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HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 984

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 334/07, Beschluss v. 20.09.2007, HRRS 2007 Nr. 984


BGH 4 StR 334/07 - Beschluss vom 20. September 2007 (LG Dortmund)

Abgrenzung von erpresserischem Menschenraub und räuberischer Erpressung nach der stabilen Bemächtigungslage.

§ 239a StGB; § 255 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung muss ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang derart bestehen, dass der Täter das Opfer oder einen Dritten während der Dauer der Zwangslage erpressen will (BGHSt 40, 350, 355; BGHR StGB § 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 5). Sieht dagegen der Tatplan vor, dass die Leistung, die der Täter erpressen will, erst zu einem Zeitpunkt erfolgen soll, zu dem die Bemächtigungslage bereits beendet ist, fehlt es an der Absicht des Ausnutzens gemäß § 239 a Abs. 1 StGB.

Entscheidungstenor

I. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 27. Dezember 2006 werden

1. die Schuldsprüche

a) im Fall II 1 der Urteilsgründe, auch soweit es den Mitangeklagten Sch. betrifft, dahin geändert, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubs entfällt,

b) im Fall II 2 dahin berichtigt, dass der Angeklagte der versuchten räuberischen Erpressung schuldig ist;

2. die Strafaussprüche hinsichtlich des Falles II 1 der Urteilsgründe bezüglich beider Angeklagter und der Gesamtstrafenausspruch bezüglich des Angeklagten T. aufgehoben.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, der sich auch auf den nicht revidierenden Mitangeklagten Sch. auswirkt; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verurteilung der Angeklagten hat insoweit keinen Bestand, als sie im Fall II 1 der Urteilsgründe auch wegen erpresserischen Menschenraubs verurteilt worden sind.

Nach den Feststellungen verlangten die Angeklagten unter Androhung von Gewalt von den Zeugen C. und D. die Zahlung eines Geldbetrages von 1.500 Euro, auf den sie, wie sie wussten, keinen Anspruch hatten. Da ihre wiederholten Bemühungen nur zur Zahlung eines geringen Teilbetrages geführt hatten, planten sie, "die Zeugen an einen für sie unbekannten Ort zu verbringen, um dort unter Androhung von Gewalt die Zahlungsbereitschaft der Zeugen zu erhöhen" [UA 17]. Zu diesem Zweck verbrachten sie die Zeugen in ein dunkles Waldstück. Dort versprachen die verängstigten Zeugen schließlich, um die in Aussicht gestellten Gewaltanwendungen zu vermeiden, am folgenden Tag eine weitere Teilzahlung zu erbringen. Daraufhin wurden sie in die Wohnung des Zeugen D. zurückgebracht. Im Laufe der folgenden Wochen verschaffte sich der Zeuge D. Geld von einem Wucherer und von seinen Eltern und leistete unter dem Eindruck der Drohungen zwei Zahlungen von insgesamt 1.550 Euro.

Dieser Sachverhalt erfüllt zwar den Tatbestand der räuberischen Erpressung, nicht aber den des erpresserischen Menschenraubs gemäß § 239 a Abs. 1 StGB. Zwar hatten sich die Angeklagten ihrer Opfer bemächtigt. Sie handelten jedoch nicht in der Absicht, die so geschaffene Lage zu einer Erpressung auszunutzen. Zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung muss ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang derart bestehen, dass der Täter das Opfer oder einen Dritten während der Dauer der Zwangslage erpressen will (BGHSt 40, 350, 355; BGHR StGB § 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 5; vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 239 a Rdn. 12 m.w.N.). Sieht dagegen - wie hier - der Tatplan vor, dass die Leistung, die der Täter erpressen will, erst zu einem Zeitpunkt erfolgen soll, zu dem die Bemächtigungslage bereits beendet ist, fehlt es an der Absicht des Ausnutzens gemäß § 239 a Abs. 1 StGB.

Der Senat ändert - gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich des nicht revidierenden Mitangeklagten - den Schuldspruch im Fall II 1 der Urteilsgründe entsprechend ab. Dies führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen.

Damit hat auch der Gesamtstrafausspruch bezüglich des Angeklagten T. keinen Bestand.

2. Darüber hinaus berichtigt der Senat den Schuldspruch des schriftlichen Urteils dahingehend, dass der Angeklagte T. im Fall II 2 der Urteilsgründe wegen versuchter räuberischer Erpressung verurteilt ist. Sowohl aus der Sitzungsniederschrift als auch aus den schriftlichen Urteilsgründen zur rechtlichen Würdigung und zur Strafzumessung [UA 29, 35] ergibt sich, dass das Landgericht den Angeklagten wegen einer Versuchstat verurteilt hat.

HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 984

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2008, 109

Bearbeiter: Karsten Gaede