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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 266

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 438/15, Beschluss v. 16.12.2015, HRRS 2016 Nr. 266


BGH 4 StR 438/15 - Beschluss vom 16. Dezember 2015 (LG Konstanz)

Schwere räuberische Erpressung (kein Mitsichführen einer Waffe bei deren Funktionsunfähigkeit).

§ 253 StGB; § 255 StGB; § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 13. Juli 2015 wird das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 5 (versuchte schwere räuberische Erpressung) und II. 6 (Verbrechensverabredung) verurteilt worden ist. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.

2. Die Urteilsformel wird wie folgt klargestellt und neu gefasst:

Der Angeklagte wird wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung sowie wegen Geiselnahme zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt.

3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

4. Der Angeklagte trägt die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlicher schwerer räuberischer Erpressung, wegen schwerer räuberischer Erpressung, wegen versuchter gemeinschaftlicher schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, wegen gemeinschaftlicher Geiselnahme und wegen gemeinschaftlicher Verbrechensverabredung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er allgemein die Verletzung materiellen Rechts rügt, führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Beschränkung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung (Fall II. 5 der Urteilsgründe) und wegen Verbrechensverabredung (Fall II. 6 der Urteilsgründe) zu Einzelfreiheitsstrafen von zehn bzw. neun Monaten verurteilt hat, stellt der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein und fasst die Urteilsformel aus Gründen der Klarstellung insgesamt neu.

II.

Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils im verbleibenden Umfang hat jedenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jedoch bemerkt der Senat ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 21. September 2015:

1. a) Der Schuldspruch wegen Geiselnahme im Sinne von § 239b StGB im Fall II. 4 der Urteilsgründe hält noch rechtlicher Nachprüfung stand. Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der insoweit getroffenen Feststellungen eine über die bloße Bedrohung des Geschädigten Y. mit einer Pistole und einem Messer hinausgehende Bemächtigungslage in dem Kraftfahrzeug während der von dem Geschädigten H. auf Aufforderung des Angeklagten über eine gewisse Entfernung durchgeführten, unfreiwilligen Fahrt.

b) Hingegen ist das Tatbestandsmerkmal einer Waffe im Sinne des Qualifikationstatbestandes des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, von dem die Strafkammer ausweislich der rechtlichen Würdigung, der Strafzumessung und der Liste der angewendeten Vorschriften im Fall II. 3 der Urteilsgründe ausgegangen ist, dessen Vorliegen indes in der Urteilsformel nicht zum Ausdruck kommt, nicht hinreichend belegt.

Den Feststellungen ist insoweit lediglich zu entnehmen, dass der Angeklagte dem Geschädigten in diesem Fall „eine Schusswaffe“ vorhielt, um der Forderung nach Herausgabe mitgeführter Wertsachen Nachdruck zu verleihen. Aus der Beweiswürdigung ergibt sich ferner, dass der Mitangeklagte D. der Polizei noch im Oktober 2010 und damit zeitnah nach der Tat das Versteck dieser Schusswaffe des Fabrikats „Smith & Wesson“, Modell SW380, mit fünf Patronen des Kalibers 9 mm zeigte. Nach Mitteilung des eingesetzten Kriminalbeamten war die Schusswaffe zum Zeitpunkt der Sicherstellung unbrauchbar und nicht funktionsfähig. Damit sind lediglich die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestandes im Sinne von § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB belegt. Dass die in diesem Fall verhängte - schon für sich genommen unangemessen milde - Einzelstrafe auf diesem Rechtsfehler beruht, kann der Senat jedoch sicher ausschließen, zumal die Strafkammer die Voraussetzungen eines minder schweren Falles bejaht hat.

2. Da das Landgericht den anzuwendenden Strafrahmen in allen Fällen den jeweiligen Bestimmungen über den minder schweren Fall entnommen hat, hält der Rechtsfolgenausspruch auch im Übrigen - jedenfalls im Ergebnis - rechtlicher Nachprüfung stand. Zwar hat das Landgericht - entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - im Fall II. 3 der Urteilsgründe eine weitere Strafrahmenverschiebung, etwa nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB, nicht näher erörtert und bei allen Fällen das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes des § 46a Nr. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB überhaupt nicht geprüft. Dass die Bemessung der weiteren Einzelstrafen darauf beruht, kann der Senat jedoch ausschließen.

Da auch die Gesamtstrafe unverständlich niedrig bemessen wurde, hat diese trotz des durch die Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO bewirkten Wegfalls von zwei Einzelstrafen im Ergebnis ebenfalls Bestand. Es ist nicht anzunehmen, dass das Landgericht - auch angesichts der verbleibenden Einzelstrafen und der Einsatzstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten - eine noch mildere Gesamtstrafe verhängt hätte.

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 266

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede