärztlichen Versorgung des Tatopfers durch die Handlungsweise des Angeklagten zwar möglich, eine Verschlechterung des Zustands des Tatopfers als eine vom Angeklagten verschuldete Auswirkung der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB) aber nicht belegt.

3. Infolge der Aufhebung der Einzelstrafen ist auch über die Gesamtstrafe neu zu befinden. Die Nichtanordnung einer Maßregel der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) wird von der Teilaufhebung des angefochtenen Urteils im Strafausspruch nicht erfasst.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 217

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner