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HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 987

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 392/07, Beschluss v. 25.09.2007, HRRS 2007 Nr. 987


BGH 4 StR 392/07 - Beschluss vom 25. September 2007 (LG Dessau)

Vorsatz bei der Beihilfe zur Geiselnahme und zur schweren räuberischen Erpressung (Unterscheidung nach einzelnen Gesetzesverletzungen / Haupttaten).

§ 15 StGB; § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB; § 239b StGB; § 255 StGB; § 250 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Die Strafbarkeit wegen Beihilfe setzt nicht voraus, dass der Gehilfe die konkreten Tatumstände in allen Einzelheiten kennt; es reicht vielmehr aus, dass sich sein Vorsatz auf die Ausführung einer in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Tat richtet (BGHSt 42, 135, 137). Es bedarf jedoch stets einer gesonderten Prüfung der bestehenden Anforderungen für jede einzelne Haupttat.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 16. April 2007, soweit es ihn betrifft,

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen Beihilfe zur Geiselnahme entfällt,

b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Geiselnahme" zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Entgegen der Auffassung der Revision belegen die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, dass der Angeklagte durch die von ihm geleisteten Aufpasserdienste den von den drei Mitangeklagten verübten Überfall auf eine Tankstelle wissentlich gefördert und sich damit der Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung schuldig gemacht hat. Zu Recht weist der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift darauf hin, dass die Strafbarkeit wegen Beihilfe nicht voraussetzt, dass der Gehilfe die konkreten Tatumstände in allen Einzelheiten kennt; es reicht vielmehr aus, dass sich sein Vorsatz auf die Ausführung einer in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Tat richtet (BGHSt 42, 135, 137).

Dagegen ergeben die Feststellungen nicht, dass der Angeklagte, wie das Landgericht meint, zugleich auch der Beihilfe zur Geiselnahme (richtig: zum erpresserischen Menschenraub) schuldig ist. Das Vorgehen der Mitangeklagten gegen den Tankstellenkassierer weicht von der üblichen Begehungsweise eines Tankstellenüberfalls erheblich ab. Sie bemächtigten sich des Kassierers, nachdem dieser nach Beendigung seiner Tätigkeit den Verkaufsraum verschlossen hatte. Unter Bedrohung mit einer ungeladenen Schreckschusswaffe zwangen sie ihn zur Herausgabe seiner Autoschlüssel und sperrten ihn in den Kofferraum seines Fahrzeugs, wo er während des gesamten weiteren Tatgeschehens - etwa 30 bis 40 Minuten lang - verbleiben musste. In dieser Zeit fuhr der Mitangeklagte A. mit dem Fahrzeug umher. Bei einem Halt ließ er sich von dem Opfer unter erneuter Bedrohung mit der Tatwaffe die Tankstellenschlüssel aushändigen sowie die Bedienung der Alarmanlage erklären; sodann suchten die Mitangeklagten erneut die Tankstelle auf und entwendeten Geld und andere mitnehmenswerte Dinge. Dass sich der Vorsatz des Angeklagten auch auf dieses Tatgeschehen bezog, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Es ist auch nicht zu erwarten, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, die zu einer Verurteilung des Angeklagten auch wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub führen würden. Der Senat ändert daher den Schuldspruch entsprechend ab.

Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, da der Senat nicht sicher ausschließen kann, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte.

Da sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, verweist der Senat die Sache im Umfang der Aufhebung an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück.

HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 987

Bearbeiter: Karsten Gaede