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HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 413

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 454/07, Beschluss v. 11.03.2008, HRRS 2008 Nr. 413


BGH 4 StR 454/07 - Beschluss vom 11. März 2008

Unbegründete Anhörungsrüge (Kausalitätserfordernis; rechtliches Gehör); ausnahmsweise Hinweispflicht bezüglich eines fernmündlich gestellten Einstellungsantrages des Generalbundesanwalts.

Art. 103 Abs. 1 GG; § 356a StPO; § 154 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Der vorherigen Anhörung des Antragstellers zu einem Einstellungsantrag des Generalbundesanwalts bedarf es grundsätzlich nicht, wenn er durch die teilweise Einstellung des Verfahrens nicht beschwert ist (BGH NStZ 1995, 18). Dies ist bei unterschiedlichen Straftaten regelmäßig der Fall. Allerdings muss eine Mitteilung des Einstellungsantrags erfolgen, wenn das Tatgericht das nun eingestellte Tatgeschehen bei der Feststellung der verbleibenden Straftat und bei der diesbezüglichen Strafbemessung berücksichtigt hat.

2. Eine Anhörungsrüge gegen Entscheidungen des Revisionsgerichts ist nur dann erfolgreich, wenn der Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt ist.

Entscheidungstenor

Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Senatsbeschluss vom 30. Oktober 2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags (Einzelstrafe: zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe) und wegen gefährlicher Körperverletzung (Einzelstrafe: Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu jeweils 10 €) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat auf fernmündlich gestellten Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, und das Urteil dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt wird; die weiter gehende Revision wurde gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Hiergegen hat der Verurteilte fristgerecht eine Anhörungsrüge nach § 356 a StGB erhoben. Zu deren Begründung hat er unter anderem ausgeführt, dass der Senat die Verurteilung wegen Totschlags, jedenfalls aber die insoweit vom Landgericht festgesetzte Einzelstrafe nicht hätte aufrechterhalten dürfen, da das Landgericht beide Taten, zumindest auf der Ebene der Strafzumessung, unauflöslich miteinander verknüpft habe. Im Übrigen beanstandet er, dass weder ihm noch seinem Verteidiger der Einstellungsantrag des Generalbundesanwalts zur Kenntnis gegeben worden sei.

Die Rüge ist im Ergebnis unbegründet. Der vorherigen Anhörung des Antragstellers zu einem Einstellungsantrag des Generalbundesanwalts bedarf es nicht, wenn er durch die teilweise Einstellung des Verfahrens nicht beschwert ist (BGH NStZ 1995, 18; vgl. auch Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 154 Rdn. 20 m.w.N.). Dies ist bei unterschiedlichen Straftaten regelmäßig der Fall. Allerdings hätte hier eine Mitteilung des Einstellungsantrags erfolgen müssen, weil das Landgericht das vorangegangene Körperverletzungsgeschehen sowohl im Rahmen einer Hilfserwägung zur Frage des Notwehrrechts hinsichtlich des tödlichen Stichs [UA 19] als auch bei der Bemessung der für den Totschlag erkannten Strafe [UA 20] berücksichtigt hat. Dies verhilft der Anhörungsrüge des Antragstellers indes nicht zum Erfolg. Sein Anspruch auf rechtliches Gehör ist jedenfalls nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt, da sich der Gehörsverstoß nicht auf die Senatsentscheidung vom 30. Oktober 2007 ausgewirkt hat.

Für den Schuldspruch wegen Totschlags ist die Verfahrenseinstellung ohne Bedeutung. Auf die hilfsweise angestellte Überlegung, dass ein etwaiges Notwehrrecht wegen der vorangegangenen gefährlichen Körperverletzung eingeschränkt gewesen sei, kommt es nicht an, da das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen eine Notwehrlage rechtsfehlerfrei verneint hat. Danach hatte der später Geschädigte zwar anfangs den Streit provoziert, war aber, nachdem ihm der Angeklagte einen Messerstich in die Schulter versetzt hatte, weggelaufen. Obwohl die Auseinandersetzung dadurch beendet war, griff der Angeklagte nunmehr grundlos die beiden Begleiter des Geschädigten an. Er schlug dem einen mit der Faust, in der er noch immer das Messer hielt, ins Gesicht und verfolgte, weiterhin mit dem Messer bewaffnet, den anderen, der zu flüchten versuchte. In diesem Moment erst kehrte der Geschädigte zurück. Als er, um seinen rechtswidrig angegriffenen Begleiter zu schützen, auf den Angeklagten zusprang, versetzte ihm dieser einen so wuchtigen Stich in die Brust, dass das Brustbein durchstoßen und die Lungenschlagader durchtrennt wurden.

Auch für die Bemessung der für den Totschlag verhängten Strafe kommt es auf die Verfahrenseinstellung letztlich nicht an. Insoweit hat das Landgericht zwar schärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte bereits durch den ersten Messerstich in die Schulter "erhebliche kriminelle Energie offenbart" habe. Angesichts des Tatgeschehens wäre aber eine noch mildere Strafe als die vom Landgericht verhängte nicht mehr schuldangemessen.

HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 413

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2008, 183

Bearbeiter: Karsten Gaede