hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 123

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 466/16, Beschluss v. 22.11.2016, HRRS 2017 Nr. 123


BGH 4 StR 466/16 - Beschluss vom 22. November 2016 (LG Magdeburg)

Bildung einer Gesamtstrafe (nachträgliche Gesamtstrafe; Zäsurwirkung)

§ 55 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Es kommt nur solchen Urteilen Zäsurwirkung zu, auf die § 55 StGB Anwendung findet und mit deren Strafen eine Gesamtstrafe gebildet werden kann. Dies ist bei einer Verurteilung zu Jugendstrafe wegen der bei getrennter Aburteilung rechtlich ausgeschlossenen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB nicht der Fall.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 23. Mai 2016, soweit die Bildung einer Gesamtstrafe unterblieben ist, mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit einer Verfahrensbeanstandung und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Der Strafausspruch hält einer rechtlichen Prüfung insoweit nicht stand, als das Landgericht von der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe abgesehen hat.

Die abgeurteilte Tat wurde am 8. Juli 2015 und damit zeitlich vor dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Wernigerode vom 15. Oktober 2015 begangen, durch das der Angeklagte wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden ist. Die Strafkammer hat sich an der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gehindert gesehen, weil die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Wernigerode vom 15. Oktober 2015 und die zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Wernigerode vom 14. Januar 2015 an sich untereinander gesamtstrafenfähig seien und das Urteil vom 14. Januar 2015 daher Zäsurwirkung entfalte. Dabei hat das Landgericht übersehen, dass nur solchen Urteilen Zäsurwirkung zukommt, auf die § 55 StGB Anwendung findet und mit deren Strafen eine Gesamtstrafe gebildet werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Juli 2007 - 4 StR 204/07, StraFo 2007, 424; vom 7. Mai 2006 - 5 StR 58/06, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 17; Eschelbach in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 3. Aufl., § 55 Rn. 12). Dies ist bei einer Verurteilung zu Jugendstrafe wegen der bei getrennter Aburteilung rechtlich ausgeschlossenen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1989 - 4 StR 445/89, BGHSt 36, 270) nicht der Fall.

Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidung über die nachträglich zu bildende Gesamtstrafe dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuzuweisen. Das danach zuständige Gericht wird auch über die Kosten des Rechtsmittels zu entscheiden haben.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 123

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2017, 199; StV 2017, 716

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner