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HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 781

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 298/08, Beschluss v. 10.07.2008, HRRS 2008 Nr. 781


BGH 4 StR 298/08 - Beschluss vom 10. Juli 2008 (LG Essen)

Schwerer Raub durch Beisichführen eines sonstigen Mittels zum Bruch von Widerstand (einschränkende Auslegung bei objektiv ersichtlich ungefährlichen Gegenständen und Täuschungen).

§ 249 StGB; § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Ein Gegenstand, der aus der Sicht eines objektiven Betrachters nach seinem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich ist, ist kein taugliches Werkzeug oder Mittel im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB, denn bei Verwendung eines objektiv ersichtlich ungefährlichen Gegenstandes, den das Opfer nicht oder nur unzureichend sinnlich wahrnehmen kann (und soll), wird die Zwangswirkung beim Opfer zwar mittels dieses Gegenstandes, maßgeblich jedoch durch Täuschung hervorgerufen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. März 2008

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Raubes schuldig ist,

b) im Strafausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen waren der Angeklagte und sein unbekannt gebliebener Mittäter übereingekommen, den Zeugen K. auf dessen nächtlichen Heimweg zu überfallen, um sich für eine vorausgegangene Auseinandersetzung zu rächen. In einer Parkanlage versperrte der Angeklagte dem Zeugen den Weg. Zugleich trat der Mittäter von hinten an den Zeugen heran und hielt ihm einen Gegenstand an den Hals. Weil der stark alkoholisierte Zeuge glaubte, es handele sich um ein Messer, leistete er keinen Widerstand und hob die Hände. Spätestens jetzt fasste der Angeklagte den Entschluss, den Zeugen unter Ausnutzung der Bedrohungssituation zu berauben, und nahm unter anderem dessen Handy sowie mehrere Flaschen Alkoholika in Zueignungsabsicht an sich.

Das Landgericht hat die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestandes des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB als erfüllt angesehen und dies damit begründet, dass der Angeklagte "die durch den Einsatz eines sonstigen Mittels im Sinne dieser Vorschrift geschaffene und als aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung weiterwirkende Zwangslage" [UA 11] des Zeugen bewusst ausgenutzt habe.

2. Die rechtliche Bewertung der Tat als schwerer Raub nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

Das Landgericht hat zu der näheren Beschaffenheit des Gegenstandes, der dem Zeugen an den Hals gesetzt wurde, keine Feststellungen treffen können. Zu Gunsten des Angeklagten ist deswegen davon auszugehen, dass es sich um einen Gegenstand handelte, der aus der Sicht eines objektiven Betrachters nach seinem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich war. Derartige Gegenstände stellen, wie der Senat in seinem Urteil vom 5 18. Januar 2007 - 4 StR 394/06 (= NStZ 2007, 332 f.) entschieden hat, kein taugliches Werkzeug oder Mittel im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB dar, denn bei Verwendung eines objektiv ersichtlich ungefährlichen Gegenstandes, den das Opfer nicht oder nur unzureichend sinnlich wahrnehmen kann (und soll), wird die Zwangswirkung beim Opfer zwar mittels dieses Gegenstandes, maßgeblich jedoch durch Täuschung hervorgerufen (vgl. auch Fischer StGB 55. Aufl. § 250 Rdn. 11 ff.).

3. Der Senat schließt aus, dass sich in einer erneuten Hauptverhandlung Feststellungen zu der näheren Beschaffenheit des eingesetzten Gegenstandes treffen lassen. Er ändert deswegen den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs.

HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 781

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2008, 311; StV 2008, 520

Bearbeiter: Karsten Gaede