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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 900

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 170/18, Beschluss v. 18.07.2018, HRRS 2018 Nr. 900


BGH 4 StR 170/18 - Beschluss vom 18. Juli 2018 (LG Neuruppin)

Mord (Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln); Brandstiftung (Begriff der Hütte); Antrag des Verletzten; Prozesskostenhilfe (Erfordernis gesonderter Antragsstellung nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe; Bestimmtheit des Adhäsionsantrages; grundsätzlich keine Zurückweisung allein zur Entscheidung über Adhäsionsantrag).

§ 211 Abs. 2 Var. 7 StGB; § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB; § 404 Abs. 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel ist erfüllt, wenn der Täter ein Tötungsmittel einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters. Von dem Mordmerkmal tatbestandlich nicht erfasst wird eine „schlichte“ Mehrfachtötung; eine solche liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der Täter mit Tötungsabsicht gegen eine bestimmte Anzahl von ihm individualisierter Opfer richtet.

2. Hütten sind Bauwerke, bei denen an die Größe, Festigkeit und Dauerhaftigkeit geringere Anforderungen gestellt werden als bei Gebäuden, die aber dennoch ein selbstständiges, unbewegliches Ganzes bilden, das eine nicht völlig geringfügige Bodenfläche bedeckt und ausreichend abgeschlossen ist. Ein Bauwagen ist daher nur dann als Hütte erfasst, wenn er durch sein Eigengewicht auf dem Boden ruht, nicht jedoch, wenn er mit Rädern ausgestattet und jederzeit bewegbar ist.

3. Wird ein Adhäsionsantrag unter der Bedingung der Prozesskostenhilfebewilligung angebracht, so ist nach erfolgter Bewilligung gleichwohl noch eine Antragstellung gemäß § 404 Abs. 1 StPO erforderlich; allein das Prozesskostenhilfeverfahren führt noch nicht zur Rechtshängigkeit der Adhäsionsanträge.

4. Ein Adhäsionsantrag hat inhaltlich den Anforderungen an eine Zivilklage (§ 253 ZPO) zu genügen. Wenn der Umfang der beantragten Geldleistung im richterlichen Ermessen steht, muss zwar kein konkreter Betrag geltend gemacht werden; das Bestimmtheitsgebot verlangt aber zumindest die Angabe einer Größenordnung, um das Gericht und den Gegner darüber zu unterrichten, welchen Umfang der Streitgegenstand haben soll. Deshalb fehlt es an der von § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO geforderten Bestimmtheit, wenn der Adhäsionskläger keine Angaben zur Größenordnung des begehrten Schmerzensgeldes macht.

5. Regelmäßig soll eine Zurückverweisung allein zur Entscheidung über einen Adhäsionsantrag unterbleiben; in diesen Fällen soll vielmehr von einer Entscheidung über die Entschädigung des Verletzten ganz abgesehen werden. Anderes gilt, wenn der Senat das Urteil auch im Übrigen teilweise aufhebt und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverweist. Damit hat das neue Tatgericht Gelegenheit - nach entsprechender Antragstellung -, auch über den zivilrechtlichen Teil der Sache neu zu entscheiden.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 14. November 2017

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte bezüglich der Tat im Zusammenhang mit der Inbrandsetzung des Hauses F. Straße in der Gemeinde M. des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, jeweils in fünf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, sowie in weiterer Tateinheit mit schwerer Brandstiftung schuldig ist;

b) aufgehoben aa) im Schuldspruch und Strafausspruch (1) soweit der Angeklagte wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden ist mit den zugehörigen Feststellungen; (2) soweit der Angeklagte wegen Brandstiftung an dem Bauwagen der Nebenklägerin verurteilt worden ist; insoweit bleiben die Feststellungen aufrechterhalten; bb) in den Einzelstrafaussprüchen mit den jeweils zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte schuldig ist (1) des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, jeweils in fünf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, sowie in weiterer Tateinheit mit schwerer Brandstiftung; (2) der Brandstiftung an dem Pkw der Nebenklägerin; (3) der Sachbeschädigung an der Kutsche der Nebenklägerin; cc) im Gesamtstrafenausspruch, im Maßregelausspruch und hinsichtlich der getroffenen Adhäsionsentscheidungen, jeweils mit den zugehörigen Feststellungen.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung und mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Brandstiftung in zwei Fällen, wegen Sachbeschädigung und wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis eine Sperrfrist von einem Jahr festgesetzt. Zudem hat es Adhäsionsentscheidungen zugunsten von drei Adhäsionsklägern getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die nicht ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte und die Nebenklägerin lebten seit 2015 als Paar in dem mit drei Wohnungen ausgestatteten Haus F. Straße in der Gemeinde M. Der Angeklagte und die Nebenklägerin nutzten eine der beiden im Obergeschoss gelegenen Wohnungen. Die andere Wohnung im Obergeschoss wurde von der Zeugin S. S. und ihrem Sohn, dem Zeugen B. S., genutzt. Die Zeugin K. lebte in der einzigen Wohnung im Untergeschoss.

Zu Beginn des Jahres 2017 beendete die Nebenklägerin die Beziehung zu dem Angeklagten. Der Angeklagte bezog auf dem Nachbargrundstück ein Zimmer im Haus der Familie Ka. Aufgrund der örtlichen Nähe kam es weiterhin zu fast täglichen Kontakten zwischen der Nebenklägerin und dem Angeklagten. Dieser zeigte sich eifersüchtig und vermutete zunächst ein Verhältnis zwischen der Nebenklägerin und dem Zeugen B. S. Als in der Folge der Zeuge Ba. bei der Nebenklägerin einzog, ging der Angeklagte trotz anderslautender Beteuerungen der Nebenklägerin ebenfalls von einer intimen Beziehung aus.

Am Abend des 4. März 2017 gegen 22:00 Uhr beobachte der Angeklagte, wie sich die Nebenklägerin und der Zeuge Ba. auf dem Balkon ihrer Wohnung in aufgeheiterter Stimmung unterhielten, wobei es zu Körperkontakten kam. Der Angeklagte war enttäuscht und verärgert, da er seine Vermutung einer intimen Beziehung bestätigt sah. Gegen 23:00 Uhr begab er sich außer Haus, wobei er zwei Flaschen Wodka mitnahm, von denen er in der Folge in erheblicher Menge trank.

Im Laufe der Nacht fasste er den Entschluss, sich an der Nebenklägerin und deren mutmaßlichen Liebhabern - den Zeugen Ba. und B. S. - durch Inbrandsetzung ihrer Wohnungen zu rächen. Gegen 5:30 Uhr verschaffte er sich Zugang zu dem Haus F. Straße . Dort vergoss er im ersten Obergeschoss Benzin und entzündete dieses. Hierdurch kam es zu Flammenbildung und Rauchentwicklung. Am unteren Ende der in das erste Obergeschoss führenden Holztreppe verteilte und entzündete der Angeklagte weiteres Benzin. Zudem setzte er außerhalb des Hauses den Pkw der Nebenklägerin in Brand, ebenso wie eine ihr gehörende Kutsche und einen ihr gehörenden Bauwagen, der zur Aufbewahrung von Reitutensilien diente.

Die Zeugin K. bemerkte den Brand im Treppenhaus zeitnah und konnte das Haus noch rechtzeitig verlassen. Die vier Bewohner des ersten Obergeschosses mussten dagegen durch die herbeigerufene Feuerwehr vom Balkon gerettet werden. Sämtliche Hausbewohner erlitten gesundheitliche Beeinträchtigungen durch das eingeatmete Rauchgas.

Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht festgestellt, dass dem Angeklagten bewusst war, dass er für alle Hausbewohner eine lebensbedrohliche Situation schuf. Bezüglich der Nebenklägerin, des Zeugen Ba. sowie des Zeugen B. S. wollte er dies auch. Den Tod der Zeuginnen K. und S. S. nahm er jedenfalls billigend in Kauf.

Nachdem er die Brände gelegt hatte, fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw davon - „wahrscheinlich“ in Richtung S-Bahnhof L. Nunmehr bemühte er sich um ein Alibi, indem er verschiedenen Personen Mitteilungen machte über vermeintliche Unternehmungen in der vergangenen Nacht. Hierbei trank er weiter von dem mitgeführten Alkohol. Schließlich trat er mit dem Pkw den Heimweg an, wobei ihm bewusst war, dass er aufgrund des zuvor genossenen Alkohols fahruntüchtig war. Da er an seiner Wohnanschrift infolge der von ihm auf dem Nachbargrundstück gelegten Brände Polizeikräfte vermutete und er nicht die Fahrerlaubnis verlieren wollte, hielt er kurz hinter L. an, stellte sein Fahrzeug auf einem Waldweg ab und bat um 7:27 Uhr seinen Mitbewohner J. Ka., ihn dort abzuholen. Dieser informierte jedoch die vor Ort anwesenden Polizeikräfte, so dass der Angeklagte kurze Zeit später im Bereich des Abstellortes seines Fahrzeuges festgenommen wurde. Dem Angeklagten um 8:41 Uhr und 9:11 Uhr entnommene Blutproben wiesen Blutalkoholkonzentrationen von 1,69 ‰ bzw. 1,59 ‰ aus.

II.

1. Der Schuldspruch hat keinen Bestand, soweit der Angeklagte wegen Brandstiftung an dem Bauwagen der Nebenklägerin gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB und wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB verurteilt worden ist. Im Übrigen hält der Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Die Verurteilung wegen Brandstiftung an dem Bauwagen der Nebenklägerin unterliegt der Aufhebung, da sich aus den Feststellungen nicht ergibt, dass es sich bei dem in Brand gesetzten Bauwagen, wie von der Strafkammer angenommen, um eine Hütte im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB handelte.

Hütten sind Bauwerke, bei denen an die Größe, Festigkeit und Dauerhaftigkeit geringere Anforderungen gestellt werden als bei Gebäuden, die aber dennoch ein selbstständiges, unbewegliches Ganzes bilden, das eine nicht völlig geringfügige Bodenfläche bedeckt und ausreichend abgeschlossen ist (vgl. RGSt 17, 179, 184; RGSt 73, 204, 205 f.; BayObLG, NJW 1989, 2704; LK-StGB/Wolff, 12. Aufl., § 306 Rn. 25; MüKo-StGB/Radtke, 2. Aufl., § 306 Rn. 25; NK-StGB/Kargl, 5. Aufl., § 306 Rn. 3). Ein Bauwagen ist daher nur dann als Hütte von § 306 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB erfasst, wenn er durch sein Eigengewicht auf dem Boden ruht, nicht jedoch, wenn er mit Rädern ausgestattet und jederzeit bewegbar ist (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ 1981, 482; hierauf Bezug nehmend BGH, Beschluss vom 31. Mai 2005 - 5 StR 182/05; vgl. auch Fischer, StGB, 65. Aufl., § 306 Rn. 3a; Heine/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 306 Rn. 4; MüKo-StGB/Radtke, aaO, § 306 Rn. 25).

Da das angefochtene Urteil keine näheren Feststellungen zur Beschaffenheit des Bauwagens enthält und insbesondere unklar bleibt, ob der Bauwagen durch das Vorhandensein von Rädern mobil war, sind die Voraussetzungen einer Hütte im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB nicht ausreichend dargetan. Da hierzu aber noch - ergänzende - Feststellungen getroffen werden können, ist die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die zu dieser Tat rechtsfehlerfrei getroffenen objektiven und subjektiven Feststellungen können bestehen bleiben.

b) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB - die Strafkammer ist ersichtlich von einer vorsätzlichen Tatbegehung ausgegangen, was im Tenor hätte zum Ausdruck gebracht werden müssen (BGH, Beschluss vom 8. Juni 1995 - 4 StR 189/95, DAR 1996, 175; Fischer, aaO, § 316 Rn. 42) - hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da sich für die hierzu getroffenen Feststellungen kein Beleg findet.

In dem angefochtenen Urteil fehlt es an jeglicher Beweiswürdigung dazu, dass und zu welchem Zeitpunkt die Trunkenheitsfahrt stattgefunden hat. Ausführungen dazu, auf welcher Tatsachengrundlage die Strafkammer zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Angeklagte sein Fahrzeug noch kurz vor seiner Festnahme führte und somit ein die Fahruntüchtigkeit in Frage stellender Nachtrunk nicht stattgefunden hatte, enthält das Urteil nicht. Erörterungsbedarf bestand insoweit schon deshalb, weil es nach den Feststellungen jedenfalls nicht fernlag, dass sich der Angeklagte nach den Brandlegungen zeitnah an den Ort seiner späteren Festnahme begab, er dort weiteren Alkohol - mit Auswirkungen auf die Bewertung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit - zu sich nahm und sein Fahrzeug bis zu der Festnahme nicht mehr führte.

c) Im Übrigen begegnet der Schuldspruch keinen durchgreifenden Bedenken.

aa) Dies gilt auch für die Annahme tatmehrheitlichen Handelns des Angeklagten in Bezug auf die vier Brandlegungen. Nach den Feststellungen wurden die Brände nacheinander und unabhängig voneinander gelegt, so dass unter den gegebenen Umständen die Annahme von Tatmehrheit tragfähig belegt ist.

bb) Bezüglich der durch die Inbrandsetzung des Hauses F. Straße begangenen Delikte des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung ist lediglich aufgrund der Betroffenheit von fünf Tatopfern im Schuldspruch das Vorliegen von gleichartiger Tateinheit zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2005 - 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 169).

2. Soweit die Schuldsprüche Bestand haben, unterliegen die Strafaussprüche insgesamt der Aufhebung.

a) Hinsichtlich der gegen den Angeklagten wegen der Tat im Zusammenhang mit der Inbrandsetzung des Hauses F. Straße verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt hat. Das Landgericht hat das Vorliegen zweier Mordmerkmale - Heimtücke und Einsatz eines gemeingefährlichen Mittels - straferschwerend berücksichtigt. Zwar begegnet die Annahme von Heimtücke keinen rechtlichen Bedenken, so dass der Schuldspruch wegen versuchten Mordes nicht in Frage steht. Die Annahme einer Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel wird von den Urteilsgründen mit Blick auf die hierfür erforderliche Gefährdung einer unbestimmten Mehrzahl von Menschen jedoch nicht getragen.

aa) Das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel ist erfüllt, wenn der Täter ein Tötungsmittel einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005 - 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 168; vom 1. September 1992 - 1 StR 487/92, BGHSt 38, 353, 354; vom 4. Februar 1986 - 5 StR 776/85, BGHSt 34, 13, 14). Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005; vom 1. September 1992; jeweils aaO). Von dem Mordmerkmal tatbestandlich nicht erfasst wird eine „schlichte“ Mehrfachtötung; eine solche liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der Täter mit Tötungsabsicht gegen eine bestimmte Anzahl von ihm individualisierter Opfer richtet (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005 - 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 168; vom 16. März 2006 - 4 StR 594/05, NStZ 2006, 503, 504; vom 14. Januar 2010 - 4 StR 450/09, NStZ-RR 2010, 373, 374; Eser/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, aaO, § 211 Rn. 29; SK-StGB/ Sinn, 9. Aufl., § 211 Rn. 61; Rengier, Strafrecht - Besonderer Teil II, 19. Aufl., § 4 Rn. 47c; Zieschang, FS Puppe, 2011, S. 1301, 1318 ff.).

bb) Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte den Tod der Nebenklägerin sowie der Zeugen B. S. und Ba., während er den Tod der Zeuginnen S. S. und K. jedenfalls billigend in Kauf nahm. In diesem Sinne verhält sich auch die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite des Angeklagten.

In der rechtlichen Würdigung zum Tötungsvorsatz führt die Strafkammer - hiervon abweichend - aber aus, dass der Angeklagte den Tod „jedenfalls der Bewohner der im ersten Obergeschoss liegenden Wohnungen“ gewollt habe; aus dem Umstand, dass er die in das erste Obergeschoss führende Treppe entzündet habe, um den dortigen vier Bewohnern die Fluchtmöglichkeit zu nehmen, sei direkter Tötungsvorsatz zu folgern gewesen.

Dieser Widerspruch wird in den Urteilsgründen nicht aufgelöst. Die Reichweite der Tötungsabsicht des Angeklagten ist somit unklar, so dass nicht auszuschließen ist, dass jedenfalls bezüglich aller im ersten Obergeschoss aufhältigen Personen eine dem Mordmerkmal nicht unterfallende versuchte („schlichte“) Mehrfachtötung vorlag. Die Urteilsgründe bieten auch keinen Anhalt dafür, dass der Angeklagte damit rechnete und billigte, dass sich neben den üblichen Bewohnern zur Tatzeit weitere Menschen in dem Haus aufhielten oder dass das Feuer auf Nachbargebäude überzugreifen drohte, was die Annahme des Mordmerkmals hätte rechtfertigen können. Die Gefährdung nur einer weiteren, nicht als Tatopfer anvisierten Person, der Zeugin K., reicht zur Begründung der Gemeingefährlichkeit indes nicht aus, da sich hieraus gerade nicht eine - über die versuchte Mehrfachtötung hinausgehende - Gefährdung einer unbestimmten Mehrzahl von Personen ergibt.

b) Soweit der Angeklagte gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 4 Var. 1 StGB wegen der Brandstiftung an dem Pkw der Nebenklägerin zu einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden ist, hat der Strafausspruch ebenfalls keinen Bestand, da es insoweit im angefochtenen Urteil an jeglichen tatbezogenen Strafzumessungserwägungen fehlt. Sowohl bei der Ablehnung eines minder schweren Falles gemäß § 306 Abs. 2 StGB als auch bei der konkreten Strafzumessung hat die Strafkammer lediglich pauschal auf die Strafzumessungserwägungen, die sie zu dem versuchten Mord angestellt hat, verwiesen. Die dortigen Ausführungen sind aber überwiegend auf das versuchte Tötungsdelikt zugeschnitten und ohne Bezug zu dem Brandstiftungsdelikt. Dagegen bleiben bezüglich der Brandstiftung am Pkw der Nebenklägerin relevante Strafzumessungsgesichtspunkte unerörtert, wie etwa die Schadenshöhe (vgl. BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, Stand: 1. Mai 2018, § 306 Rn. 46; LK-StGB/ Wolff, aaO, § 306 Rn. 50; zum Schutzzweck der Norm zuletzt BGH, Beschluss vom 22. Mai 2018 - 4 StR 598/17 mwN).

c) Zudem hat die wegen der Sachbeschädigung an der Kutsche der Nebenklägerin (§ 303 Abs. 1 StGB) verhängte Einzelstrafe von 90 Tagessätzen keinen Bestand, da auch hier jegliche tatbezogenen Strafzumessungserwägungen fehlen und nur pauschal festgehalten wird, dass die Strafe „nach Abwägung aller Umstände“ für tat- und schuldangemessen gehalten worden ist.

3. Die teilweise Aufhebung der Schuldsprüche und der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Die Aufhebung des Schuldspruchs nach § 316 Abs. 1 StGB führt auch zur Aufhebung der Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB.

4. Die Adhäsionsentscheidungen haben insgesamt keinen Bestand.

a) Soweit das Landgericht eine Adhäsionsentscheidung zugunsten der Nebenklägerin getroffen hat, mangelt es bereits an dem nach § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderlichen Adhäsionsantrag, was von Amts wegen zu beachten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2017 - 2 StR 536/16, StraFo 2017, 285; vom 16. Dezember 2008 - 4 StR 542/08, NStZ 2009, 586; KK-StPO/Zabeck, 7. Aufl., § 404 Rn. 1).

aa) Dieser Adhäsionsentscheidung liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Die Nebenklägerin hat zunächst schriftsätzlich einen Adhäsionsantrag „unter der Bedingung der Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe“ gestellt und dabei auf einen anliegenden „Antragsentwurf“ verwiesen. Am vorletzten Hauptverhandlungstag ist der Nebenklägerin - unter Beiordnung von Rechtsanwalt Fe. - Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Hieran anschließend ist ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls die Sach- und Rechtslage erörtert worden, wobei der Verteidiger für den Angeklagten erklärt hat, der Anspruch der Nebenklägerin werde dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Weitere Erklärungen der Nebenklägerin oder ihres Vertreters zum Adhäsionsverfahren ergeben sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht.

bb) Damit liegt ein ordnungsgemäß gestellter Adhäsionsantrag nicht vor. Wird nämlich ein solcher unter der Bedingung der Prozesskostenhilfebewilligung angebracht, so ist nach erfolgter Bewilligung gleichwohl noch eine Antragstellung gemäß § 404 Abs. 1 StPO erforderlich; allein das Prozesskostenhilfeverfahren führt noch nicht zur Rechtshängigkeit der Adhäsionsanträge (BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2017 - 2 StR 536/16, aaO; vom 23. Juli 2015 - 3 StR 194/15; vom 9. August 1988 - 4 StR 342/88, BGHR StPO § 404 Antragstellung 1; jeweils mwN).

Der Adhäsionsantrag der Nebenklägerin ist indes unmissverständlich unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt worden, was sich auch aus dem Verweis auf einen bloßen „Antragsentwurf“ ergibt. Nachdem durch das Gericht Prozesskostenhilfe gewährt worden war, ist eine Antragstellung ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nicht mehr erfolgt. Ein solcher Antrag wäre gemäß § 273 Abs. 1 Satz 1 StPO zu protokollieren gewesen (BeckOK-StPO/Ferber, Stand: 1. Juni 2018, § 404 Rn. 5; KK-StPO/Zabeck, aaO, § 404 Rn. 5). Die bloße Erörterung der Sach- und Rechtslage ersetzt die erforderliche Antragstellung nicht.

b) Die Anträge der Adhäsionskläger S. S. und B. S. genügen nicht den Zulässigkeitsanforderungen gemäß § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO, da beide Adhäsionskläger nur beantragt haben, den Angeklagten zu einer Schmerzensgeldzahlung zu verurteilen, ohne den begehrten Betrag näher einzugrenzen.

Ein Adhäsionsantrag hat jedoch inhaltlich den Anforderungen an eine Zivilklage (§ 253 ZPO) zu genügen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2016 - 2 StR 585/15, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 9; KK-StPO/Zabeck, aaO, § 404 Rn. 5; LR-StPO/Hilger, 26. Aufl., § 404 Rn. 1). Wenn der Umfang der beantragten Geldleistung im richterlichen Ermessen steht, muss zwar kein konkreter Betrag geltend gemacht werden; das Bestimmtheitsgebot verlangt aber zumindest die Angabe einer Größenordnung, um das Gericht und den Gegner darüber zu unterrichten, welchen Umfang der Streitgegenstand haben soll (vgl. BGH, Urteile vom 13. Oktober 1981 - VI ZR 162/80, NJW 1982, 340; vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 350; Beschlüsse vom 14. März 2018 - 4 StR 516/17, NStZ-RR 2018, 223, 224; vom 25. August 2016 - 2 StR 585/15, aaO; BeckOK-StPO/Ferber, aaO, § 404 Rn. 1). Deshalb fehlt es an der von § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO geforderten Bestimmtheit, wenn - wie hier - der Adhäsionskläger keine Angaben zur Größenordnung des begehrten Schmerzensgeldes macht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. März 2018 - 4 StR 516/17, und vom 25. August 2016 - 2 StR 585/15 , jeweils aaO).

c) Der Senat verweist die Sache auch bezüglich des Adhäsionsverfahrens zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück. Zwar soll regelmäßig eine Zurückverweisung allein zur Entscheidung über einen Adhäsionsantrag unterbleiben; in diesen Fällen soll vielmehr von einer Entscheidung über die Entschädigung des Verletzten ganz abgesehen werden (st. Rspr.; vgl. Beschlüsse vom 27. März 1987 - 2 StR 106/87, NStZ 1988, 237, 238; vom 29. Juli 2003 - 4 StR 222/03, juris Rn. 5; vom 7. Juli 2010 - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 337). Jedoch hebt der Senat das Urteil auch im Übrigen teilweise auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Damit hat das neue Tatgericht Gelegenheit - nach entsprechender Antragstellung -, auch über den zivilrechtlichen Teil der Sache neu zu entscheiden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. März 2018 - 4 StR 516/17, aaO; vom 14. September 2017 - 4 StR 177/17, NStZ-RR 2018, 24, 25).

III.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, bei der Strafzumessung und der Bestimmung des Schuldumfangs bezüglich des versuchten Tötungsdelikts auch das Vorliegen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe in den Blick zu nehmen (vgl. zu einer aus Eifersucht erfolgten Tötung BGH, Urteile vom 22. März 2017 - 2 StR 656/13; vom 1. März 2012 - 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691, 692; Beschluss vom 21. Dezember 2000 - 4 StR 499/00, StV 2001, 571; vgl. zur Tötung des „Nebenbuhlers“ BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 - 5 StR 99/14, juris Rn. 13). Diesbezüglich sind ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, zulässig.

2. Bezüglich der Inbrandsetzung des Bauwagens wird für den Fall des Nichtvorliegens einer Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB darauf hingewiesen, dass es für die Annahme einer Sachbeschädigung sowohl an einem Strafantrag als auch an der Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses fehlt (§ 303c StGB).

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 900

Externe Fundstellen: NStZ 2019, 607; StV 2020, 591

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner