hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 878

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 333/10, Beschluss v. 10.08.2010, HRRS 2010 Nr. 878


BGH 4 StR 333/10 - Beschluss vom 10. August 2010 (LG Frankenthal)

Erörterungsmangel hinsichtlich des minder schweren Falles des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

§ 29a Abs. 2 BtMG; § 31 BtMG

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 4. Mai 2010 aufgehoben

a) im Strafausspruch,

b) soweit eine Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge gemäß § 67 Abs. 2 StGB unterblieben ist,

c) hinsichtlich der Anordnung des erweiterten Verfalls.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Es hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt, die Einziehung von Betäubungsmitteln und verschiedenen Gegenständen sowie den erweiterten Verfall von 1140 € angeordnet. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge 1 der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Schuldspruch hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Ausführungen des Landgerichts zur erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB begegnen zwar rechtlichen Bedenken, soweit von einer erheblichen Verminderung "der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit" ausgegangen wird, denn die Anwendung des § 21 StGB kann nicht zugleich auf seine beiden Alternativen gestützt werden (st. Rspr., vgl. u. a. BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 - 2 StR 529/65, BGHSt 21, 27, 28; BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 4 StR 314/05 - Rn. 7). Dieser Mangel gefährdet aber den Bestand des Urteils nicht, weil sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, dass das sachverständig beratene Landgericht das Fehlen der Einsicht in Folge verminderter Einsichtsfähigkeit rechtsfehlerfrei verneint hat.

2. Die Überprüfung des Urteils im Strafausspruch hat einen Rechtsfehler insoweit ergeben, als das Landgericht bei der Bestimmung des anzuwendenden Strafrahmens das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 29 a Abs. 2 BtMG nicht geprüft hat. Angesichts des Vorliegens von zwei vertypten Milderungsgründen nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB und § 31 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB lässt sich letztlich nicht ausschließen, dass der Tatrichter aufgrund eines oder beider vertypter Milderungsgründe einen minder schweren Fall bejaht hätte, auch wenn dies angesichts der einschlägigen Vorstrafen und des Bewährungsversagens des Angeklagten eher fern liegt. Hiervon kann die Höhe der verhängten Einzelstrafen beeinflusst sein.

Bei der Strafrahmenwahl hinsichtlich der Tat 1 der Urteilsgründe (Beschaffungsfahrt im August 2009) wird der neue Tatrichter entsprechend den Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 14. Juli 2010 auch die Frage der Anwendbarkeit der neuen oder der alten Regelung des § 31 BtMG zu prüfen haben.

3. Nicht erörtert hat das Landgericht weiterhin, ob ein Teil der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu vollstrecken ist.

Nach § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB soll das Gericht mit der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitlichen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Der neue Tatrichter wird demnach im Falle einer Gesamtfreiheitsstrafe von über drei Jahren - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen - die voraussichtliche Therapiedauer festzustellen und eine am Halbstrafenzeitpunkt orientierte Entscheidung über den Vorwegvollzug zu treffen haben.

4. Der Senat hat ferner die im Tenor des angefochtenen Urteils ausgesprochene Anordnung des erweiterten Verfalls aufgehoben, weil sie im Widerspruch zu den Urteilsgründen steht. Ausweislich der Urteilsgründe hat das Landgericht den Verfall von Wertersatz hinsichtlich der Gewinne aus den verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittelgeschäften anordnen wollen. Ein möglicherweise vorliegendes Schreibversehen ist hier nicht offensichtlich.

5. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht; ergänzende, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen sind zulässig.

HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 878

Bearbeiter: Karsten Gaede