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HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 643

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 208/10, Beschluss v. 01.06.2010, HRRS 2010 Nr. 643


BGH 4 StR 208/10 - Beschluss vom 1. Juni 2010 (LG Rostock)

Voraussetzung der Einheitsjugendstrafe (Einbeziehung früherer Verurteilungen).

§ 31 Abs. 2, Abs. 3 JGG

Leitsatz des Bearbeiters

Gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG ist bei der Ahndung von Straftaten nach Jugendstrafrecht, wenn eine anderweitig bereits rechtskräftig verhängte Jugendstrafe noch nicht erledigt ist, grundsätzlich auf eine einheitliche Rechtsfolge zu erkennen. Von der Einbeziehung der früheren Verurteilung darf nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn dies aus erzieherischen Gründen zweckmäßig ist (§ 31 Abs. 3 Satz 1 JGG). Ein Absehen von der Einbeziehung erfordert Gründe, die unter dem Gesichtspunkt der Erziehung von ganz besonderem Gewicht sind und zur Verfolgung dieses Zwecks über die üblichen Strafzumessungsgesichtspunkte hinaus das Nebeneinander zweier Jugendstrafen notwendig erscheinen lassen (vgl. BGHSt 36, 37, 42 ff.; BGH StraFo 2004, 394 m.w.N.).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 18. Dezember 2009 im Strafausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

II.

1. Die gegen den Angeklagten verhängte Einheitsjugendstrafe hat keinen Bestand, weil das Landgericht § 31 Abs. 2 und 3 JGG nicht beachtet hat.

a) Gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG ist bei der Ahndung von Straftaten nach Jugendstrafrecht, wenn eine anderweitig bereits rechtskräftig verhängte Jugendstrafe noch nicht erledigt ist, grundsätzlich auf eine einheitliche Rechtsfolge zu erkennen. Von der Einbeziehung der früheren Verurteilung darf nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn dies aus erzieherischen Gründen zweckmäßig ist (§ 31 Abs. 3 Satz 1 JGG). Ein Absehen von der Einbeziehung erfordert Gründe, die unter dem Gesichtspunkt der Erziehung von ganz besonderem Gewicht sind und zur Verfolgung dieses Zwecks über die üblichen Strafzumessungsgesichtspunkte hinaus das Nebeneinander zweier Jugendstrafen notwendig erscheinen lassen (vgl. BGHSt 36, 37, 42 ff.; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2004 - 2 StR 150/04, StraFo 2004, 394 m.w.N.).

b) Der Angeklagte wurde durch Urteil des Landgerichts Rostock vom 16. September 2009 rechtskräftig der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung für schuldig befunden (§ 27 JGG). Dieses Urteil ist noch nicht erledigt im Sinne des § 31 Abs. 2 JGG, so dass das Landgericht hätte prüfen müssen, ob es in die neue Verurteilung einzubeziehen oder ob - ausnahmsweise - aus erzieherischen Gründen nach § 31 Abs. 3 JGG von einer Einbeziehung abzusehen war. Da diese Prüfung rechtsfehlerhaft unterblieben ist, muss über die Frage der Einbeziehung und die Bildung einer Einheitsjugendstrafe neu entschieden werden.

2. Der Generalbundesanwalt weist zutreffend darauf hin, dass die zur neuen Entscheidung berufene Jugendkammer des Landgerichts auch zu prüfen haben wird, ob die Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hof vom 1. September 2008 bereits erledigt ist. Anderenfalls wäre insoweit eine Entscheidung gemäß § 105 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 JGG zu treffen. Sollte die Verurteilung inzwischen erledigt sein, wäre zu prüfen, ob die Zahlung einer Geldstrafe nach der hier zu ahndenden Tat bei der nach erzieherischen Gründen zu bemessenden Jugendstrafe zu berücksichtigen ist.

HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 643

Bearbeiter: Karsten Gaede