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HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 627

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 104/10, Beschluss v. 27.04.2010, HRRS 2010 Nr. 627


BGH 4 StR 104/10 - Beschluss vom 27. April 2010 (LG Detmold)

Strafrahmenwahl bei der Vergewaltigung (Gesamtwürdigung bei der Begründung eines besonders schweren Falles über ein Regelbeispiel).

§ 177 Abs. 2, Abs. 5 StGB; § 46 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Liegt das Regelbeispiel des § 177 Abs. 2 StGB vor, muss das Gericht bei der Strafrahmenwahl zunächst zu prüfen, ob der Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB trotz Vorliegens des Regelbeispiels wegen anderer erheblich schuldmindernder Umstände nicht anzuwenden ist, sondern von dem Normalstrafrahmen des Abs. 1 auszugehen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. März 2001 - 4 StR 558/00, StV 2001, 456 und vom 13. September 2005 - 4 StR 163/05, NStZ-RR 2006, 6, jew. m.w.N.).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 2. Dezember 2009 im gesamten Strafausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Soweit sich das Rechtsmittel gegen den Schuldspruch richtet, ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Dagegen halten die Aussprüche über die Einzelfreiheitsstrafen und über die Gesamtfreiheitsstrafe rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat die wegen der Vergewaltigungen der Nebenklägerin, seiner damaligen Ehefrau, verhängten Einzelfreiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten und von drei Jahren dem Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB entnommen. Die Wahl dieses Strafrahmens hat das Landgericht lediglich damit begründet, dass die Annahme minder schwerer Fälle (§ 177 Abs. 5 StGB) nicht gerechtfertigt sei. Dabei hat es nicht erkennbar bedacht, dass bei Vorliegen eines Regelbeispiels des § 177 Abs. 2 StGB bei der Strafrahmenwahl zunächst zu prüfen ist, ob trotz Vorliegens des Regelbeispiels wegen anderer erheblich schuldmindernder Umstände der Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB nicht anzuwenden, sondern von dem Normalstrafrahmen des Abs. 1 auszugehen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. März 2001 - 4 StR 558/00, StV 2001, 456 und vom 13. September 2005 - 4 StR 163/05, NStZ-RR 2006, 6, jew. m.w.N.).

Dies hätte unter den hier gegebenen Umständen insbesondere im Hinblick darauf der Erörterung bedurft, dass der Angeklagte bei Begehung der beiden Taten mit der Nebenklägerin verheiratet war und dass diese nach der ersten Tat im Winter 2004 weiterhin mit dem Angeklagten zusammenlebte und sich erst im Jahre 2008 von ihm trennte. Zumindest hinsichtlich der Tat im Winter 2004 hätte als weiterer gewichtiger Milderungsgrund der lange Zeitablauf seit dieser Tat in Betracht gezogen werden müssen.

Die dargestellten Mängel bei der Wahl des Strafrahmens führen zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs, weil nicht auszuschließen ist, dass das Landgericht einen besonders schweren Fall im Sinne des § 177 Abs. 2 StGB verneint und gegen den Angeklagten niedrigere Einzelfreiheitsstrafen verhängt hätte. Die zu Grunde liegenden Feststellungen können jedoch bestehen bleiben, weil sie von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen sind zulässig.

HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 627

Bearbeiter: Karsten Gaede