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HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 599

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 60/09, Urteil v. 30.04.2009, HRRS 2009 Nr. 599


BGH 4 StR 60/09 - Urteil vom 30. April 2009 (LG Dortmund)

Begriff der Tat im prozessualen Sinne (Brandstiftung und versuchte Anstiftung zur Brandstiftung; Kettenanstiftung).

§ 264 StPO; § 308 StGB; § 30 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Nach ständiger Rechtsprechung gehört zu der Tat als Prozessgegenstand im Sinne des § 264 StPO neben dem in der Anklage umschriebenen und dem Angeklagten dort zur Last gelegten Geschehensablauf, auch das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach allgemeiner Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang bildet (BGHSt 45, 211, 212 f. m.w.N.; BGH StV 1981, 127, 128).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 2. Juni 2008, soweit es den Angeklagten B. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist,

b) im Gesamtstrafenausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur versuchten Brandstiftung und wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Gegen den Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass der Angeklagte im Tatkomplex 2 (Brandlegung im Containergebäude an der L. Straße in W. am 8. Februar 2006) freigesprochen und nicht (jedenfalls) wegen versuchter Anstiftung zu einer vorsätzlichen Brandstiftung verurteilt worden ist. Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg.

1. Nach den im angefochtenen Urteil zum Tatkomplex 2 getroffenen Feststellungen suchten die Eheleute S. -B. Anfang des Jahres 2006 möglicherweise mit Hilfe des Angeklagten eine Person, die gegen ein Entgelt die von ihnen betriebene Bäckereifiliale im Containergebäude an der L. Straße in W. in Brand setzen sollte, um sich auf diese Weise aus dem Pachtvertrag lösen zu können. Jedenfalls sprach der Angeklagte Anfang 2006 den früheren Mitangeklagten St. an, ob dieser jemanden wisse, der die Bäckereifiliale in Brand setzt. St. wandte sich deshalb an den Zeugen Br., der das Angebot jedoch ablehnte. Tatsächlich brannte das Gebäude am 8. Februar 2006 ab. Der Täter ist unbekannt geblieben.

Das Landgericht hat im Zusammenhang mit diesem Tatkomplex den früheren Mitangeklagten St. wegen versuchter Anstiftung zur vorsätzlichen Brandstiftung verurteilt. Den Angeklagten hat es indes insoweit freigesprochen, weil ihm die Gewinnung des unbekannt gebliebenen Täters nicht nachzuweisen gewesen sei. Soweit der Angeklagte den früheren Mitangeklagten St. veranlasst hat, sich nach einem Täter umzusehen, hat sich das Landgericht an einer Verurteilung (wegen versuchter [Ketten-]Anstiftung gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. i.V.m. § 306 StGB) gehindert gesehen, weil dieses Verhalten des Angeklagten nicht von der Anklage umfasst sei.

2. Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin, dass das Landgericht angenommen hat, die versuchte [Ketten-]Anstiftung des früheren Mitangeklagten St. durch den Angeklagten sei gegenüber dem Anklagevorwurf eine selbständige prozessuale Tat und deshalb nicht von der Anklage umfasst.

Nach ständiger Rechtsprechung gehört zu der Tat als Prozessgegenstand im Sinne des § 264 StPO, nämlich zu dem in der Anklage umschriebenen und dem Angeklagten dort zur Last gelegten Geschehensablauf, das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach allgemeiner Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang bildet (BGHSt 45, 211, 212 f. m.w.N.; BGH StV 1981, 127, 128).

So liegt es hier. Es kann dahin stehen, ob die Bemühung des Angeklagten, über den früheren Mitangeklagten St. einen Täter zu gewinnen, und die dem Angeklagten mit der Anklage zur Last gelegte Gewinnung des unbekannten Dritten - deren Erweislichkeit unterstellt - auch materiell-rechtlich eine Handlung bilden (würden). Jedenfalls umfasste der Anklagevorwurf gegen den Angeklagten nicht nur die erfolgreiche Bestimmung des unbekannten Dritten zu der Brandlegung am 8. Februar 2006, sondern auch sein im Vorfeld dazu auf den nämlichen Taterfolg gerichtetes Bemühen gegenüber dem früheren Mitangeklagten St. Beide Vorgänge stehen in einem sachlichen und motivatorischen Zusammenhang.

Schließlich besteht auch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen beiden Tatabschnitten. Denn von der Ansprache des Angeklagten gegenüber dem früheren Mitangeklagten St. war bis zur Brandlegung allerhöchstens ein Monat verstrichen, innerhalb dessen noch der Unbekannte gewonnen werden musste. Danach würde die Annahme zweier prozessualer Taten zu einer unnatürlichen Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts führen.

Die Strafkammer hätte daher, wenn der Tatnachweis vollendeter Anstiftung (des Unbekannten) nicht zu erbringen war, die Strafbarkeit des Angeklagten auch unter dem Gesichtspunkt der versuchten [Ketten-]Anstiftung würdigen müssen, um den Anklagegegenstand zu erschöpfen.

3. Über das strafbare Verhalten des Angeklagten im Tatkomplex 2 der Urteilsgründe ist nach alledem ohne Bindung an die bisher getroffenen Feststellungen insgesamt neu zu befinden. Infolge der Aufhebung des Freispruchs kann auch der Gesamtstrafenausspruch nicht bestehen bleiben, über den ebenfalls neu zu entscheiden ist.

HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 599

Externe Fundstellen: NStZ 2009, 585

Bearbeiter: Karsten Gaede