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HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 272

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 556/10, Beschluss v. 30.11.2010, HRRS 2011 Nr. 272


BGH 4 StR 556/10 - Beschluss vom 30. November 2010 (LG Essen)

Rechtsfehlerhaft unterbliebene Prüfung eines minder schweren Falles der sexuellen Nötigung.

§ 177 Abs. 1, Abs. 5 1. Halbsatz StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 16. Juli 2010 im Ausspruch über die in den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafen und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter sexueller Nötigung, unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Essen vom 7. August 2009 - 48 Js 1062/09 - und aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Oktober 2009 - 12 Js 571/08 - und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Von einem weiteren Tatvorwurf hat es den Angeklagten freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Sachrüge und mit einer Verfahrensrüge.

Das Rechtsmittel hat lediglich zum Strafausspruch einen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Zur Aufhebung des Strafausspruchs in den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe führt, dass das Landgericht jeweils den Regelstrafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt hat, ohne zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall im Sinne des § 177 Abs. 5 1. Halbsatz StGB vorliegt. Hierzu bestand im Fall II. bereits angesichts des festgestellten Tatgeschehens Veranlassung. Auch hat das Landgericht nicht bedacht, dass das Vorliegen eines vertypten Strafmilderungsgrundes, im Fall II. 2 sogar von zwei vertypten Strafmilderungsgründen, bereits für sich allein oder zusammen mit den festgestellten sonstigen Milderungsgründen einen minder schweren Fall begründen kann (st. Rspr., vgl. nur die Nachweise bei Fischer, StGB, 58. Aufl., § 50 Rn. 4 ff.).

Darüber hinaus hat das Landgericht bei der konkreten Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die Taten unter laufender Bewährung begangen hat. Dies trifft für die Fälle II. 1 und 2 der Urteilsgründe nicht zu. Beide Taten hat der Angeklagte vor der Verurteilung zu der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe durch das Amtsgericht Essen vom 7. August 2009 begangen. Der Senat kann nicht mit der gebotenen Sicherheit ausschließen, dass diese Mängel sich zum Nachteil des Angeklagten auf die Bemessung der verhängten Einzelstrafen ausgewirkt haben. Angesichts der erforderlichen umfassenden Gesamtabwägung sieht er auch von einer eigenen Entscheidung nach § 354 Abs. 1a StPO ab.

2. Die Aufhebung der genannten Einzelstrafen führt bereits zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Der neue Tatrichter wird ferner die Zäsurwirkung des Urteils des Amtsgerichts Essen vom 7. August 2009 zu beachten haben. Die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen worden und können bestehen bleiben.

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 272

Bearbeiter: Karsten Gaede