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HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 1035

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 305/12, Beschluss v. 23.08.2012, HRRS 2012 Nr. 1035


BGH 4 StR 305/12 - Beschluss vom 23. August 2012 (LG Hagen)

Anforderungen an die Beweiswürdigung beim Vorwurf von Sexualstraftaten (Bedeutung schwer erklärlicher Erinnerungslücken zu sexuellen Kontakten mit dem Angeklagten; relative Bedeutung der Aussagekonstanz); schwerer sexueller Missbrauch Widerstandsunfähiger.

§ 261 StPO; § 179 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Macht ein Zeuge in Bezug auf ein wenig vergessensanfälliges Erleben eine unter normalen Bedingungen nicht erklärbare Erinnerungslücke geltend, besteht Grund zu der Annahme, dass er dieses Thema meiden will und sein Aussageverhalten auch im Übrigen einer entsprechenden Steuerung unterliegt (hier: Erinnerungslücken hinsichtlich früherer sexueller Kontakte zum Angeklagten). Das Tatgericht muss in einem solchen Fall erörtern, ob die Nebenklägerin der Frage nach weiteren, insbesondere einvernehmlichen sexuellen Kontakten mit dem Angeklagten ausweichen wollte und - bejahendenfalls - inwieweit sich daraus Schlüsse auf eine entsprechende Steuerung ihrer Aussage auch in Bezug auf die Schilderung des Tatgeschehens ziehen lassen.

2. Die Erwägung, dass bei einer erfundenen Aussage eine "komplikationslose Verneinung" der Frage nach einvernehmlichen sexuellen Handlungen zu erwarten gewesen wäre, vermag die glaubwürdigkeitskritische Bedeutung der geltend gemachten Erinnerungslücke nicht zu entkräften.

3. Der Annahme, dass in der Übereinstimmung von Aussageinhalten in aufeinanderfolgenden Vernehmungen ein Indiz für das Vorliegen einer erlebnisbegründeten Aussage gesehen werden kann, liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Beobachtungen realer Vorgänge und eigene Erlebnisse zuverlässiger gespeichert werden, als aus dem Allgemeinwissen zusammengesetzte oder von Dritten vorgegebene Inhalte. Eine für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung bedeutsame Konstanz kann sich daher nur in Bezug auf hinreichend komplexe Sachverhaltsschilderungen ergeben. Sie lässt sich dagegen nur mit Einschränkungen auf die wiederholte Äußerung stützen, zu einem bestimmten Geschehen nichts mehr zu wissen.

4. Eine Inkonstanz in den Bekundungen eines Zeugen stellt einen Hinweis auf mangelnde Glaubhaftigkeit der Angaben insgesamt dar, wenn sie nicht mehr mit natürlichen Gedächtnisunsicherheiten erklärt werden kann. Bei der Schilderung von körpernahen Ereignissen ist im Allgemeinen zu erwarten, dass der Zeuge globale Körperpositionen bei der Haupthandlung auch über längere Intervalle in Erinnerung behält.

5. In einem Fall in dem Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung allein davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat, die die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten beeinflussen können.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 7. Februar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Plettenberg vom 3. Mai 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt. Seine Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

Die der Verurteilung des Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger zu Grunde liegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Nach den Feststellungen lebte der Angeklagte mit der Nebenklägerin und deren Lebensgefährten, einem Halbbruder des Angeklagten, in einer Wohnung. Im Dezember 2009 suchte die Nebenklägerin den Angeklagten in seinem Zimmer auf, weil sie nicht schlafen konnte. Zuvor hatte sie ein ihr verschriebenes Antidepressivum in einer überhöhten Dosis eingenommen, das eine beruhigende und schlaffördernde Wirkung hatte. Beide setzten sich auf das Bett des Angeklagten und sahen sich eine DVD an. Nachdem die Nebenklägerin auf dem Bett liegend eingeschlafen war, entkleidete der Angeklagte ihren Unterleib und führte an ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr aus. Als die Nebenklägerin erwachte, stieß sie den Angeklagten von sich, der daraufhin außerhalb ihres Körpers zur Ejakulation kam (UA 10). Die schockierte Nebenklägerin verließ das Zimmer und begab sich weinend ins Bad, um sich zu waschen. Anschließend kehrte sie zu ihrem schlafenden Lebensgefährten zurück, ohne ihm etwas von dem Geschehenen zu berichten. Als die Nebenklägerin den Angeklagten am nächsten Tag auf den Vorfall ansprach, erklärte dieser, dass er von einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr ausgegangen sei. Am 17. Dezember 2009 erfuhr die Nebenklägerin von ihrer Frauenärztin, dass sie schwanger ist. Daraufhin erklärte sie dem Angeklagten, dass sie den Vorfall nun ihrem Lebensgefährten offenbaren werde, weil sie sich des genauen Zeitpunkts des Geschlechtsverkehrs mit ihm nicht mehr sicher war und deshalb befürchtete, er könnte der Vater des Kindes sein (UA 11).

Der Angeklagte hat angegeben, dass ihn die Nebenklägerin in seinem Zimmer aufgesucht habe und es in der Folge zu einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gekommen sei. Bereits zuvor habe es bei zwei Gelegenheiten sexuelle Kontakte (Handverkehr) zwischen ihm und der Nebenklägerin gegeben. Drei bis vier Tage nach dem Vorfall habe die Nebenklägerin einen Schwangerschaftstest durchgeführt, der positiv verlaufen sei. Daraufhin habe sie ihm vorgeworfen, dass er der Vater sei und angekündigt, ihrem Lebensgefährten von dem Vorfall zu erzählen. Er habe sie daraufhin eindringlich gebeten, dabei die Wahrheit zu sagen. Dies habe die Nebenklägerin mit der Begründung abgelehnt, dass dann ihr Lebensgefährte die Beziehung zu ihr beenden würde. Sie werde deshalb behaupten, der Angeklagte habe sie vergewaltigt, nachdem sie unter dem Einfluss eingenommener Medikamente eingeschlafen sei (UA 15).

Das Landgericht hat die Verurteilung des Angeklagten auf die für glaubhaft erachtete Einlassung der Nebenklägerin gestützt. Dabei ist das Landgericht dem aussagepsychologischen Gutachten der Sachverständigen O. gefolgt, die zu dem Schluss gelangt ist, dass die Angaben der Nebenklägerin ausschließlich mit der Erlebnishypothese in Einklang zu bringen sind (UA 21 f.).

2. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 1 StR 501/11, NStZ-RR 2012, 148, 149; Urteil vom 6. November 1998 - 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). In einem Fall in dem Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung allein davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat, die die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten beeinflussen können (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 1 StR 501/11, NStZ-RR 2012, 148, 149; Beschluss vom 15. Januar 2008 - 4 StR 533/07; Beschluss vom 22. Januar 2002 - 5 StR 549/01, NStZ-RR 2002, 146; Beschluss vom 23. Mai 2000 - 1 StR 156/00, NStZ 2000, 496, 497). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

a) Die Ausführungen des Landgerichts zu den Angaben der Nebenklägerin in Bezug auf frühere sexuelle Kontakte mit dem Angeklagten lassen besorgen, dass nahe liegende Gesichtspunkte nicht in Betracht gezogen worden sind, deren Berücksichtigung zu einem für den Angeklagten günstigeren Ergebnis führen könnte.

Die Nebenklägerin hat in der Hauptverhandlung (UA 18) und bei ihrer zweiten polizeilichen Einvernahme im Ermittlungsverfahren angegeben (UA 26, 31), an sexuelle Kontakte mit dem Angeklagten im Vorfeld des Tatgeschehens keine Erinnerung zu haben. Das Landgericht hat darin kein gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben sprechendes Indiz gesehen, weil bei einer "konstruierten Aussage" eine "komplikationslose Verneinung" dieser Frage zu erwarten gewesen wäre. Zudem habe die Nebenklägerin die ihr verordneten Medikamente schon vor dem Tatgeschehen in eigenmächtig überhöhter Dosierung eingenommen, sodass aus ihrer Sicht zumindest die Möglichkeit bestanden habe, dass sich der Angeklagte ihr zuvor schon in ähnlicher Weise genähert und sexuelle Handlungen an ihr begangen haben könnte (UA 32).

Macht ein Zeuge in Bezug auf ein wenig vergessensanfälliges Erleben eine unter normalen Bedingungen nicht erklärbare Erinnerungslücke geltend, besteht Grund zu der Annahme, dass er dieses Thema meiden will und sein Aussageverhalten auch im Übrigen einer entsprechenden Steuerung unterliegt. Das Landgericht hätte daher erörtern müssen, ob die Nebenklägerin der Frage nach weiteren, insbesondere einvernehmlichen sexuellen Kontakten mit dem Angeklagten ausweichen wollte und - bejahendenfalls - inwieweit sich daraus Schlüsse auf eine entsprechende Steuerung ihrer Aussage auch in Bezug auf die Schilderung des Tatgeschehens ziehen lassen.

Die Erwägung, dass bei einer erfundenen Aussage eine "komplikationslose Verneinung" der Frage nach einvernehmlichen sexuellen Handlungen zu erwarten gewesen wäre, vermag die glaubwürdigkeitskritische Bedeutung der geltend gemachten Erinnerungslücke nicht zu entkräften. Zwar trifft es zu, dass ein falsche Anschuldigungen erhebender Zeuge häufig darauf bedacht sein wird, seine Einlassung von Schwächen freizuhalten (vgl. Niehaus in Volbert/ Steller, Handbuch der Rechtspsychologie, S. 314), sodass in dem Zugeständnis von Erinnerungslücken ein motivationsbezogenes Glaubhaftigkeitsmerkmal gesehen werden kann (vgl. Jansen, Zeuge und Aussagepsychologie, 2. Aufl. Rn. 732), doch kann dies nur für Erinnerungslücken gelten, die mit allgemeinen Gedächtnisgesetzmäßigkeiten erklärbar sind und deshalb auf eine ungesteuerte Aussageweise hindeuten. So liegt es hier aber gerade nicht.

Die Annahme des Landgerichts, die Nebenklägerin könnte im Unklaren darüber gewesen sein, ob sie schon zuvor von dem Angeklagten ohne ihr Wissen in ähnlicher Weise sexuell angegangen worden ist, findet in den Urteilsgründen keine Stütze und ist eine bloße Vermutung. Sie ist zudem unbehelflich, weil ein solcher sexueller Kontakt unfreiwillig gewesen wäre und es an dieser Stelle vornehmlich um die Frage ging, ob die Nebenklägerin freiwillig sexuelle Handlungen mit dem Angeklagten vorgenommen hat.

b) Die Wertung des Landgerichts, wonach sich "gerade auch in den bestehenden Erinnerungslücken" eine Konstanz in der Aussage der Nebenklägerin gezeigt habe (UA 30, 31), korrespondiert nicht in jeder Hinsicht mit allgemeinen Erfahrungssätzen.

Der Annahme, dass in der Übereinstimmung von Aussageinhalten in aufeinanderfolgenden Vernehmungen ein Indiz für das Vorliegen einer erlebnisbegründeten Aussage gesehen werden kann, liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Beobachtungen realer Vorgänge und eigene Erlebnisse zuverlässiger gespeichert werden, als aus dem Allgemeinwissen zusammengesetzte oder von Dritten vorgegebene Inhalte (vgl. Arntzen, Psychologie der Zeugenaussage, 5. Aufl., S. 51). Eine für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung bedeutsame Konstanz kann sich daher nur in Bezug auf hinreichend komplexe Sachverhaltsschilderungen ergeben (Greuel, Wirklichkeit-Erinnerung-Aussage, S. 38; Arntzen, Psychologie der Zeugenaussage, 5. Aufl., S. 53 ff.). Sie lässt sich dagegen nur mit Einschränkungen auf die wiederholte Äußerung stützen, zu einem bestimmten Geschehen nichts mehr zu wissen.

c) Die Bewertung der Abweichungen in den Angaben der Nebenklägerin zum Kerngeschehen weist einen Erörterungsmangel auf.

Die Nebenklägerin hat im Ermittlungsverfahren angegeben, bei dem Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten auf der rechten Seite mit etwa rechtwinklig angewinkelten Beinen gelegen zu haben, während der Angeklagte auf dem Bett hinter ihr kniete und von hinten in sie eingedrungen sei. Ob sie tatsächlich auf der rechten Seite gelegen habe, könne sie nicht mehr mit Bestimmtheit sagen (UA 25). Bei der drei Wochen später erfolgten Exploration durch die Sachverständige war sich die Nebenklägerin hinsichtlich ihrer Lage auf dem Bett nicht mehr sicher. Sie gab an, dass sich "vor ihren Augen ein Bild entwickelt" habe, nach dem sie auf dem Rücken gelegen und der Angeklagte sich über ihr befunden habe (UA 27). In der Hauptverhandlung erklärte die Nebenklägerin hierzu "dass sie gelegen und sich der Angeklagte über ihr befunden habe. Ob sie dabei auf der rechten Seite gelegen habe, könne sie nicht mehr sagen" (UA 19). Die vom Landgericht angehörte Sachverständige hat diese Abweichungen für unbedenklich gehalten, weil die polizeiliche Aussage nicht zeitnah zu dem Tatgeschehen erfolgt und die Zeugin bestrebt gewesen sei, den Vorfall zu verdrängen (UA 29). Dem hat sich das Landgericht angeschlossen (UA 30) und weiter ausgeführt, dass bei einer Aussagekonstruktion zu erwarten gewesen wäre, dass die Nebenklägerin bestehende Unsicherheiten im Lauf der Vernehmungen ausräumt (UA 31).

Eine Inkonstanz in den Bekundungen eines Zeugen stellt einen Hinweis auf mangelnde Glaubhaftigkeit der Angaben insgesamt dar, wenn sie nicht mehr mit natürlichen Gedächtnisunsicherheiten erklärt werden kann (BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 172). Bei der Schilderung von körpernahen Ereignissen ist im Allgemeinen zu erwarten, dass der Zeuge globale Körperpositionen bei der Haupthandlung auch über längere Intervalle in Erinnerung behält (Arntzen, Psychologie der Zeugenaussage, 5. Aufl., S. 53; Greuel, Wirklichkeit-Erinnerung-Aussage, S. 38 f.). Das Landgericht hätte sich daher näher damit auseinandersetzen müssen, dass die Nebenklägerin ihre eigene Gesamtkörperposition bei zwei kurz aufeinanderfolgenden Vernehmungen abweichend geschildert hat. Mit einem Bemühen um Verdrängung ist dies nicht ohne Weiteres erklärbar.

d) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht ein Falschaussagemotiv ausgeschlossen hat, stehen nicht im Einklang mit dem übrigen Beweisergebnis.

Das Landgericht hat in Betracht gezogen, dass die Nebenklägerin aufgrund der bei ihr festgestellten Schwangerschaft gegenüber ihrem Lebensgefährten ein schlechtes Gewissen bekommen und sich daraufhin zu rechtfertigen versucht haben könnte. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass für die Nebenklägerin im Fall einvernehmlicher sexueller Handlungen nicht die Notwendigkeit bestanden hätte, sich ihrem Lebensgefährten anzuvertrauen. Sie habe sich nicht in einer Rechtfertigungssituation befunden, da die Vaterschaft ihres Lebensgefährten von keiner Seite angezweifelt worden sei. Die Offenbarung des Vorfalls habe vielmehr nur die Funktion gehabt, sich durch eine Aussprache von einem innerlich belastenden Erleben zu befreien. Ein einvernehmliches sexuelles Erleben mit dem Angeklagten hätte sie hingegen verschweigen können. Insofern deuteten die gewichtigeren Umstände darauf hin, dass ein sich stetig steigernder innerer Druck, der durch die Schwangerschaft entscheidend verstärkt worden sei, dazu geführt habe, dass sie sich ihrem Lebensgefährten habe anvertrauen müssen (UA 39).

Nach den Feststellungen hat die Nebenklägerin ihrem Lebensgefährten den Vorfall unmittelbar nach dem positiv verlaufenen Schwangerschaftstest offengelegt und dies gegenüber dem Angeklagten damit begründet, dass sie sich des genauen Zeitpunkts des Geschlechtsverkehrs mit ihm, dem Angeklagten, nicht mehr sicher sei und deshalb befürchte, er könne der Vater des Kindes sein (UA 11). Nichts anderes ergibt sich aus der Aussage der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung (UA 20). Anlass für die Offenbarung war danach allein die konkrete Angst, infolge des Geschlechtsverkehrs mit dem Angeklagten schwanger geworden zu sein und nicht ein sich stetig steigernder innerer Druck. Die Erwägung, dass für die Nebenklägerin bei einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr kein Grund bestanden hätte, sich ihrem Lebenspartner anzuvertrauen, geht vor diesem Hintergrund ebenso ins Leere, wie die Annahme, dass sie sich nicht in einer Rechtfertigungssituation befunden habe, weil bisher noch keine Zweifel in Bezug auf die Vaterschaft angemeldet worden seien.

Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Dazu wird es sich empfehlen, einen anderen Sachverständigen zu Rate zu ziehen.

II.

Sollte das Landgericht wieder zu einer Verurteilung gelangen, wird erneut eine nachträgliche Gesamtstrafe (§ 55 Abs. 1 StGB) gebildet werden müssen. Dazu sind die in dem früheren Urteil verhängten Einzelstrafen festzustellen, da allein sie in die nachträglich zu bildende Gesamtstrafe einfließen und die Gesamtstrafe aus dem früheren Urteil aufgelöst wird (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1958 - 1 StR 312/58, BGHSt 12, 99; SSW/StGB/Eschelbach, § 55 Rn. 24).

HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 1035

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2012, 383; StV 2014, 127

Bearbeiter: Karsten Gaede