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HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 625

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 79/10, Beschluss v. 01.06.2010, HRRS 2010 Nr. 625


BGH 4 StR 79/10 - Beschluss vom 1. Juni 2010 (LG Schwerin)

Unbegründeter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Urteilszustellung an den Pflichtverteidiger: erfolgreiche formlose Übersendung einer Abschrift an den Angeklagten kein Wirksamkeitserfordernis).

§ 44 StPO; § 145a Abs. 1 StPO

Entscheidungstenor

1. Die Anträge des Angeklagten und seiner Verteidiger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 2. Februar 2009 werden verworfen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "gewerbsmäßigen Betruges" in 18 Fällen unter Einbeziehung der in einem amtsgerichtlichen Urteil verhängten Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und bestimmt, dass "zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ... ein Teil von sechs Monaten der verhängten Strafe als vollstreckt" gilt. Ferner hat es den Angeklagten wegen "gewerbsmäßigen Betruges" in weiteren 42 Fällen unter Einbeziehung der Strafen eines anderen amtsgerichtlichen Urteils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Wegen Versäumung der Revisionseinlegungsfrist haben der Verurteilte und seine Verteidiger mehrere Wiedereinsetzungsanträge gestellt; zudem hat der Verurteilte Revision eingelegt. Keiner der Wiedereinsetzungsanträge hat Erfolg. Die Revision ist unzulässig.

1. Die Anträge auf Wiedereinsetzung in die Revisionseinlegungsfrist haben keinen Erfolg.

a) Das Wiedereinsetzungsgesuch des Verurteilten vom 13. Dezember 2009 ist jedenfalls unbegründet.

Die am 16. April 2009 bewirkte Zustellung des am 2. Februar 2009 verkündeten Urteils durfte nach § 145a Abs. 1 StPO an den Pflichtverteidiger des Angeklagten erfolgen, obwohl dieses Urteil in Abwesenheit des Angeklagten - der sich während der laufenden Hauptverhandlung in die Dominikanische Republik abgesetzt hatte - verkündet worden war (vgl. KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl., § 341 Rdn. 19 m.w.N.). Die erfolgreiche formlose Übersendung einer Abschrift des Urteils an den Angeklagten nach § 145a Abs. 3 Satz 1 StPO ist nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit dieser Zustellung (vgl. KK-Laufhütte aaO § 145a Rdn. 6 m.w.N.). Darin, dass der Angeklagte die Urteilsabschrift trotz des Übersendungsversuchs an seine letzte bekannte Anschrift in Deutschland nach seinen Angaben nicht erhalten haben will, liegt ungeachtet der fehlenden Glaubhaftmachung im Hinblick darauf, dass der Angeklagte bei der Fortsetzung der Hauptverhandlung ab dem 3. November 2008 eigenmächtig ausgeblieben ist, er erfolglos zum Strafantritt in anderer Sache geladen worden war und er ab dem 10. November 2008 mit Haftbefehl gesucht wurde, kein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 44 Satz 1 StPO.

Auch soweit der Verurteilte in seinem Schreiben vom 13. Dezember 2010 in anderem Zusammenhang geltend macht, dass dem Urteil keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt gewesen sei, vermag dies die Wiedereinsetzung in die Revisionseinlegungsfrist nicht zu rechtfertigen. Denn es fehlt insofern jedenfalls an dem erforderlichen Vortrag, dass er diese Frist infolge des Fehlens der Belehrung nach § 35a StPO versäumt hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 44 Rdn. 22 m.w.N.). Dies liegt nach seinem eigenen Vortrag und Verhalten auch nicht nahe; denn er hat - trotz der nach seinen Angaben fehlenden Rechtsmittelbelehrung - nach der Aushändigung des Urteils am 12. Dezember 2009 bereits mit Schreiben vom 13. Dezember 2009 sowohl Revision eingelegt als auch einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt.

Sonstige Gründe, die geeignet sind, eine Wiedereinsetzung in die Revisionseinlegungsfrist zu rechtfertigen, wurden vom Verurteilten in seinem Schreiben vom 13. Dezember 2009 nicht vorgebracht.

b) Auch die später gestellten Wiedereinsetzungsanträge haben keinen Erfolg. Sie sind bereits unzulässig.

Da der Angeklagte - wie die von ihm im Schreiben vom 13. Dezember 2009 eingelegte Revision und der dort gestellte Wiedereinsetzungsantrag belegen - spätestens seit diesem Tag Kenntnis davon hatte, dass sein Pflichtverteidiger gegen das Urteil vom 2. Februar 2009 kein Rechtsmittel eingelegt hatte, ist bei allen ab Mitte Januar 2010 gestellten und hierauf gestützten Wiedereinsetzungsanträgen die Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht gewahrt.

2. Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 2. Februar 2009 ist mithin verspätet eingelegt (§ 341 Abs. 1, 2 StPO) und daher unzulässig.

Sie ist nach § 349 Abs. 1 StPO kostenpflichtig zu verwerfen.

HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 625

Externe Fundstellen: NStZ 2010, 584

Bearbeiter: Karsten Gaede