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HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 72

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 354/11, Urteil v. 10.11.2011, HRRS 2012 Nr. 72


BGH 4 StR 354/11 - Urteil vom 10. November 2011 (LG München II)

Verfassungsgemäße Anwendung der Sicherungsverwahrung nach dem Urteil des BVerfG vom 4.5.2011 (strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung; Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten); Strafzumessung (Revisibilität bei der Milderung wegen eines Versuchs und Einstufung als minder schwerer Fall).

§ 66 StGB; Art. 316e EGStGB; Art. 2 Abs. 2 GG; § 46 StGB; § 23 StGB; § 224 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 3. Februar 2011 im Ausspruch über die Anordnung der Sicherungsverwahrung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten und die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorgenannte Urteil werden verworfen.

3. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Sachbeschädigung in vier Fällen (Fälle III. 1. der Urteilsgründe), gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen (Fälle III. 2. und 4.), vorsätzlicher Körperverletzung (Fall III. 3.), fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (Fälle III. 5.) sowie wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung, Sachbeschädigung, versuchter Körperverletzung, versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Bedrohung in zwei tateinheitlichen Fällen (Fälle III. 6.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat ferner eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts.

Während die Revision des Angeklagten den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg hinsichtlich des Maßregelausspruchs erzielt, bleibt die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg.

I.

1. Dem angefochtenen Urteil liegen u. a. folgende Taten zugrunde:

Am 18. Juni 2010 schlug ein Daniel M. in einem Bus in Geretsried dem Geschädigten Kai G. ins Gesicht, da dieser ihn bei der Polizei belastet hatte. Der dabeistehende, alkoholisierte Angeklagte schlug unmittelbar darauf dem G. auch ein- oder zweimal ins Gesicht (Fall III. 2., Einzelstrafe neun Monate). Am 7. August 2010 schlug der Angeklagte ohne jeden Anlass dem zufällig vorbeigehenden Peter Gl. mehrfach mit der Faust ins Gesicht, wodurch dieser einen Nasenbeinbruch erlitt. Er attackierte ihn dann weiter gemeinsam mit seinem Halbbruder Ivan P. mit Schlägen und auch gegen den Kopf gerichteten Tritten, bis ein Zeuge dazwischentrat, der ebenfalls noch einen Schlag ins Gesicht erhielt (Fall III. 4., Einzelstrafe drei Jahre).

Am 11. September 2010 hatte der Angeklagte eine Auseinandersetzung mit seiner Freundin Veronika Me. Er warf das Mobilteil ihres Telefons gegen die Wand und versuchte, sie ins Gesicht zu schlagen, was sie abwehren konnte. Als sich Veronika Me. im Badezimmer einschloss, trat der Angeklagte ein Loch in die Tür. Als kurz darauf Andrej Me. seiner Tochter zu Hilfe eilte, ging der Angeklagte mit der Faust auf ihn los und wollte ihn schlagen. Andrej Me. konnte ihn wegschubsen und gemeinsam mit einem Bekannten zu Boden bringen. Nach dem Eintreffen der Polizei wehrte sich der Angeklagte gegen die Fesselung und trat nach den Beamten und Andrej Me., ohne sie zu treffen. Beim Abführen drohte er Veronika und Andrej Me., sie mit seinen Freunden umzubringen (Fälle III. 6.). Das Landgericht hat für die Sachbeschädigung des Telefons und die versuchte Körperverletzung zu Lasten von Veronika Me. jeweils sieben Monate Freiheitsstrafe verhängt, für die Sachbeschädigung der Badezimmertür, die versuchte Körperverletzung zum Nachteil von Andrej Me. und die Bedrohung jeweils sechs Monate Freiheitsstrafe und für den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung zu Lasten der Beamten und des Andrej Me. eine Freiheitsstrafe von acht Monaten.

2. Der Angeklagte ist vielfach vorbestraft, insbesondere auch mit Körperverletzungsdelikten in Erscheinung getreten. Das Landgericht hat hierzu u. a. Folgendes festgestellt:

Am 8. Februar 2002 verhängte das Amtsgericht Wolfratshausen gegen ihn eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten u. a. wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen. Der Angeklagte hatte am 25. November 2000 zusammen mit seinem Bruder Valeri S. eine Gruppe von drei Jugendlichen angegriffen und sie mit voller Wucht mit der Hand oder mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Während es zwei Jugendlichen gelang, zu flüchten, ging der dritte bei der Verfolgung zu Boden und wurde vom Angeklagten und Valeri S. mehrfach bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen und getreten.

Am 16. März 2001 hatte der Angeklagte einen Jugendlichen mit dem beschuhten Fuß gegen den Oberschenkel getreten, so dass der zu Boden ging. Daraufhin trat ihm der Angeklagte ins Gesicht. Am 24. September 2001 war der Angeklagte einem Bekannten begegnet und hatte ihn nach kurzer Unterhaltung unvermittelt mit der Faust wuchtig ins Gesicht geschlagen.

Am 30. September 2001 hatte er auf dem Bahnhof einen Mann nach einem kurzen Gespräch unvermittelt gegen den Kopf gestoßen, so dass dieser auf die Gleise fiel. Als der Geschädigte aufstehen wollte, trat ihm der Angeklagte gegen den Kopf, so dass er erneut rücklings auf die Gleise fiel. Am 7. Oktober 2001 griffen der Angeklagte und Valeri S. einen Passanten auf der Straße unvermittelt an, indem Valeri S. wuchtig seinen Kopf in dessen Gesicht stieß. Beide rissen den Geschädigten zu Boden und schlugen und traten auf ihn ein. Als sich der Geschädigte aufrichten wollte, trat ihm Valeri S. mit voller Wucht gegen das linke Auge. Der Geschädigte blieb daraufhin benommen liegen. Als ihm vier Personen zu Hilfe kamen, wurden sie vom Angeklagten und seinem Bruder attackiert, mit Fäusten geschlagen und getreten. Zwei der Personen wurden zu Boden gerissen und mit Faustschlägen und Fußtritten traktiert. Die vier konnten schließlich in ein Bowlingbahngebäude fliehen. Der zunächst angegriffene Geschädigte erlitt schwere Gesichtsverletzungen, u. a. eine Orbitabodenfraktur und eine Lidlazeration links mit möglicherweise bleibenden Schäden am linken Auge.

Am 2. Mai 2006 wurde der Angeklagte vom Amtsgericht Wolfratshausen wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus einer früheren Entscheidung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Der Angeklagte hatte am 14. Mai 2005 auf dem Parkplatz vor einem Jugendzentrum ohne jeden Anlass dem dort stehenden Musiker F. einen Faustschlag ins Gesicht versetzt. Sodann schlug er gemeinsam mit einem Mittäter auf F. ein. Als dieser zu fliehen versuchte, folgten ihm die beiden und traten auf ihn ein. Als ein weiterer Musiker, K., dem Geschädigten zu Hilfe kommen wollte, versetzte ihm Valeri S. einen Faustschlag ins Gesicht, so dass er zu Boden stürzte. Alle drei schlugen und traten nun auf K. ein. Einem Zeugen, der zu Hilfe eilte, versetzte der Angeklagte einen Faustschlag aufs Kinn und einen Fußtritt gegen die Schulter. Wegen der gefährlichen Körperverletzungen zum Nachteil von F. und K. verhängte das Amtsgericht jeweils Einzelstrafen von einem Jahr und neun Monaten, für die Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen eine Einzelstrafe von einem Jahr.

Der Angeklagte befand sich vom 21. oder 22. Dezember 2001 bis zum 6. April 2004 und vom 22. Oktober 2005 bis zum 25. März 2010 in Haft.

3. Das sachverständig beratene Landgericht hat bei dem Angeklagten in allen Fällen eine Verminderung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB aufgrund der zu den jeweiligen Tatzeiten bestehenden Alkoholisierung und dessen dissozialer Persönlichkeitsstörung ausgeschlossen. Von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hat es mangels Erfolgsaussicht abgesehen. Die Strafkammer hat einen Hang zur Begehung von Straftaten bejaht und die Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 StGB n.F. angeordnet. Dass der Angeklagte aus geringem Anlass, teilweise auch ohne jeden äußeren Anlass erhebliche Körperverletzungsdelikte begehe, begründe eine besondere Gefährlichkeit für die Allgemeinheit. Die Taten seien nach der Einschätzung der Sachverständigen aus der Persönlichkeit des Angeklagten abzuleiten. Die Persönlichkeitsstörung sei nicht therapierbar, möglicherweise komme es im Alter von etwa Mitte 40 zu einer Verhaltensänderung. Die Art der Taten sei erheblich, die Opfer seien schwer geschädigt worden. Der Geschädigte Gl. habe einen Nasenbeinbruch erlitten; bei einem wehrlosen Opfer hätten die Tritte gegen den Kopf schwere bis lebensgefährliche Verletzungen hervorrufen können. Es bestehe eine hohe Wiederholungsgefahr für die Begehung vergleichbarer Delikte. Anhaltspunkte für eine positive Änderung der Persönlichkeit des Angeklagten während der Verbüßung der Strafhaft gebe es nicht.

II.

1. Die Revision des Angeklagten bleibt zum Schuld- und zum Strafausspruch sowie hinsichtlich der Anordnung einer Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis ohne Erfolg. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils hat insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

2. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung hält unter Berücksichtigung der Maßgaben der durch das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4. Mai 2011 (NJW 2011, 1931 ff.) erlassenen Weitergeltungsanordnung zu § 66 Abs. 2 StGB sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.

Zwar hat die Strafkammer nach dem zum Zeitpunkt ihres Urteils maßgeblichen Rechtszustand im Ergebnis fehlerfrei auf Sicherungsverwahrung erkannt. Die formellen Voraussetzungen sind auch nach § 66 Abs. 2 StGB a.F., demgegenüber das neue Recht nicht milder ist (vgl. Art. 316e Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 EGStGB), erfüllt. Der Angeklagte ist viermal wegen Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit zu Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und drei Jahren verurteilt worden, und zwar durch drei Einzelstrafen im Urteil des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 2. Mai 2006 und durch die jetzt im Fall III. 4. verhängte Einzelstrafe von drei Jahren. Nachvollziehbar hat das Landgericht auch einen Hang des Angeklagten zur Begehung schwerer Straftaten sowie seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit bejaht.

Die Urteilsgründe genügen indes nicht den Anforderungen der vom Bundesverfassungsgericht nunmehr geforderten strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung. Danach muss in der Regel eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten sein (BVerfG aaO Rn. 172). Hierin liegt eine Einschränkung gegenüber den Taten, die nach bisher geltendem Recht Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2011 - 3 StR 175/11 Rn. 19). Nicht alle "erheblichen Straftaten", durch welche die Opfer "seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden" (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB n.F.), sind auch "schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten" im Sinne der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts zur Weitergeltung von § 66 StGB. Das Landgericht hat entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage die Erheblichkeit der vom Angeklagten begangenen und zu erwartenden Straftaten bejaht. Es hat dabei ausdrücklich die Verletzungshandlung gegenüber dem Geschädigten Gl. als jedenfalls im Bereich der mittleren Kriminalität liegend (UA S. 34) bewertet und festgestellt, dass gleichartige Taten jederzeit zu erwarten seien. Hinsichtlich der Schläge in das Gesicht des Geschädigten G. ist es hingegen davon ausgegangen, dass die Verletzungshandlung und die Verletzungsfolgen geringfügig waren (UA S. 30). Diese Ausführungen lassen nicht mit der notwendigen Klarheit erkennen, dass das Landgericht die erforderliche Gefahrprognose auch für schwere Gewaltdelikte im Sinne der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts gestellt hat.

III.

1. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt. Zwar hat die Staatsanwaltschaft die Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch beantragt, dies steht jedoch mit dem übrigen Inhalt der insoweit maßgeblichen Revisionsbegründungsschrift, die sich nur gegen die Strafzumessung richtet, nicht im Einklang.

2. Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung der Strafrahmen sowie die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe sind nach Maßgabe der insoweit eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungskompetenz nicht zu beanstanden.

a) Soweit die Revisionsführerin der Ansicht ist, dass das Landgericht im Fall III. 2. zu Unrecht vom Vorliegen eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung ausgegangen ist, zeigt die Revisionsbegründung keinen Rechtsfehler auf.

Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung dieses Strafrahmens geboten erscheint. Für die Prüfung dieser Frage ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Die Erschwernis- und Milderungsgründe auf diese Weise nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen, ist Sache des Tatrichters. Seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar. Weist sie keinen Rechtsfehler auf, ist sie deshalb auch dann hinzunehmen, wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre oder vielleicht sogar näher gelegen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 2010 - 4 StR 53/10 Rn. 8 mwN).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Annahme eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung im Fall III. 2. der Urteilsgründe nicht zu beanstanden. Insbesondere lassen die Urteilsgründe nicht besorgen, dass das Landgericht bei seiner Abwägung die vielfachen einschlägigen Vorstrafen, die im Einzelnen dargestellt sind, und die Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten außer Betracht gelassen haben könnte. Dass der Angeklagte selbst in diesem Fall aus besonders verwerflichen Rachemotiven heraus handelte, ist nicht festgestellt. Die Revisionsbegründung führt dementsprechend auch aus, dass sich der Vorfall für den Angeklagten als Gelegenheit dargestellt habe, seiner Neigung entsprechend eine ihm vor dem Vorfall völlig unbekannte Person anzugreifen und zu verletzen.

b) Auch die Beanstandungen der Revisionsführerin gegen die Milderung der Strafrahmen in den Fällen der versuchten Körperverletzung im Tatkomplex III. 6. greifen letztlich nicht durch.

Die Frage einer Verschiebung des Strafrahmens wegen Versuchs ist auf Grund einer Gesamtschau der Tatumstände im weitesten Sinne sowie der Persönlichkeit des Täters zu entscheiden. Dabei kommt besonderes Gewicht den wesentlich versuchsbezogenen Umständen zu, nämlich Nähe der Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und aufgewandte kriminelle Energie, weil sie die wichtigsten Kriterien für die Einstufung des Handlungs- und Erfolgsunwerts einer nur versuchten Tat liefern (BGH, Urteil vom 15. Februar 1995 - 2 StR 482/94, NStZ 1995, 285 mwN). Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, dass das Landgericht die vorgenommene Strafrahmenverschiebung nicht ausdrücklich begründet hat. Ersichtlich hat es jedoch den vorstehend dargelegten Grundsätzen bei der von ihm getroffenen Ermessensentscheidung Rechnung getragen. Nach den Feststellungen zu den versuchten Körperverletzungsdelikten im Tatkomplex III. 6. drängt sich eine Versagung der Strafmilderung nicht auf.

HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 72

Bearbeiter: Karsten Gaede