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HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 506

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 591/08, Beschluss v. 28.04.2009, HRRS 2009 Nr. 506


BGH 4 StR 591/08 - Beschluss vom 28. April 2009 (LG Siegen)

Anwendung und Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a StGB bei Vermögensdelikten (kommunikativer Prozess).

§ 46a Nr. 2 StGB; § 49 Abs. 1 StGB; § 46 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Zwar ist die Anwendung des § 46a Nr. 2 StGB bei Vermögensdelikten nicht schon von vorneherein ausgeschlossen (BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 1). Sie setzt jedoch einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss (BGH wistra 2002, 21; BGH NStZ 2006, 275, 276 m.w.N.) und in dessen Verlauf der Angeklagte die Übernahme der Verantwortung für seine Taten zum Ausdruck bringt (BGHSt 48, 134, 141).

Entscheidungstenor

1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall D 26. Fallakte 03 Einzelfall 09 der Gründe des Urteils des Landgerichts Siegen vom 27. Februar 2008 verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Betruges in 526 Fällen, davon in acht Fällen in Form des Versuchs, schuldig ist.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

4. Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 527 Fällen, davon in acht Fällen in Form des Versuchs, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihm die Ausübung seines Berufes als Rechtsanwalt für die Dauer von drei Jahren untersagt. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Der Senat hat das Verfahren im Fall D Ziffer 26. Fallakte 03 Einzelfall 09 der Urteilsgründe auf Antrag des Generalbundesanwalts eingestellt. Dies führt zu der aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs. Der mit der Teileinstellung verbundene Wegfall einer Einzelstrafe von elf Monaten Freiheitsstrafe lässt die verhängte Gesamtstrafe unberührt. Der Senat kann angesichts der Einsatzstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten sowie der Anzahl und Höhe der weiteren verbleibenden Einzelstrafen ausschließen, dass das Landgericht ohne die entfallene Einzelstrafe auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Das Landgericht hat die Voraussetzungen der fakultativen Strafrahmenverschiebung nach §§ 49 Abs. 1, 46a Nr. 2 StGB zutreffend verneint und die Schadensersatzleistungen des Angeklagten gegenüber den geschädigten Rechtsschutzversicherern rechtsfehlerfrei allein im Rahmen des § 46 StGB strafmildernd berücksichtigt. Dass es den Milderungsgrund des § 46a Nr. 1 StGB nicht in Erwägung gezogen hat, begegnet nach den getroffenen Feststellungen jedenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar ist die Anwendung dieser Vorschrift bei Vermögensdelikten nicht schon von vorneherein ausgeschlossen (BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 1). Sie setzt jedoch, wie sich insbesondere aus dem Klammerzusatz "Täter-Opfer-Ausgleich" ergibt, einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss (BGH wistra 2002, 21; BGH NStZ 2006, 275, 276 m.w.N.) und in dessen Verlauf der Angeklagte die Übernahme der Verantwortung für seine Taten zum Ausdruck bringt (BGHSt 48, 134, 141). Daran fehlt es hier. Der Angeklagte leistete zwar zügig und umfangreich Schadensersatz. Zunächst aber dienten seine Leistungen allein dem Zweck, seine Taten zu verschleiern.

So zahlte er betrügerisch erlangte Vorschüsse Anfang September 2003 in Höhe von über 50.000 Euro an die Ö. Rechtsschutz Versicherungs-AG zurück, nachdem er zur Abrechnung bzw. Sachstandsmitteilung in über 100 Fällen aufgefordert worden war. Dabei bekannte er sich jedoch nicht zu seinen Taten, sondern machte vielmehr angebliche Computerprobleme für fehlende ordnungsgemäße Abrechnungen verantwortlich. Als die Ö. sodann die Rückzahlung weiterer Vorschusszahlungen in Höhe von über 150.000 Euro verlangte, kam er dem zwar umgehend nach, setzte aber anschließend seine Betrugsserie gegenüber anderen Rechtsschutzversicherern unbeeindruckt fort.

Auch die späteren Verhandlungen des Angeklagten mit den jeweils geschädigten Rechtsschutzversicherern beschränkten sich erkennbar darauf, über die Höhe der materiellen Schadensersatzansprüche Einigung zu erzielen und die Art und Weise ihrer Erfüllung zu regeln. Ein umfassender Ausgleich der Folgen seiner Straftaten war damit nicht verbunden. Vielmehr hatte der Angeklagte durch seine Taten das Vertrauen der Rechtsschutzversicherer in ihn als Organ der Rechtspflege nachhaltig und dauerhaft erschüttert. Die von ihm vorgenommenen Rückzahlungen der unberechtigt beanspruchten Vorschüsse waren auch aus Sicht der Geschädigten nicht geeignet, dieses Vertrauen wiederherzustellen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts arbeiten die Versicherer zwar weiter mit dem Angeklagten zusammen. Sie haben jedoch für alle von ihm gestellten Deckungsanfragen jeweils Spezialzuständigkeiten gebildet.

Die Anwendung der Strafabschlagslösung anstelle der Vollstreckungslösung beschwert den Angeklagten nicht. Auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 4. Dezember 2008 nimmt der Senat Bezug.

HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 506

Bearbeiter: Karsten Gaede